haften auch die "Siegermächte" für ihre Sünden?
Theoretisch: ja. Nur wer setzt das durch?
Ich meine, diese Frage verneinen zu können. Und irgendwann muß doch mal Schluß sein, oder nicht?
Was habe ich damit zu schaffen, was vor 80 Jahren ein österreichischer Gefreite plante und zum größten Teil in die Tat umsetzte?
Ich meine, daß jeder ohne Sünden geboren wird, denn ich fühle mich nicht schuldig für das, was im Dritten Reich verbockt wurde.
Was kann ich denn auch dafür, was meine Vorfahren gemacht haben? Konnte ich dies verhindern?
Nein, da ich noch ungeboren war.
In erster Linie bin ich für meine eigenen Taten verantwortlich, da ich diese lenken und selbstständig steuern kann.
... oder soll ich dafür büßen, wenn meine Mitmenschen Leute zu Tode bringen?
Natürlich bist du in erster Linie für deine eigenen Taten verantwortlich. Aber du kannst auch erben - und zwar nicht nur Reichtümer sondern auch Sünden. So funktioniert nun mal unsere Welt. Du bist ja auch nur zufällig in das reiche Deutschland geboren. Warum hast du also mehr Recht, in "Saus und Braus" zu leben als jemand, der im Sudan oder Äthiopien in einem Flüchtlingslager geboren ist? Wir alle sind keine einzelne Wesen, die nur für sich leben. Wir sind Teil unserer Umwelt und müssen uns mit den Gegebenheiten arrangieren. Dazu gehört nun auch einmal dazu, dass wir uns mit unserer eigenen Vergangenheit beschäftigen müssen. Und zwar nicht nur mit unserer persönlichen Vergangenheit, sondern auch der unserer Vorfahren und unserer Nation. Denn alles, was wir haben, basiert auf dem, was unsere Vorfahren mit aufgebaut haben. Du profitierst vom Wiederaufbau unserer Väter nach dem Krieg, obwohl du damals nichts dazu beigetragen hast. Gleichzeitig kann es auch sein, dass du für die Sünden unserer Väter bezahlen musste, obwohl du persönlich nichts dafür kannst.
Bezüglich der zweiten Entschädigung deutscher Firmen möchte ich Dich fragen, mit welchem Recht fordern die Hinterbliebenen nochmals Geld, worauf die Betonung auf nochmals liegt?
Nach Kriegsende war hier alles in Schutt und Asche und mußte wieder aufgebaut werden. Sagt Dir das Stichwort "Trümmerfrauen" noch etwas? Denen haben wir unser Wirtschaftswunder zu verdanken, denn deren Männer waren für einige Jahre in Kriegsgefangenschaft. Und wir haben zu diesem Zeitpunkt die türkischen Staaatsangehörigen reingeholt.
Und wo glaubst Du, hätten wir gestanden, wenn das Nachkriegsdeutschland nicht von weisen Männern geführt wurde? Adenauer und so weiter? Würde ein Nationalist -durch und durch- einen Kniefall begehen?
Ob ein Anspruch gerechtfertigt ist, haben Gerichte zu klären. Kann man Slaverei, Ausbeutung und Vernichtung überhaupt mit Geld aufwiegen? Kann man Taten wie Zwangsarbeit und Holocaust überhaupt jemals wieder "gutmachen"? Ich denke nicht. Man kann sich dafür und muss sich dafür entschuldigen, aber es gibt keinen Deal, der die ganze Sache vergessen machen kann.
Ich habe nicht gesagt, dass alle Offiziellen im Nachkriegsdeutschland Altnazis waren. Ich sagte, dass die Aufklärung vieler Taten durch diese Leute verhindert wurde. Und ja, das Wirtschaftswunder basiert auf kluger Politik (Ludwig Erhardt viel mehr als Adenaur), Fleiß und der Aufnahme vieler Gastarbeiter aus der Türkei und aus anderen Ländern. Aber was hat das mit den Reparationen zu tun?
