IXS am 20.09.2005 13:10 schrieb:
Ping2 am 20.09.2005 12:37 schrieb:
Sie haben rund 35% der abgegebenen, gültigen Stimmen bekommen. Dies bedeutet, 65% wollen Sie nicht!
Und dabei, Herr Noch-BK, sind noch nichtmal diejenigen berücksichtigt, die, wie ich, ihre Stimme bei der Wahl nicht abgegeben haben. Ohne das jetzt wirklich ausgerechnet zu haben, würde ich also mal sagen, 80 % der deutschen Wahlberechtigten haben Ihnen ihre Stimme nicht gegeben.
Die Rechnung stimmt nicht.
Nichtwähler bestätigen nämlich die bestehenden Verhältnisse und befürworten die anderen Wähler.
So hat jeder Nichtwähler seine Stimme aufgeteilt wie folgt:
CDU 35,2%
SPD 34,3%
FDP 9,8%
Grüne 8,1%
Linkspartei 8,7%
Andere 3,9%
Nichtwähler wählen deshalb nicht, weil sie sich nicht entscheiden können oder weil sie sich von den Parteien nicht vertreten fühlen. Außerdem gibt es überzeugte Nichtwähler (was schlimm ist, aber das ist ein anderes Thema!). Warum sollten Nichtwähler, wenn sie eine klare Präferenz haben, nicht wählen gehen? Wenn von den Nichtwählern tatsächlich 34% die SPD hätten wählen wollen, warum haben sie sie dann nicht am 18.9. gewählt? Klar, es gibt immer welche, die zeitlich oder gesundheitlich verhindert sind und nicht wissen, dass man einen Wahlschein oder Briefwahl noch bis 15 Uhr am Wahltag beantragen kann, aber das sind niemals über 30% der Wahlberechtigten!
Im Übrigen sind die Nichtwähler nicht zwangsläufig repräsentativ auf das Bundesgabiet verteilt. Wenn beispielsweise in Ostdeutschland der Nichtwähleranteil besonders hoch wäre, dann wäre der Zuspruch zur Linkspartei unter den Nichtwählern deutlich höher als der Bundesdurchschnitt von 8,7 %.
Würde man Deiner Argumentation übrigens folgen, dann bräuchte man bei der Bundestagswahl ja immer nur einen repräsentativen Wahlbezirk wählen lassen (Es gibt so einen irgendwo in der Pfalz. Wer die gestrigen Tagesthemen gesehen hat, weiß, wovon ich rede.). Dann könnte man nämlich zig Millionen, die diese Wahl kostet, einsparen.
Insofern ist Pings Rechenweise sehr wohl korrekt. Die, die nicht wählen waren, wollten auch nicht eindeutig Schröder als Kanzler. Deutschland hat rund 82 Mio. Einwohner, davon waren etwa 61 Mio., also ca. 74 % wahlberechtigt. Von den Wahlberechtigten haben gut 77 % ihre Stimme abgegeben, also ungefähr 47 Mio. Menschen oder rund 57 % der Gesamtbevölkerung. Von diesen 47 Mio. haben knapp 35 % die SPD gewählt, was 16,5 Mio. Wählern entspricht. D.h., 16,5 Mio. von 61 Mio. Wahlberechtigten haben für die SPD und damit Schröders Politik votiert, das sind 27 % der Wahlberechtigten. Dementsprechend stimmt Pings Aussage, dass überschlagen 80 % der Wahlberechtigten Schröder ihre Stimme nicht gegeben haben, nicht ganz, aber fast. Denn stolze 73% haben Schröders Politik mit ihrer Stimme oder ihrer Nichtwahl nicht unterstützt!
Daraus konstruiert Schröder dann aber einen klaren Wählerauftrag. Selbst wenn man außen vor lässt, dass die SPD im Vergleich zu 2002 fast 5 Prozentpunkte verloren hat und nur auf das Ergebnis der tatsächlich abgegebenen Stimmen eingeht, dann ist ganz eindeutig, dass die rot-grüne Regierung mit 42 % der Stimmen vom Wähler keinen Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung bekommen hat. Im Gegenteil, die Mehrheit hat sich gegen Schröders Politik entschieden. Das gilt sogar, wenn man zugrunde legt, dass die Nichtwähler ebenso wie der Bundesschnitt gewählt hätten, man also de facto eine Wahlbeteiligung von 100 % annimmt. Auch dann hätte eine rot-grüne Regierung mit 42 % deutlich keine Mehrheit.
Freilich hat auch Scharz-Gelb keinen eindeutgen Wählerauftrag erhalten. Aber es ist klar, dass die Wähler nicht für eine Fortsetzung von Schröders Politik votiert haben.
Die Argumentation der SPD, dass sie die Regierungsbildung übernehmen müsste, weil die Union zwei Parteien ist und deshalb die SPD die stärkste Partei im 16. Deutschen Bundestag stellt, ist an den Haaren herbeigezogen. Im parlamentarischen Geschäft spielen in Deutschland nämlich nicht Parteien eine Rolle, sondern ausschließlich Fraktionen. Deshalb hatte die PDS in der letzten Legislaturperiode auch nur eingeschränkte parlamentarische Rechte (Anträge, Redezeit usw.), weil die mit nur drei Abgeordneten keinen Fraktionsstaus besaß.
Aber nicht nur die SPD liegt falsch, wenn sie meint, sie hätten einen Regierungsbildungsauftrag. Auch die Union irrt, selbst wenn sie die stärkste Fraktion ist. Denn nicht die stärkste Partei oder Fraktion bildet die Regierung, sondern die Fraktion, deren Kandidat der Bundespräsident im ersten Wahlgang zur Wahl des Bundeskanzlers vorschlägt. Und das muss nicht immer die stärkste Partei/Fraktion sein (unter den SPD-Kanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt war die Union stets stärker als die SPD), denn der Bundespräsident schlägt den Kandidaten der Fraktion vor, dem er am ehesten eine Mehrheit zutraut.