aph am 20.02.2006 17:33 schrieb:
Ich denke schon, dass es wesentlich weniger Gläubige gäbe, wenn kein einziges Kind mehr vor dem 16. Lebensjahr von Gott erführe. Kinder sind nun mal beeinflussbar, besonders in den Prägejahren.
Das ist sicherlich richtig, trotzdem sehe ich das nicht als Grund, Kinder dem Glauben fernzuhalten. Man kann Kinder nicht erziehen, ohne sie zu prägen (wie auch immer: kapitalistisch-sozialistisch, links-rechts, hilfsbereit-egoistisch, gläubig-atheistisch,...). Sie von allen möglichen Einflüssen abzuschirmen, nur damit sie später 'frei' entscheiden können, was sie eigentlich wollen, ist imo unsinnig und unrealistisch. (wobei die Frage bleibt, die auch TBrain schon gestellt hat: kann man dann wirklich von einer 'freien' Entscheidung sprechen? Den Glauben 'weglassen' stellt ja auch eine Beeinflussung dar)
Ich selbst wurde nicht religiös erzogen und bin nicht gläubig. Trotzdem kann ich durchaus verstehen, das man gläubig "sein kann". Und genauso wenig, wie ich möchte, dass jemand versucht, mich zum Glauben zu bekehren, werde ich mich hüten zu versuchen, einen Gläubigen vom Gegenteil zu überzeugen.
Ich habe einige Freunde, die sehr streng gläubig sind, teilweise wurden sie auch schon so erzogen. Aber bei keinem dieser Freunde ist es so, dass sie gläubig sind, weil Mama und Papa das gesagt haben. Natürlich spielt die Erziehung da eine Rolle und ohne religiöse Erziehung wär vielleicht alles anders. Aber sie alle haben sich viel und wirklich intensivst mit ihrem Glauben auseinandergesetzt, haben sich Fragen gestellt und gezweifelt und sich letztendlich für den Glauben entschieden. Und ich würde es als freie Entscheidung bezeichnen.
Wir haben teilweise Stundenlang über Glaubensdinge diskutiert und ich war überrascht, wie kritisch und auch tolerant gerade die Strenggläubigen sind und wie gut und offen man mit ihnen über solche Dinge reden kann, auch wenn man andere Ansichten hat. Da kann mancher Atheist noch von lernen.
Noch etwas zum Thema 'Warum Glaube/Religion/Gott':
Es gab eine Zeit wo es meiner Freundin (ebenfalls nicht gläubig) vor allem psychisch sehr sehr schlecht ging. Sie war magersüchtig, hatte Selbstverletzung (SVV-sich selbst Verletzungen zufügen, in ihrem Fall durch Schnitte mit einer Rasierklinge in Arme, Beine,...), war schizophren und wurde zu allem Überfluss noch kurz bevor sie 15 wurde auf einer Party vergewaltigt. Sie hatte 2 Psychiatrieaufenthalte, der erste ~3 Monate, der zweite ~2 Wochen. Nach dem zweiten Aufenthalt war sowohl ihre Hoffnung als auch ihre Kraft am Ende und sie machte mehrere Selbstmordversuche.
In dieser Phase sagte sie mir, dass sie ihre beste Freundin (welche sehr religiös ist) um ihren Glauben 'beneidet' und dass sie selbst auch gerne glauben können würde. Auf mein etwas überraschtes/irritiertes 'Warum?' sagte sie nur, weil es ihr (also der Freundin) so unheimlich viel Kraft und Halt geben würde...
Gruß Sgod
P.S.: Meiner Freundin geht es inzwischen wieder gut, sie ist praktisch wieder gesund.