Meinereiner am 17.03.2007 21:39 schrieb:
@ElNonsk
Die Kontrolle von Störvariablen basiert aber immer auf der Annahme der Wiederholbarkeit wissenschaftlicher Experimente.
Nope, sie basiert auf dem jeweiligen Wissensstand (was kommt als Störvariable in Frage, was nicht), d.h. anderen Theorien. Da diese anderen Theorien in der jeweiligen Fachliteratur bezeugt sind,
könnte man von einem historischen Beweis sprechen (siehe weiter unten).
Das ist ja gerade das, was ich bereits vorher geschrieben habe (nur ohne das feine „könnte“ *g*). Deshalb bin ich bei dieser Antwort von einer tatsächlichen Kontrolle der Störvariablen ausgegangen, die nur dann gegeben ist, wenn man neu entdeckte „Störungen“ wiederum in ein Experiment einbeziehen kann. Das geht aber nur dank der Wiederholbarkeit.
Die Möglichkeit der Änderung des Versuchaufbaus basiert aber auf der Grundlage der Wiederholbarkeit des Versuchs.
Nope, auch dies basiert auf dem jeweiligen Wissensstand.
Wenn ich einen Versuchsaufbau ändere, muss ich doch auch ein Experiment mindestens ein zweites Mal durchführen. Allein von der Änderung des Aufbaus kann ich doch noch nicht auf die Ergebnisse schließen. Insofern braucht es auch hier die Wiederholbarkeit.
Einfachere Theorien können auch von den Geschichtswissenschaften entwickelt werden (sonst würden man sich doch gerade in dem Bereich nicht so sehr darüber streiten, wieweit z. B. die alten Hochkulturen waren). Überdies können sich die Geschichtswissenschaften auch auf die Psychologie verlassen (es sei denn du sprichst dieser ab, eine Wissenschaft zu sein *g*).
Mir dünkt, du hast mich missverstanden. Ich habe nicht von einfacheren Theorien im Sinne von Alternativtheorien gesprochen, sondern von einfacheren HILFStheorien. Solche Hilfstheorien dienen dazu, kompliziertere Theorien zu stützen.
Angenommen, es wäre wissenschaftlicher Konsens, dass die Welt nach mechanischen Gesetzmäßigkeiten funktioniert und dass es winzig kleine Teilchen gibt (Atome hat man sie genannt). Weiter angenommen, du wolltest eine Theorie zum Verhalten von Atomen formulieren, hättest aber keine Möglichkeit, Atome zu beobachten. Was tust du? – Nun, du „weißt“, dass die Welt nach mechanischen Gesetzmäßigkeiten funktioniert, demnach ist die Hypothese plausibel, dass sich Atome ähnlich wie Billardkugeln verhalten, nur in viel kleinerem Maßstab. Demnach führst du deine Experimente anstatt mit Atomen mit Billardkugeln durch und schließt aus deinen Ergebnissen, dass Ähnliches auch auf Atome zutrifft und schon hast du eine Theorie zum Verhalten von Atomen. – So etwas meine ich mit Aufstellung und Prüfung von Hilfstheorien.
In den Geschichtswissenschaften kann man keine Hilfstheorien in DIESEM Sinne formulieren (man kann freilich noch immer auf Konsistenz mit anderen etablierten Theorien achten, aber das geht in den Naturwissenschaften auch), denn was wäre etwa eine Hilfstheorie für die Theorie, dass Aristoteles die
Analytica Priora nicht geschrieben hat.
Mögliche „Hilfstheorien“, die mir spontan einfallen:
- Aristoteles lebte nicht mehr zu der Zeit, als das Werk erschien.
- Aus dem Schriftbild des Werks ergibt sich im Vergleich mit anderen Werken, dass nicht Aristoteles der Verfasser des Werks war.
- Der Inhalt des Werks ist den in anderen Werken vertretenen Positionen vollkommen entgegengesetzt (möglicherweise sogar im Wortlaut).
- Wir wissen aus anderer Quelle mit Bestimmtheit, dass Aristoteles zu der Zeit, als das Werk geschrieben wurde, schwerkrank war (meinetwegen besoffen *gg*) und deshalb die Analytica Priora nicht schreiben konnte.
Oder habe ich dich immer noch nicht verstanden?
