Ist es wirklich Hetze, wenn man gegen einen Hetzer "hetzt"?
Die Frage stellt sich meiner Meinung nach gar nicht.
Ich sehe zur Zeit sehr viel ARD, ZDF, CNN, MSNBC und ABC und habe mir sogar ein paar Sendungen von FOX (ja, auch die) reingezogen, um aber auch wirklich gegen einseitige Berichterstattung gewappnet zu sein. Was da berichtet wird ist keine Hetze, es ist auch nicht einseitig sondern es sind einfach Fakten, die dann halt ab und an auch kommentiert werden. Und zumindest MSNBC, CNN und ABC haben in fast allen ihren Talk- und Diskussions-Runden immer auch einen Republikaner mit dabei. Mein Gott, selbst die krassesten liberalen Late Night Leute wie Bill Maher lassen in jeder zweiten Sendung Republikaner oder Trump Leute zu Wort kommen (die dann uebrigens meistens moeglichst versuchen keine Fragen zu beantworten sondern so schnell und laut wie moeglich ihre vorbereiteten Skripte runterzubeten).
Schaut euch doch zum Beispiel mal Morning Joe von MSNBC an, am (ich glaube) Montag nachdem das Dekret in Kraft trat. Die diskutieren auch darueber ob es ein Muslim-Ban ist oder nicht. Sie kommen nach sehr hitziger Diskussion eher zu dem Schluss, dass es keiner ist, sind aber eben auch besorgt, dass es der erste Schritt hin zu einem sein koennte und sagen ausserdem, dass es auch egal ist, eine pauschale Diskrimierung ganzer Nationalitaeten (nicht nur Individuen), ist ja wohl nicht viel besser (wenn uebrhaupt) als die einer Religion. Ich sehe da werder Hetze noch eine eingeschraenkte Berichterstattung/Auseinandersetzung sondern eine intelligente Diskussion dessen, was gerade passiert.
Ausserdem werden auch Demokraten in diesen Fernsehsendern scharf fuer ihre Reaktionen kritisiert (auch wenn man zugeben muss, dass der Tenor hier eher ist, dass zu lasch reagiert wird).
Nicht die Berichterstattung ist einseitig, sondern die Handlungen dieser neuen Regierung sind fuer viele Amerikaner unverstaendlich, radikal und so noch nie dagewesen. Kein wunder, dass darueber sehr eingehend berichtet wird (und genau das will Trump doch auch, so schnell handeln, dass "sein Feind", die Presse am besten gar nicht mehr hinterherkommt).
Was mich ehrlich gesagt eher beunruhigt ist die Verschiebung der Standards. Wenn man sich gerade die amerikanische Presse anschaut, dann ist es schon erstaunlich, welche hardliner Positionen selbst eher liberal eingestellte Kommentatoren und Politiker inzwischen vertreten. Da fallen dann schon schnell mal Saetze wie "If they want to increase refugee vetting procedures for individuals to improve our security, I wouldn't mind, I'd work with them." von Leuten die vor einem halben Jahr noch zum Ausdruck gebracht haben wie extrem genau (und dadurch auch langwierig) der vetting (Ueberpruefungs) Prozess fuer Fluechtlinge in den USA ist. Jetzt sagen sie das, weil sie halt etwas brauchen, um sich wenigstens von dem Nationsweiten Ban abzugrenzen.
Das ist ein von der Spitze aus genau so kalkulierter Rechtsruck in den USA.
Oder nimm die allgemeine Einstellung von Demokraten und Liberals gegenueber James "Mad Dog" Mattis als Verteidigungsminister oder Rex Tillerson als Aussenminister. Haettest du solche Leute vor einem Jahr als Minister vorgeschlagen haetten die Demokraten doch ihre Haende ueber dem Kopf zusammengeschlagen. Aber im Kontrast zu den anderen Nominierungen durch Trump, wie Betsy DeVos, Ben Carson oder Rick Perry gehen sie als "die Kompetenten" durch und im Gegensatz zu Leuten wie Stephen Bannon wirkt selbst ein krasser Hardliner wie Mattis als Pol der Ruhe und Vernunft.
Das nenne ich ein Verschiebung der Standards in der amerikanischen Presse, genau so wie in der amerikanischen Politik. Das hat jetzt schon nach e1 1/2 Wochen krasse Zuege angenommen und ich bin mal gespannt, wie es hier in einem Jahr aussieht.