Julkorn am 22.10.2008 16:41 schrieb:
Ist das überhaupt ein "legaler" Trick?
hat noch keiner geschafft, ihn zu verbieten
Alle eingetretenen Ereignisse haben doch die Wahrscheinlichkeit 1. Das ist so definiert.
nö, definiert ist, dass alle möglichen ereignisse zusammen die wahrscheinlichkeit 1 haben (irgendwas muss ja passieren).
ein einzelnes ereigniss kann jede wahrscheinlichkeit von knapp über 0 bis knapp unter 1 haben.
Aber die Aussage, daß ein Ereignis eingetreten ist, sagt doch nichts darüber aus, warum ein Ereignis eingetreten ist. Die Evolution will aber doch gerade diese letztere Frage beantworten, warum das Ereignis eingetreten ist.
wie nö. die evolutionsforschung will beantworten, wie das ereigniss eingetreten ist und warum das möglich ist.
sie beantwortet oft auch, warum eine reihe anderer ereignisse nicht eingetreten ist.
aber mir wäre kein fall bekannt, in dem gesagt werden konnte, warum es ausgerechnet dieser fall und nicht irgend ein anderer war.
um diese aussage tätigen zu können, müsste man ja alle alternativen kennen - und die sind ~unendlich. (d.h. natürlich kann man immer eine entweder oder frage formulieren. aber dann betrachtet man so kurze abschnitte, dass es für die gesamte evolution unendlich viele fragen werden
)
daß das Ereignis durch Evolution eingetreten sei. Vor allem, da doch die Evolution als möglicher Weg nicht alternativenlos dasteht.
evolution ist ein prozess und als solcher keine grund für ein ereigniss, sondern eine ansammlung von ereignissen.
eine zeitliche abfolge von ereignissen kann also zur evolutionstheorie passen - oder nicht. letzteres ist "selten"
, in ersterem fall beinhaltet die evolutionstheorie erklärungsansätze dafür, unter was für bedingungen der prozess so abgelaufen sein könnte - das ist aber schon nicht mehr der evolutionäre ablauf als solcher und natürlich sind da andere erklärungen denkbar.
Dafür, daß man so reden kann, wie Du, muß man doch erst mal voraussetzen, daß Evolution wahr ist, daß über das Warum also kein Zweifel besteht. Erst dann läßt sich darauf hinweisen, daß das Ereignis ja eingetreten sei und sich deshalb alle Frage nach Wahrscheinlichkeiten erübrigen würden.
jein. wenn man etwas mit wahrscheinlichkeiten wiederlegen will, muss man sich erstmal darüber im klaren sein, welche statistischen regeln denn anwendbar werden. auf "gibts nicht" passt nunmal nichts.
also startet man mit der 0-hypothese "evolutionstheorie stimmt" und versucht die zu wiederlegen - erster versuch, statistische methoden: "wenn die evo.theo. stimmt, dann müsste ... es unmöglich sein, mit dem wissen unserer welt eine passende statistik aufzustellen. mist"
"Mutanten, die durch Kreuzung hervorgerufen werden" sind doch nichts anderes, als das, was zu Evolution führen soll. Sind denn Erbkrankheiten nicht aus Mutationen entstanden? Sind die Mutationen, die zu Evolution führen sollen, noch mal etwas anderes als das erstere? Sind denn diese "kleinen neueren Variationen" nun die Evolution oder auch nicht?
Wo genau liegt der Unterschied zwischen Evolutionsmutanten und den "bekannten Mutanten von Fruchtfliege und Gerste"?
die mutationen, die die evolution letzten endes wirklich vorranbringen würden, wären mutationen am erbgut, die positive folgen für das individuum haben (eher selten, deswegen experimentell schlecht umsetzbar)
die kombination unterschiedlicher allele hat natürlich eine evolutionäre rolle: es werden die kombinationen selektiert und gefördert, die die meisten vorteile bringen.
wenn ich jetzt anfange, wild zu kreuzen und nach großen, gut wahrnehmbaren veränderungen zu gucken (wie das bei drosophila gemacht wurde), dann ist anzunehmen, dass ich primär die varianten als "neu" entdecke, die in der natur extrem selten weil nur eingeschränkt überlebensfähig sind.
evolutionäre prozesse sorgen halt normalerweise dafür, dass ein organismus schon extrem gut an seine umgebung angepasst ist. ändert man was, ist das also meistens schlecht bzw. nur im kontext einer anderen umgebung gut. (z.b. gibt es auf einigen kleinen, abgelegenen inseln käfer mit verkrüppelten flügeln. eigentlich negativ, aber wenn man im flug sowieso nur aufs offene meer geweht wird ein vorteil)
wenn eine art kleinere umwandlungen erfahren hat, die noch innerhalb ihres phaenotypischen spektrums lag.
Meinst Du damit Veränderungen, die nicht sichtbar sind?
nö, veränderungen die vorher bei einzelnen exemplaren auftraten, später aber bei der mehrheit der art zu finden sind.
ein altes und im rahmen der evolution totgetretenes beispiel ist der industrie-melanismus (mehr dunkle statt weiße schmetterlingsmorphen einer art in industrieregionen).
da gab es eine veränderung im typischen aussehen einer art, die aber innerhalb ihres ursprünglichen spektrums blieb. für die erklärung reichen selektion + die gleichen mechanismen wie bei kreuzungsmutanten aus.
