so mancher ossi meint ja nach wie vor, der impuls zum niedergang der ddr und letztlich zur wiedervereinigigung sei durch montagsdemos etc. von den bürgern selbst ausgegangen. irgendwie süß naiv.
Du haust hier wieder mal munter 2 unterschiedliche Dinge total durcheinander. Ohne die Montagsdemos hätte es im Osten die Wende (zwangsweise Öffnung aus wirtschaftlichen Zwängen) irgendwann auch geben müssen. Dann halt nur deutlich später. Und mit anderen Folgen für Wirtschaft, Bevölkerungswohlstand u.s.w. Denn die DDR war eigentlich wirtschaftlich stehend KO. Allerdings auch nur weil sie jahrzehntelang wirtschaftliche Transferunion für die anderen RGW-Staaten einschließlich Rußland gewesen ist und die durchgefüttert hat. Es gab für den Osten weder einen Marshallplan noch eine anderweitige wirtschaftliche Unterstützung. Die Russen haben sich bedient (Reparationszahlungen), wir mußten Länder wie Rumänien, Bulgarien, die Tschechoslowakei und Polen "durchfüttern". So sah es über 40 Jahre lang aus. Das wird bei der ganzen Sache vom Westen immer gern "vergessen". Für Euch war der Osten immer nur unfähig. Ohne daß ihr auch nur ansatzweise Einblick gehabt hat, was bei uns abgelaufen ist.
Die Demos haben das ganze halt nur deutlich beschleunigt. Weil die Bevölkerung dem eigenen Staat geschlossen den Rücken zugekehrt hat. Etwas was in Deutschland heute (leider) nicht mehr möglich ist, weil es mal flapsig gesprochen 100 Leute mit 200 Meinungen gibt, die man nicht so bündeln kann, daß sich eine große Mehrheit daraus bilden ließe. Allerdings hat der Westen im Zuge der Wiedervereinigung auch teils sehr gut funktionierende und wirtschaftlich erfolgreiche Firmen die ein Überleben geschafft hätten ohne Rücksicht Platt gemacht oder wurden geschluckt (Angst vor Konkurrenz). Daß viele Firmen (berechtigterweise) abgewickelt worden sind ist allerdings klar.
Was die Wiedervereinigung betrifft finde ich es (mit Deinen Worten zu sprechen) total süß, daß die Wessis immer noch glauben, daß Kohl der Faktor dafür war. Ohne daß die Alliierten (allen voran die Russen, Briten und Franzosen weil unmittelbar davon Betroffen) dafür gewesen wären (aus unterschiedlichen Gründen hätte es nie ein einige Deutschland gegeben. Da hätte Kohl eine noch so gute Beziehung zu Frankreich oder den Briten haben können: Wenn die Franzosen/Briten dagegen gewesen wären, hätte er nichts tun können. Und selbst ohne die Russen hätte es nicht geklappt. Hier war Gorbatschov der entscheidende Faktor. Egal obn nun Kohl an der Macht gewesen ist oder ob es ein Brandt gewesen wäre. Egal wer: Frankreich wollte wegen der EU ein vereintes Deutschland was schlußendlich in die EU mündet. Wir hatten eher noch Glück, daß die Amerikaner nichts dagegen hatten. Denn daß eine starke EU mal zu so einer Wirtschaftsmacht wird, haben die sicher nicht vorausgesehen. Dann hätten sie der Einigung sicher eher nicht zugestimmt, weil sie davon weniger bis keine Vorteile haben (das Handelsungleichgewicht zur EU haben sie sicher nicht vorhersehen können). Daher ist es wie gesagt eher nur "Glück" gewesen, daß Kohl gerade an der Regierung war und keine persönliche Leistung von ihm.
Hätte sich der damalige Kanzler von Deutschland (egal wer das nun gewesen ist) gegen eine gemeinsame Europäische Währung und Wirtschaftsunion und gegen eine finanzielle Transferunion innerhalb der kommenden EU ausgesprochen wäre es nicht zu einer Deutschen Einheit gekommen weil weder Frankreich noch die Briten hier zugestimmt hätten. Zumindestens nicht so schnell. Auf Dauer hätte sich die vom Ausland sicher auch nicht verhindern lassen. Die Zustimmung war nur der Katalysator für die weitere Entwicklung. Die Zustimmung war schlußendlich der Preis dafür, daß Deutschland die Wiedervereinigung einleiten durfte. Und welcher Politiker in dem Moment den Bedingungen zugestimmt hat ist daher vollkommene Bockwurst. Ohne Glasnost/Perestroika in Rußland hätte es von Seiten der Russen auch nicht funktioniert. Ob ein Jelzin oder Putin (wenn sie zu dem Zeitpunkt an der Macht gewesen wären) hier zugestimmt hätten kann man sicher auch in stärkere Zweifel ziehen.
Und Frankreich hat dem auch nur zugestimmt, weil Kohl sich im gleichen Atemzug für ein einiges Europa und schlußendlich für die europäische Währungsunion ausgesprochen hat und somit als Hauptzahler in diesen Verbund eingetreten ist. Zuerst mit der internen Verrechnungseinheit ECU aus der schlußendlich der Euro wurde. Ohne Deutschland hätte es weder einen Euro gegeben noch eine einheitliche Wirtschaftsunion in Zentral-Europa.
Bei Rußland war Gorbatschow schließlich derjenige der festgestellt hatte, so grob ein Zitat "welches Potential und welches Herz sich in Deutschland verbirgt" und wollte höchstwahrscheinlich so ziemlich als Einzigster der Großen Politiker relativ uneigennützig, daß Deutschland eine 2. Chance als gemeinsamer Staat erhält. Er hatte hier sehr wahrscheinlich keine weiteren Hintergedanken. Weder die Nato noch die EU sind für Rußland schlußendlich wirkliche Vorteile. Vielleicht hatte aber Gorbatschow aber auch auf eine weitere Annäherung zwischen dem Westen und Rußland gehofft und daß Rußland auf lange Sicht ebenfalls Mitglied in der EU würde. Was eigentlich Sinn machen würde, wenn Rußland wirtschaftlich stabil dastehen würde und nicht in zig einzelne Staaten zerbrochen wäre.
Daß Rußland sich schließlich in mehrere Staaten (Estland, Lettland, Litauen, Georgien, Ukraine, Weißrussland u.s.w.) aufsplittet und sich daraus Staaten mit teils konträren politischen Tendenzen daraus entstehen (wie die Ukraine die abgesehen von der aktuellen Spaltung tendenziell eher westlich ausgerichtet ist über Weißrussland daß sich unter Putin bzw. seinen Marionetten wie Medwjedew oder wie der heißt) sich mittlerweile eher auf ihre "alte Stärke" besinnt und sich eher wieder zum alten Verhältnis mit dem Westen (kalter Krieg) entwickelt bis hin zu Tschetschenien die eher Richtung Islam tendiert), war von Gorbatschow sicher auch nicht absehbar bzw. so gewollt.