Du bist sehr überzeugt davon, dass das so bleiben wird. Ja, momentan sehen die Zahlen verhältnismäßig gut aus, aber man darf niemals die relativ Zeitverzögerung außer Acht lassen, nach der sich das Virus überhaupt erst bemerkbar macht. Ich denke, Ostern war so ein kritischer Punkt, wo leider viele Menschen die Warnungen ignoriert haben und sich getroffen haben.
Wir haben ständig sinkende Zahlen an Neuinfektionen pro Tag trotz mehr Tests - ich weiß nicht, wieso Du dann auf diese Denke kommst. Ich sage ja auch nicht, dass die Zahlen so gut bleiben werden - aber Dein Szenario mit "spanische Grippe" würde ja bedeuten, dass man quasi ALLES an Maßnahmen sein lässt und auch die Leute, die sich wegen Corona Sorgen machen, ihre Sorgen KOMPLETT verlieren, sonst käme das rein rechnerisch niemals hin.
Selbst wenn du hier in D alles wieder so laufen lassen würdest wie vor Corona (was absolut fatal wäre, aber nur mal angenommen es wäre so), würde sich Teil der Bevölkerung sehr vorsichtig verhalten, in Läden würde man sicher die Schutzscheiben nicht abbauen, in Heimen und Kliniken würde man weiterhin Schutzkleidung nutzen (und ein SEHR großer Anteil der Toten stammt ja aus Heimen) - das heißt es würde zwar sehr viel mehr Tote geben als mit den Maßnahmen. Aber eine Durchseuchung bis zur Herdenimmunität innerhalb der nächsten 12 oder auch 24 Monate wird IMO gar nicht möglich sein, da zu viele Menschen freiwillig oder wegen Arbeitsvorschriften ihr Risiko massiv verringern werden.
Aber wie gesagt: natürlich sollte man nicht zu sehr lockern. In Schweden würde ich zb aktuell nur gerne leben, wenn ich Vollwaise wäre und niemanden als Freund oder Verwandten hätte, der Ü60 oder chronisch krank ist...
Ebenso denke ich, dass die jetzigen Lockerungen der Sache einen Bärendienst erweisen dürften.
Isoliert auf das Virus betrachtet kann man das so befürchten, wobei auch ein R-Wert von zB 1,5 problemlos für eine Weile zu handlen wäre, wenn man aktuell viele Intensivbetten gar nicht belegt hat. Denn die Fallzahl an schweren Fällen für ganz D ist ja relativ gesehen eher klein. Es ist etwas ganz anderes, ob (aktueller Stand) ca. 40.000 erfasste Infizierte innerhalb der ca 2 Wochen ihrer Erkrankung je 1,5 Leute anstecken oder ob es 400.000 sind, die dies tun.
Aber nicht-isoliert auf das Virus muss man auch die negativen Folgen durch zu strenge Maßnahmen sehen und DORT einen "Bärendienst" überdenken. Was nutzt es, wenn man im Vergleich zwischen "sehr strenge Maßnahmen" und lediglich "strenge Maßnahmen" zB 1000 Corona-Tote verhindert, die normalerweise definitiv noch ein paar Jahre gelebt hätten, aber dafür dann 10 Millionen Leute ungesünder leben und unzufriedener sind wegen der Auswirkungen der Beschränkungen, Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit (was viele Leute richtig krank machen kann), Kinder über Monate in ihrer Entwicklung zurückbleiben und gerade Kinder aus ärmeren Familien damit noch mehr den Anschluss verlieren usw. und von diesen Leuten später 10.000 ein paar Jahre früher sterben als "normalerweise" ?
Letzen Endes wird man es nie genau sagen können, welche Balance perfekt passt, außer man pickt sich Regionen raus, die man abschottet, um dort dann verschiedene Maßnahmen zu testen und rauszufinden, welche Maßnahme bzw. welche gestrichene Maßnahme welchen Einfluss hat.
Wie gesagt, ich hoffe, ich irre mich, aber ich erwarte einen erneuten Anstieg in den nächsten Wochen.
Ich auch, aber keinen massiven Anstieg, der die Kliniken überfordert oder gar umgerechnet auf 1-2 Jahre auch nur annähernd so schlimm wird als würde man gar nichts tun. Allein schon da man in Altersheimen&co, von denen bisher enorm viele Fälle schwere stammten, nun viel mehr tut, wird die Quote an SCHWEREN Fällen pro 1000 neu Infizierten in Zukunft immer mehr entlastet.