Das ist eine interessante Aussage. Bedeutet das, daß der evolutionäre Schritt vom Affen zum Menschen viel unwahrscheinlicher wäre, also viel mehr Zeit in Anspruch nehmen müßte, als eine Veränderung vom Affenvorfahren zum Affen?
wenn der schritt gleich groß/schwierig ist (mess das mal...): prinzipiell ja - bezogen auf "unwahrscheinlich".
allerdings beginnt die skala weit unterhalb des niveaus eines heutigen bakteriums, unterschiede auf dem niveau der wirbeltiere dürften nicht gerade groß sein.
bezogen auf "viel länger" sind wir wieder bei der wahrscheinlichkeitstheorie:
wenn von 100 möglichkeiten 1 oder 10 einen weiter bringen, dann ist letzteres zwar in der mehrheit der fälle schneller/wahrscheinlicher, aber im einzelfall kann bei beiden im ersten versuch das richtige erwischt werden.
deswegen lässt sich die regel auch nicht auf historische daten anwenden - wir haben keinerlei maß für die (un)wahrscheinlichkeit eines bestimmten fortschritts und da wir nur wissen, dass er genau einmal eingetreten ist, können wir auch nichts dazu sagen, wie oft er hätte nicht eintreten sollen/wie oft er noch nicht eintreten muss, bis er die angemessenen X von XXXX... male eingetreten ist.
das einzige, was sich ableiten lässt ist, dass die evolutionäre anpassung eines organismusses an seine umgebung exponentiell verläuft - die größten fortschritte macht er ganz zu anfang, wenn die vorteile am größten sein können und die nachteile verleichsweise klein ("kann nicht schlimmer kommen").
dafür gibt es auch eine reihe beispiele bei eingeschleppten arten auf inseln oder auch z.b. in der mikrobiologie (z.b. antibiotikaresistenzen) - ohne anreiz evolutioniert sich nur sehr wenig, ändern sich die bedingungen kann es ratz-fatz gehen. (gerade bei kleinen populationen kann es natürlich auch vorkommen, dass es ganz ausstirbt, ehe die richtige entwicklung dabei war. auch das statistisch sehr unbefriedigend: wir wissen, wie sich darwin-finken an galapagos angepasst haben. aber wir haben null ahnung, wieviele sperlinge, krähen, papgeien und weiß-der-kuckuck-was oder auch weiß-der-geier vorher gescheitert sind.
Wie groß ist in dem Zusammenhang überhaupt die Wahrscheinlichkeit für eine De-Evolution? Steigt diese Wahrscheinlichkeit mit zunehmender Komplexität immer weiter an oder ist das etwas ganz anderes?
etwas anderes - nämlich quasi unmögliches. die wahrscheinlichkeit sinkt, dass eine neue eigenschaft gut ist und die wahrscheinlichkeit steigt, dass sie schlecht ist. aber das zweite element der evolution -selektion- bleibt aktiv, die schlechten werden weiterhin aussortiert.
Ist Evolution der einzige natürlich ablaufende Prozess, den wir kennen, in dem mit der Zeit etwas aufgebaut wird im Sinne einer Höherentwicklung?
ich kenn keinen anderen, hängt natürlich auch stark von der definition von "höherentwicklung ab".
Und ab wann sind Lebewesen "höhere" Lebewesen? Immerhin sind auch Einzeller hochkomplex.
jup. und deswegen vermeiden es die meisten biologen auch, von "höher" zu sprechen und bevorzugen "komplexer". "höher" stammt noch aus einer zeit, als der mensch das höchste war und alles andere sich an seiner menschenähnlichkeit messen lassen musste. (gruß an die kirche)
Trotzdem kann ich nicht umhin, die Unwahrscheinlichkeit dieser Erklärung mal in Worte zu fassen: ...
Um dies gedanklich zu fassen, mußt Du ein super-freundliches Umfeld postulieren, in dem einem das Essen quasi ins Maul schwimmt.
genau das meinte ich mit "energetisch optimal"
Und das ist dann ein Umfeld ohne Selektionsdruck, in dem aber dennoch die minimal funktionierenden "Klumpen" in zielloser "Entwicklung" zur Serienreife gebracht werden sollen. Denn - so schreibst Du - die überlegenen Viecher können "sich eine zeitlang alles erlauben". So? Wer sagt denn, daß, wenn sich die ziellosen Mutationen "alles erlauben" können, irgendetwas Sinnvolles dabei herauskommt?
die kirche vielleicht.
die evolutionstheorie sagt, dass alles mögliche bei rauskommt, aber irgendwann die ressourcen nicht mehr für "alles mögliche" reichen werden (ende gelände mit optimal bedingungen) und dann wird alles aussortiert, das zuviele nachteile hat.
Zudem setzt Du die Überlegenheit gerade bei den flugfähigen Tieren als gegeben voraus. Dabei ist doch gerade die Überlegenheit z.B. durch Flugfähigkeit eine Konstruktion, die so einer ähnlichen, unwahrscheinlichen Erklärung harrt.
also die überlegenheit, die das flugvermögen mit sich bringt, ist wohl mehr als offensichtlich. (die existenz des flugvermögens ist eine ganz andere, lange aber nicht gänzlich unmögliche geschichte)
Bei diesem Ganzen wird einem allerhand abverlangt, das man einfach so glauben soll.
nuja - in dem fall war das auch eine möglichkeit, die ich mir aus den fingern gesogen habe um zu zeigen: selbst das ist möglich. und nur weil es unwahrscheinlich erscheint, kann es trotzdem passiert sein.
idealerweise kommt eine erklärung natürlich ohne sowas aus - aber dann ist man wieder dabei, die struktur von ein paar dutzend proteinen zu analysieren
Man macht sich nicht mal die Mühe, sich darum Gedanken zu machen,
nicht im rahmen der evolutionsforschung. im bereich wissenschafts-philosophie könnte das n interessanter punkt sein, stecke ich nicht drin.