bierchen am 05.08.2005 22:06 schrieb:
Du meinst, dass sich der Arbeitsmarkt von anderen Märkten insofern unterscheidet, als hier eine Partei (Arbeitgeber) in einer stärkeren Position ist als die andere (Arbeitnehmer) und der Arbeitnehmer aus dem Grund, dass er um seiner Existenz willen ("Zwänge") unbedingt Arbeit braucht, sich für einen niedrigeren Lohn anbietet. Deshalb - und offenbar nur deshalb - ist der Lohn unter dem Gleichgewichtslohn, sagst Du. Habe ich Deine Position soweit in etwa richtig zusammengefasst?
Das ist die symptomatische Beschreibung, ja. Wirtschaftswissenschaftlich gesprochen handelt sich um einen Markt ohne Bereinigungsmöglichkeit. Stell dir vor, 10 unterschiedlich große Anbieter würden Schrauben anbieten. Sie stellen aber fest, dass sie zu viele Schrauben anbieten, es gibt zu wenig Nachfrage. Korrekterweise sinkt der Schraubenpreis. Wenn die Nachfrage nun trotzdem nicht steigt, weil einfach mal nicht mehr geschraubt werden muss, sinkt der Schraubenpreis weiter. Was würde jetzt passieren, wenn der Preis in dem ein oder anderen oder gar allen der 10 Betriebe unter den Herstellungspreis sinkt? Kein ernsthafter WiWi würde jetzt behaupten, der Marktpreis läge noch weiter drunter. Stattdessen würde jeder eine Marktbereinigung prophezeien, nach der sich der Preis wieder nach oben entwickelt und stabilisiert. Anbieter würden vom Markt verschwinden.
Warum also behauptet ihr beim Arbeitsmarkt, eine weitere Preissenkung wäre schon die Lösung? Wir sind derzeit unterm Herstellungspreis, und eine Nachfrageerhöhung ist bei einer Preissenkung nicht zu erwarten - es gab sie schon in den letzten Jahre nicht, im Gegenteil. Und das TROTZ Preissenkung (unter anderem, weil jeder Anbieter in diesem Markt auch Nachfrager ist, Stichwort: Binnennachfrage).
Die Anbieter können nicht ihren "Betrieb schließen" und andere Produkte herstellen. Sie haben nur ihre Arbeitskraft. Sie bleiben also auf dem Markt. Jetzt stell dir beim Schraubenbeispiel vor, die Kunden würden mitkriegen, dass die Anbieter trotz Negativprofit trotzdem weitermachen und sich weiter anbieten. Was würden sie wohl tun? Richtig: Sie erkennen ihre Marktmacht und drücken den Preis noch weiter - jetzt wo sie wissen, dass dies nicht zu einer Marktbereinigung führt. Und genau das passiert derzeit im Arbeitsmarkt.
Und du behauptest immer noch, ein marktgerechter Preis läge unter den derzeitigen Löhnen? Denk noch einmal anhand meines Beispiels drüber nach.
Tja aph, ich sehe langsam auch keinen Sinn mehr in unserer Diskussion. Du behauptest etwas, ich sage es stimmt nicht und lege Dir die Gründe dar, warum es nicht stimmt. Meine Gegengründe ignorierst Du, gehst nicht darauf ein, erklärst nur immer wieder, warum es aus Deiner Sicht so sein muss.
Dito.
Und, wie Du darauf kommst, dass es für eine Gesellschaft schlecht ist, wenn langfristig die Rendite (welche meinen wir überhaupt? - Umsatzrendite, Return on Investment; na ja, eigentlich egal, jedenfalls ist eine Gewinnkomponente vorhanden) über dem Produktivitätsfortschritt liegt, das musst Du mir wirklich noch genau erläutern, das habe ich nicht verstanden.
Ich habe nicht gesagt, dass hohe Renditen an sich schädlich sind. Es wäre schön, wenn so hohe Renditen langfristig möglich wären. Ich sage, dass sie weder möglich noch existent sind. Alle Renditen zusammengefasst, kann die Rate nicht über der Produktivitätssteigerung liegen, bzw. BIP-Zuwachs, etc.. Das sollte dir einleuchten. Von nix kommt nix.
Das heißt: Wo immer jemand höhere Renditen hat, hat ein anderer kleinere, keine oder gar negative. Es lohnt darüber nachzudenken, wie die jeweils höheren zustande kommen, was derjenige, der sie einfährt, tatsächlich für die Wirtschaft tut. Und ob der Wirtschaft langfristig wirklich geholfen wäre, wenn wir es einigen Teilen in ihr ermöglichen, größere Unterschiede zwischen ihrer Rendite und der zum Ausgleich niedrigeren Rendite von anderen einzufahren. Bei letzteren handelt es sich übrigens in der Regel um Lohnabhängige.
Es lohnt auch darüber nachzudenken, auf welche Weise wir es ihnen ermöglichen wollen. Durch Technologiezuwachs? Gern. Durch Lohnkürzungen oder durch Arbeitsplatzverlagerung nach China? Absolut schädlich und technologiefeindlich. Da kommt das Geld nur kurz vorbei, holt sich die hohen Renditen durch kurzfristige Aktienkurssteigerungen ab, lässt ärmere und kaufkraftgeschwächte Bürger sowie substanzgefährdete Zulieferer zurück und sucht sich neue Renditepeaks im Meer der schwächelnden Weltwirtschaft. Das hilft uns logischerweise nicht weiter.