Welche Möglichkeiten der Theoriebewährung meinst du damit (die Wiederholbarkeit ist ja äußerst wackelig)?
Inwiefern ist Wiederholbarkeit äußerst wackelig? Einfache bzw. kostengünstige Experimente kann man so oft wiederholen, wie man lustig ist; nur bei den teuren geht das nicht. Aber gut, gehen wir hypothetisch davon aus, dass Experimente prinzipiell nur ein einziges mal geführt werden: Was sind dann die Vorteile des Experiments?
(a) Wie bereits geschrieben, kann man gezielt überprüfen, wie ein System auf ganz bestimmte Stimuli reagiert und so z.B. zwischen konkurrierenden Theorien entscheiden. Auch kann man so die empirische Adäquatheit von Theorien leicht überprüfen, indem man mittelst der zu prüfenden Theorie eine Prognose zum Ausgang des Experiments macht und schaut, ob sie stimmt.
(b) Man kann, wie ebenfalls schon geschrieben, Störvariablen in gewissem Grade kontrollieren.
Hmm, zwischen (a) und (b) sehe ich nicht so den Unterschied, deshalb nehmen ich sie zusammen (bitte Korrektur wenn nötig).
Damit ich Störvariablen kontrollieren kann, brauche ich mehr als nur einen einzigen Moment der Kontrolle, der aber nur dann gegeben ist, wenn ich das Experiment wiederholen kann. Ansonsten würde ich ja auf den „Zufall“ vertrauen, dass in diesem einen Moment alle Störvariablen bekannt sind.
(c) Man kann die Echtheit der Ergebnisse einfach nachweisen (was bei historischen Quellen nicht so leicht ist). Bei einem Experiment sind ja nicht nur ein, zwei Wissenschaftler anwesend, die dann ihre Ergebnisse protokollieren, einen Aufsatz verfassen und publizieren und dann darauf hoffen, dass ihnen die wissenschaftliche Welt glaubt, was sie da schreiben (wäre dem so, könnte ich die Parallelisierung mit den Geschichtswissenschaften verstehen). Bei Experimenten, die bahnbrechende Ergebnisse versprechen (und das sind i.d.R. die teuren, die man nur ein einziges mal durchführt), sind unzählige Leute aus den verschiedensten Gebieten und freilich auch die Medien anwesend, die alle bezeugen können, was da vor sich ging. Wenn man nicht gerade ein Fan von Verschwörungstheorien ist, sind so viele Stimmen, sofern sie alle dasselbe aussagen, ein starkes Argument für die Echtheit der Ergebnisse.
Bevor ich zu meiner Antwort komme, möchte ich nur darauf hinweisen, dass ich nicht mit diesem „Echtheitsnachweis“ angefangen habe *g*
Wenn (c) einen Echtheitsnachweis darstellt, so müsste eigentlich das Christentum mit seinen mehr als 2 Mrd. „Anhängern“ und über 2000-jährigen Geschichte einen gewaltigen Echtheitsnachweis darstellen (es sei denn, um es mit deinen Worten auszudrücken, dass man „Fan von Verschwörungstheorien“ ist). Stimmt das?
Anbei bemerkt gilt alles bis hierher Geschriebene lediglich unter dem Eingeständnis an deine Argumentation, nur einmalige Experimente zu betrachten. Wenn man die Tatsache mit ins Spiel bringt, dass freilich eine ganze Menge Experimente immer und immer wieder durchgeführt werden, verlieren deine ganzen Argumente, die darauf rekurrieren, dass Wiederholbarkeit nicht gegeben ist, ihre Wirkung. (Der Verweis auf die Experimente, die tatsächlich nur einmal durchgeführt wurden, würde dann vermutlich auch nicht mehr viel retten.)
Dessen bin ich mir bewusst. Aber auch alles bisher Geschriebene meinerseits gilt unter dem Eingeständnis, dass
überhaupt Experimente gemacht werden! In der Tat ist es aber so, dass gerade die moderne Quantenphysik keinerlei Möglichkeit eines Experiments besitzt (sowohl aus finanziellen wie auch aus technischen Gründen). Viele naturwissenschaftliche Theorien sind also nicht einmal experimentell erwiesen. Umso mehr würde ihre „Hinweiskraft“ schwinden.
