Woke sein bedeutet erst mal nur "sozialen Missständen gewahr sein". Alles weitere ist Interpretation gefärbt durch politische Standpunkte. Insbesondere "Menschen permanent in Opferrollen drängen" ist dem "woke sein" nicht inhärent. Es ist viel mehr eine Unterstellung, welche einer Erklärung, wenn nicht gar eines Belegs bedarf.
Das Weglassen dieser Herleitung ist genau das Markenzeichen von Redpillern, die so tief im Morast der gedanklichen Gülle stecken, dass sie es gar nicht mehr für notwendig erachten. Du meinst ich läge falsch damit, dich in diese Gruppe zu stecken? Dann leg' mal los. Wie kommt man vom Woke sein dazu, Menschen in permanente Opferrollen zu drängen? Was ist der kausale Zusammenhang? Ich bin gespannt.
Nein, das ist keine Interpretation, sondern gelebte Praxis.
Wenn eine alte Frau einen farbigen Mann fragt „Woher kommen Sie ursprünglich?“, lautet die woke Perspektive darauf: "Das System ist rassistisch."
Wenn eine Trans-Person bei der Jobsuche Schwierigkeiten hat, lautet die woke Perspektive darauf: „Das System ist transfeindlich.“
Wenn ein Mann und keine Frau in den Vorstand berufen wird, lautet die woke Perspektive darauf: „Das System ist sexistisch.“
Natürlich gibt es in unserer Gesellschaft systematische Benachteiligungen, strukturelle Probleme und Diskriminierung.
Unser Gehirn kategorisiert nun mal automatisch. Neue, ungewohnte Dinge erzeugen erstmal Vorsicht und Skepsis. Diese Mechanismen sind aber nicht per se „böse“, sondern neurologische Grundfunktionen. Der Unterschied zwischen "unbewusstem Bias" und "aktivem Rassismus" wird von Woken sehr oft verwischt.
Die „Schuld“ immer nur im System zu suchen, führt eben in einem Atemzug dazu, die Betroffenen in eine Opferrolle zu manövrieren: Du kannst in westlichen Gesellschaften nicht erfolgreich sein, weil das System rassistisch ist. Dementsprechend richtet sich ja auch die gesamte woke Bewegung nicht auf die HANDLUNGSFÄHIGKEIT des Einzelnen, sondern auf den SCHUTZ der Minderheit und GEGEN das System.
Hier ein paar Beispiele, die mir einfallen:
Praxis an US-Universitäten: "Trigger Warnings" vor klassischer Literatur. Shakespeare, Mark Twain werden teilweise aus Lehrplänen gestrichen, da es Studenten zu sehr verletzen könnte. In Deutschland hatten wir die Diskussion unlängst mit Karl May.
Evergreen State College 2017, Prof. Brett Weinstein wurde als Rassist bezeichnet und vertrieben, nachdem er den Day of Absence kritisierte, an dem weiße Studenten und Dozenten den Campus verlassen sollten.
James Damore (Google) schrieb internes Memo über biologische Unterschiede und Diversity. Statt Debatte, sofortige Kündigung. Gilt seitdem als Frauenfeind. Keine Chance auf Rehabilitation.
Lindsay Shepherd (Wilfrid Laurier University), zeigte im Seminar Debatte über Gender-Pronomen und wurde dafür in mehrstündiges Tribunal zitiert, musste Uni verlassen.
Berliner HU sagt Vortrag von Marie-Luise Vollbrecht zu zwei Geschlechtern in der Biologie ab, da dieser „nicht im Einklang mit dem Leitbild der HU und den von ihr vertretenen Werten“ stehe (später gerichtlich gekippt).
Und grundsätzlich alle Debatten zur kulturellen Aneignung, Menschen werden permanent auf ihre ethnische Identität reduziert. Weiße Yoga-Lehrerin in Kanada musste Kurs schließen, Weiße dürfen keine Dreadlocks mehr tragen usw.
Ich hoffe, es zumindest klar geworden, dass woke in der Praxis weit mehr bedeutet als einfach nur „sozialen Missständen gewahr zu sein“.
P.S. Ich habe das Spiel nach 8 Stunden abgebrochen, da mir die Dialoge zu langweilig waren. Aber für die Diskussion wäre es zumindest interessant, wie die Taash-Quest in diesem Zusammenhang gestaltet ist. Wird Taash hier als Opfer des Systems dargestellt (was ich befürchte, siehe oben), oder nicht?