AW: Achter Jahrestag 9/11-Wie hat sich die Welt seid diesem Tag verändert?
Ok, und welche Bedingungen müssten erfüllt sein, damit man sagen muss, ein Einsatz ist doch falsch? Welche Art von Erkenntnisse müsste man - rein hypothetisch - deiner Meinung nach gewinnen, bis man sagt: "Ok, ich habe mich geirrt, der Einsatz war falsch und wir hätten abbrechen müssen?"
Ich habe nämlich das Gefühl, dass du dich genau dieser Art von Erkenntnissen verweigerst, wenn ich mir deine Reaktion auf die 30%ige Steigerung der Traumafälle anschaue.
Oder denkst du, für den Afghanistaneinsatz wird es niemals eine neue Erkenntnis geben, und wir können dort nur gewinnen oder verlieren, bevor der Einsatz endet?
Im Falle von Afghanistan ist diese Frage für mich schon sehr hypothetisch, weil ich die Gründe für den Beginn dieses Einsatzes für gerechtfertigt halte und den Gegener für inakzeptabel - insofern kommt hier ein "der Einsatz war von Anfang an falsch" nicht in Frage (Ich könnte jetzt wieder mit dem 2. Weltkrieg kommen, aber das willst du wahrscheinlich nicht hören).
Insofern würde ich es hier auch für kontraproduktiv halten, Selbstkritik des Westens am Einsatz darin resultieren zu lassen, alles in den letzten Jahren geleistete (ja, das gibts auch!) einfach über den Haufen zu werfen und abzuziehen. Stattdessen sollte man diese Erkenntnisse eher dazu nutzen, das laufende Engagement zu verbessern.
Es gab aber tatsächlich mal eine Situation, wo ich mich in Bezug auf das Thema geärgert hab, wieso westliche Soldaten da überhaupt Gesundheit und Leben geben: Und zwar als - vor einem halben Jahr oder so - mal in den Medien war, Karzais Regierung plane ein Gesetz, das Frauen quasi wieder Scharia-ähnlich entmündigen sollte (es ist dann auf Druck des Westens meines Wissens nicht zu Stande gekommen, aber das soll hier nicht der Punkt sein). Bloß: Auch so etwas ändert im Endeffekt nichts an der Tatsache, das Afghanistan auch
nach einem Abzug ein Problem nicht nur der Afghanen bleiben würde, so wie es das auch
vor dem Einmarsch 2001 war (die bekannten Gründe: Rückzugsort für Terroristen, Pakistan etc.). Und daher sehe ich hier keine Alternative zum dableiben, bis es ernsthafte Resultate im Sinne des Westens und ich denke auch im Sinne der Mehrheit des afghanischen Volkes gibt. Ich denke das Mindest-Ziel sollte ein "Nie wieder ein 9/11 von afghanischem Boden aus" sein, und das ist auch der Punkt, wo ich noch am ehesten optimistisch bin, dass er erreicht werden kann, da sämtliche derartige Energie für die nächste Zeit lokal gebunden sein sollte ("Homegrown Terrorism" schließe ich jetzt mal aus. Es wird zwar von Seiten der Terroristen und ihrer Apologeten versucht, selbigen mit dem Afghanistan/Irak-Engagement des Westens zu begründen, aber dieses Phänomen ist wohl doch eher Ausdruck eines generellen Konflikts zwischen einer Kultur und des kleinen Teils einer anderen).
Realistisch denke ich, man wird noch ein paar Jahre weitermachen, bis man Polizei/Militär rudimentär aufgebaut hat und dann schauen, dass man rauskommt - wie sich das Land dann entwickelt, ist schwer abzuschätzen - optimistisch gesagt hat sich bis dahin vielleicht so was wie eine Zivilgesellschaft aufgebaut, die eine Rückkehr des Talibansystems zumindest auf Dauer nicht hinnehmen wird, pessimistisch betrachtet gibts danach einen Bürgerkrieg, die Wahrheit wird wahrscheinlich (wie jetzt auch im Irak) in der Mitte liegen.
Für eine wirkliche, gefestigte Veränderung müsste der Westen denk ich das ausreichende Sitzfleisch für längere Zeit (Jahrzehnte) haben, aber da kann noch so viel passieren, was in beide Richtungen beeinflussend wirken kann, dass ich da lieber keine Prognose abgeben will.
Um es nochmal kurz zu sagen: Ich denke, trotz aller Problematik des Dableibens, dass es keine bessere Alternative dazu gibt und auch nicht geben wird, wenn nicht die Taliban plötzlich für sich entdecken, dass es im Leben mehr gibt als die Möglichkeit, sich zu Allah und 72 Jungfrauen zu Bomben.
@Wolf
Nachdem ich grade schon meine kleine Abhandlung geschrieben habe, nur noch ein paar Worte zu dir:
- Völkerrecht ist das Recht der Diktatoren, nicht der Völker. Es schützt die falschen, wie man an deiner Argumentation zu Saddam und den Taliban sehen kann.
-Hast du dir die (sicher nicht 100%igen, aber nichtsdestotrotz als grobe Orientierung zu gebrauchenden) Zahlen, die hier gepostet wurden überhaupt mal angeschaut?
-Und - zum 100 mal - von Vergeltung habe ich nicht gesprochen - Aph ist derjenige, der dauernd von Rache spricht.
-Realistisch wissen wir beide nicht, wie Abdul Durchschnittsafghane seinen Tag verbringt und wie sein Leben ist. Realistisch weiß man aber auch, dass so ziemlich über jedes Bombardement, bei dem möglicherweise Zivilisten umgekommen sind, immerhin noch extra berichtet wird, aber nicht über jedes einzelne Mädchen, dass jetzt zur Schule gehen kann.
-Meine Meinung zum Homegrown Terrorism siehe weiter oben...
-Was meinst du, wieso ich auf den zynischen Charakter meiner Aussage nochmal extra hingewiesen habe? Eben um zu zeigen, dass man es so platt natürlich nicht sagen darf. Das hat nichts mit sich lustig machen zu tun, sondern mit einer gezielten Überspitzung, um meine generelle Aussage, dass die Gefährdung von Berufssoldaten allein kein Grund für einen Abzug sein kann, auf den Punkt zu bringen. Ich wollte mir damit Schreiberei ersparen, aber das hat irgendwie nicht so ganz geklappt Eigentlich kannst du das auch schon weiter oben in meiner Erwiederung auf Aph lesen (wenn das so weiter geht werd ich hier noch mit Querverweisen und Fussnoten arbeiten müssen).
Puhhh...Ich hoffe das wars wert