Wenn ich mir aber deine Forderung zu Herzen nehme, verfälsche ich das Ergebnis eines Statistik, weil ich eine bestimmtes Ergebnis erzielen will (und darum geht es ja, wenn wir von „Norm“ sprechen).
Angenommen ich untersuche die Färbung von Schwanfedern. Als Ausgangspunkt nehme ich eine Herde von 100 Tieren. 90 Schwäne haben weiße Schwanzfedern, 10 Schwäne haben schwarze Federn. Nun mache ich eine Stichprobe mit 10 Testschwänen. Deinem Vorschlag nach müsste ich die 10 Tiere mit schwarzen Federn heraussuchen, um dann postwendend zu erklären, dass die Schwanzfedern von Schwänen in der Regel schwarz sind (in diesem Fall sogar zu 100
. In Wirklichkeit besitzen aber nur 10% der Schwäne schwarze Federn, während die übrigen weiß sind. Ich habe also das Ergebnis der Statistik verfälscht, weil ich auf ein bestimmtes Ergebnis „hingearbeitet“ habe.
Diese Fälle entsprechen also nicht der Norm.
Naaa, du machst ja hier genau das, was ich dir die ganze Zeit als Fehler vorwerfe: Du betrachtest eine Versuchsgruppe (die Gesamtheit der Menschen bzw. eine Menge von Schwänen) und untersuchst sie daraufhin auf das Vorhandensein eines Merkmals (emotionale Regung bei Theoriewiderlegung bzw. schwarze Schwanzfeder). Das Ergebnis ist freilich, dass die überwiegende Menge der Probanden diese Merkmal nicht besitzt und man somit schließen kann, dass der Normalfall dem Nichtvorhandensein dieses Merkmals entspricht. Für diese Versuchsanordnung gebe ich dir vollkommen recht. Aber worauf will ich denn mit meiner Bemerkung hinaus, dass du diejenigen Fälle betrachten solltest, bei denen die Leute etwas mit der Theorie zu tun haben, die widerlegt wird? Dass wir die Statistik biegen sollten? Gewiss nicht. Ich will darauf hinaus, dass du die Ausprägung eines weiteren Merkmals betrachten solltest: nämlich die Relation, in der jemand zu einer bestimmten Theorie steht.
Du hattest aber geschrieben (ich zitiere):
„Hier solltest du nicht zu sehr verallgemeinern.“
Siehe: http://www.pcgames.de/?menu=0901&s=thread&gid=81&bid=10&tid=4234796&page=115
Ich hatte doch geschrieben, dass ich vom „Normalerweise“ spreche. Du sprichst jetzt aber von Relation. Ich bin verwirrt!?!
Das würde dann folgendermaßen aussehen können:
Wir haben die Probanden M1 bis M10, H1 bis H10 und D1 bis D180.
M1 bis M10 sind Mathematiker, H1 bis H10 Historiker und D1 bis D180 sind keine Wissenschaftler.
Jetzt wird eine mathematische Theorie widerlegt. In der Folge sind M1 bis M8 emotional betroffen, den anderen ist es egal.
Was sagt nun deine Statistik dazu? Sie sagt, dass von 200 Fällen gerade einmal 8 betroffen sind von der Widerlegung der mathematischen Theorie. Wir können daraus schließen, dass dem Normalfall Nichtbetroffenheit entspricht.
Was aber sagt meine Statistik? Sie sagt zuerst einmal, dass wir nur die Mathematiker untersuchen dürfen, da alle anderen mit Mathematik sowieso nix am Hut haben („So? Gödel hat die Unvollständigkeit der Mathematik bewiesen? Hmm, kommste mit an Strand?“). D.h. wir erhalten 8 Fälle von 10, in denen die Leute betroffen sind. Aus diesem Ergebnis kann man folgern, dass dem Normalfall Betroffenheit entspricht (ok, 10 Leute sind ein bisserl wenig für solche Schlussfolgerungen, aber ich wollte die Zahlen nicht zu groß machen...ich bin mir aber aufgrund all dessen, was ich so gelesen habe und was man sich intuitiv zusammenreimen kann, ziemlich sicher, dass ein Realversuch ähnliche Ergebnisse liefern wird, wie mein kleines Be