Von der zweiten Welle würde ich jetzt auch noch nicht sprechen wollen, aber die Zahlen in unserer Umgebung auf Kreisebene steigen gerade nach einer längeren Entspannungsphase tatsächlich wieder.
Das ergibt sich u.a. aus den Meldedaten nach §7 IfSG. Wir bekommen von unserem Labor, das hier viele Einrichtungen abdeckt, eine Auswertung ihrer Positivraten und die sind seit KW 28 gestiegen. Das hängt sicher auch mit dem ein oder anderen Superspreader-Ereignis und den damit verbundenen Ausbrüchen zusammen, aber auch andere Verlaufskurven anderer Kreise zeigen seit Juli eine steigende Tendenz.
Drei meiner Kollegen arbeiten in Gesundheitsämtern und machen zur Zeit ebensolche Beobachtungen.
Es sind aktuell relativ viele isolierte "Ausbrüche" (damit meine ich auch zB 2 befreundete Familien oder 10 Besucher einer Gaststätte usw. und nicht nur so was wie Tönnies), und der große Unterschied zu März/April ist, dass man inzwischen bei den meisten Fällen die Historie gut nachverfolgen kann. Dadurch werden dann auch mehr getestet, die noch keine Symptome haben, was die Fallzahlen ebenfalls erhöht - man sollte nicht vergessen, dass lange Zeit nur getestet wurde, wenn man Symptome hatte UND einen Kontakt zu einem Infizierten nachweisen konnte, d.h. die Zahlen damals wären mit den heutigen Test-Kriterien VIEL höher gewesen. Daher sollte man eine Zahl wie zB "600 Fälle pro Tag" heute anders einordnen als noch vor einigen Wochen oder Monaten, nämlich etwas gelassener.
Ich persönlich habe aber trotz der Tatsache, dass man seit ein paar Wochen schneller testet, sowieso mit einem klaren Anstieg gerechnet. Mehr Lockerungen, VIEL mehr Leute, die wieder im Nahverkehr unterwegs sind bzw sein müssen, mehr Leute, die es satt sind und dann die Regeln auch mal ignorieren (Parties in einigen Städten zB) sowie natürlich auch Urlauber, die im Urlaub vielleicht nicht so gut aufpassen wie in D bzw. in Regionen Urlaub machen, in denen die Ansteckungsgefahr viel höher ist. Die größere Gefahr seh ich aber im Inland, da der durchschnittliche Urlauber normalerweise eher Ruhe sucht und nicht in volle Läden oder Kneipen usw geht. Aber solange man beim kleinsten Verdacht testet und es im Griff bleibt, mache ich mir keine extremen Sorgen.
Mich ärgern aber vor allem die jungen Leute, die zu Dutzenden in Parks usw. feiern, und zwar nah beieinander. Es kann zwar sein, dass es da wg. der frischen Luft fast keine Ansteckungen gibt. Aber wer DA mitmacht, der wird auch im Herbst dann dazu tendieren, sich "illegal" in geschlossenen Räumen zu verhalten, und DAS wird dann ein Problem.
Es gibt aber auch viele "Massenaufläufe", die nur auf den ersten Blick so wirken. Ich war in den letzten Wochen mehrfach abends an einem Weiher in Köln, und aus 200m Entfernung denkt man "Alter, diese Idioten feiern da dicht an dicht!!!", aber wenn man dann dort ankommt, dann sieht man, dass es alles Gruppen von maximal 8 Leuten sind, die zueinander dann auch mindestens 5-6m Abstand haben. Ab und an sind es auch mal eher 15-20 meist Jugendliche, die dann aber sehr locker zusammenstehen und sich nicht gegenseitig dauern um den Arm fallen oder so was.
Insgesamt ist das dann sogar sicherer als die Situation im Biergarten, wo 10 Leute ganz nah beieinander am Tisch sitzen dürfen und der nächste Tisch 1,5m entfernt ist...