PiusQuintus am 06.05.2009 14:42 schrieb:
Weiblicher Papst = legenda negra (auch von Luther schon so gekannt), ebenso eine Vererbung des Papstamtes; des weiteren sehe ich nicht Dein Problem mit dem Investiturstreit bzw. diversen Streitereien mit dem Deutschen Kaiser- bist Du nicht für eine Trennung von Kirche und Herrschaft?- aber das nur am Rande. Die von Dir genannten übrigen Punkte sind nicht das große Ganze (zum Glück!).
Sie waren halt ein Beispiel dafür, dass Machtpolitik durch die Kirche nicht nicht-existent ist. Daher ist ein Argument wie "Die Kirche macht sowas nicht" hinfällig.
Hier übrigens mal eine schöne Abhandlung darüber auf Wikipedia:
Nepotismus wurde besonders durch Bischöfe, Kardinäle und Päpste zwischen dem 11. und 17. Jahrhundert bekannt. Der Höhepunkt dieser „Vetternwirtschaft“ führt zurück auf Papst Bonifatius VIII. (Bernadetto Caetani), der 1297 den Streit mit der mächtigen Familie Colonna auf die Spitze trieb, er verschmolz seit diesem Zeitpunkt, für mehr als drei Jahrhunderte Nepotismus und große Kirchenpolitik. In diesem Zeitraum gelang es den großen römischen, napolitanischen und mailändischen Adels- und Pratizierfamilien von den Barberinis, über die Borgheses, Borjas (Borgias), de' Medicis, Della Rovere, Farneses, Orsinis bis zu den Piccolominis und Savellis ihre Verwandten in hohe Kardinalsämter zu erheben oder sie auf den Papstthron zu bringen.
Paul III. etablierte während seines Pontifikates die Praxis des Kardinalnepoten. So war es seit Papst Kalixt III. unter den Päpsten üblich, durch diese Praxis die geistliche und weltliche Macht zu sichern. Auch lassen sich die Päpste der einzelnen Familien immer in bestimmte Zeiträume eingrenzen. Innozenz XII. schaffte das Nepotenamt 1692 wieder ab.
So etwas meinte ich, als ich sagte, dass Machtpolitik ganz normal zu einer Organisation wie der Kirche dazugehört. Ich meine das ja nicht einmal abwertend. Aber man sollte auch nicht so tun, als wäre das untypisch, denn es zieht sich durch alle Jahrhunderte. Der Investiturstreit war dafür nur ein Beispiel, denn da ging es schlicht darum, wer mehr Macht hat: Der Kaiser oder der Papst. Dieser Fight wurde dann ja auch mehrmals durchgeführt und - im übertragenen Sinne - bis heute.
Nichts anderes meinte ich: Die Theologie, das Lehramt und die Tradition sind (u.a.) das Korrektiv für die Kirche.
Die sind doch Teil der Kirche? Das bringt ja nichts.
Fazit: Machtpolitik und Selbsterhaltungstreben sind unleugbare Merkmaler jeder Organisation. Wenn eine Organisation, sei es die Kirche oder eine andere, ihre Macht nutzt, um Veränderungen herbeizuführen, die ihre eigene Machtbasis stärken, so ist das kritisch zu sehen.
Wenn zB Parteien für die Herabsetzung des Mindestwahlalters eintreten, dann meist jene, die sich hohe Stimmanteile bei Jugendlichen versprechen. Das ist Machtpolitik zur Selbsterhaltung.
Genauso sehe ich die Pro-Reli-Kampagne. Durch eine Stärkung von Reli zu Lasten von Ethik würde die Machtbasis der Kirchen erhöht, weil dann wieder mehr Schüler zum RU gehen. Und deshalb finde ich das Engagement der Kirchen in dem Punkt so verwerflich. Sie waren mE unehrlich, wenn sie sagten, dass es ihnen um eine Freiheit für den RU geht. Der Religionsunterricht ist in Berlin so frei, wie er es nur sein kann. Er ist sogar komplett freiwillig!