Betreffs Nationalstolz, nenn es wie Du es willst, ich bin jedenfalls stolz auf mein Vaterland und bin gern Deutscher, weil ich eben als Deutscher geboren worden bin. Wie würdest Du aber als Amerikaner, Türke, Thai und so weiter sprechen? Brauchen wir wirklich keinen solchen? Wo ständen wir und "Made in Germany" ist oder war ein gefragter Artikel. Worauf ist unser Wohlstand gegründet? Von Nichts kommt nichts!
Ich bin stolz auf die deutsche Lyrik, auf deutsche Philosophen und Musiker, auf unser politisches System (zumindest noch im Prinzip) usw usw usw. Aber auf mein "Vaterland"? Das ist für mich eine nationalistische Platitüde, sorry. Wenn du darunter aber die genannten Dinge versteht, dann ok. Ich bin gerne unter Deutschen, weil die meine Sprache gut verstehen und zu einem ähnlichen Kulturkreis gehören. Bin ich deshalb stolz, ein Deutscher zu sein, nur aus dem Grund, weil ich Deutscher bin? Ich weiß nicht.
Unser Wohlstand gründet sich auf ein stabiles wirtschaftliches System, einer gemäßigten Klimazone, einer relativ homogenen Bevölkerung (zumindest über Jahrhunderte lang) und nicht zuletzt auf vielen historischen und kulturellen Ereignissen auf unserem Subkontinent.
Wo stünden wir heute ohne die französische Revolution? Wo ständen wir ohne die napoleonischen Gesetze? Wo ständen wir heute ohne die antiken griechischen und muslimischen Wissenschafter und Philosophen? Wo ständen wir heute ohne die Engländer, von denen wir die Dampfmaschine geklaut haben? Wo ständen wir ohne die Amerikaner, die unseren Wiederaufbau unterstützt haben und für so viele modernen Entwicklungen verantwortlich sind? Warum also so besonders stolz darauf sein, Deutscher zu sein? In jedem Land und jedem Kulturkreis gibt es Entwicklungen und Menschen, die unseren Stolz als Menschen rechtfertigen.
Wegen den bedingungslosen Jasagern führe ich dies auf den verlorenen Krieg zurück und was wäre, wenn das Dritte Reich der jüdischen Bevölkerung kein Haar gekrümmt hätte? Wie Du schon sagtest, wird in der Politik eine Schuld mit sich herumgeschleppt, von der man sich aber nicht lösen möchte. Im heutigen Deutschland leben fast keine "Nationalsozialisten" mehr und wenn, schon im Greisenalter.
Hätte Deutschland nicht zur zweiten Geldforderung ein klares "Nein" sagen können, um ein Zeichen zu setzen, daß diese nicht ewig im Schatten eines schreckliches Regimes im eigenen Land stehen will und für das sie nichts kann?
Natürlich hätte recherchiert werden müssen, welche Firma wann und wieviel gezahlt hat. Damit wird auch ein Riegel vorgeschoben, daß ein drittes und ein viertes Mal Geld gefordert werden kann, denn meiner Meinung will man sich nur bereichern.
Nein und nein. Wenn sich Firmen schlecht behandelt vorkommen, haben sie heute jedes Recht, sich an Gerichte zu wenden, die die Sachlage dann klären. Und das mit dem "Regime im eigenen Land" klingt ja geradezu als wären die Nazis ein Fremdkörper gewesen, der sich den armen Deutschen nur übergestülpt hätte. Leider entspricht das nicht der historischen Wirklichkeit, denn in Wahrheit genoss das 3. Reich eine überwältigende Mehrheit in der Bevölkerung. Klar gab es auch Andersdenkende, aber das waren vor allem Intellektuelle.
Da Du Dich so schön auf das Dritte Reich eingeschossen hast, möchte ich Dich fragen, was war denn mit der Deutschen Demokratischen Republik? Kein Deut besser!
In Bezug auf was? Soweit ich weiß hat die DDR keinen Krieg angefangen und Millionen unschuldiger Leute gequält und ermordet. Aber natürlich war die DDR auch kein moderner Rechtsstaat und Überwachung und Verfolgung von Andersdenkenden war an der Tagesordnung. Wie kommst du denn jetzt auf die DDR???