Lieber Marc,
eigentlich wollte ich gerade das nächste, kurze Kapitel von Hitman spielen, welches ich vor einem halben Jahr auf Steam im Christmas Sale für ein Appel und ´nen Ei gekauft habe. Aber dann kam Dein Artikel für die Ü30 dazwischen.
Ich werde am Samstag 47 Jahre und gehöre somit zur ältesten Spielergeneration überhaupt. Ich spiele, seitdem es Computer gibt. Und ich spiele nur Computer und nicht, wie Marc beschrieb, Android, PS3 oder Browser Games – das empfand ich nie als „spielen“. Okay, also bin ich Core Gamer, wie man heutzutage sagt, aber damals gab es nicht einmal das Wort „Nerd“. Die ersten Computerzeitschriften enthielten damals mehrere DIN A4 Seiten lange Programmzeilen in Basic oder Maschinencode, die man abtippen konnte. Und das tat ich! Nach drei Tagen startete ich das Programm mit meinem CPC 464 (mit einem Kassettenlaufwerk!) und brauchte weitere zwei Tage um die letzten Fehler zu finden. Besonders spaßig war das bei Maschinencodes: 1101010100011010… - super!
Ich hatte also Zeit damals, das will ich damit sagen. Meine jetzige Frau hat das wohl ignoriert, zumindest erinnere ich mich nicht mehr. Die Zeit, die ich investiert habe, war enorm und ich war neidisch auf alle Amiga Rechner Besitzer – die hatten damals einfach die volle game-power! Ich krebste also mit meinem CPC Schneider herum und spielte Tagelang Sega Tischtennis (das war ein extrem super geiles Spiel und ich erinnere mich immer noch an die coolen Erfolge). Sogar im Urlaub, was meine Eltern befremdlich fanden. Ich glaube, sie hofften, dass ich trotzdem ein sinnvolles Mitglied der deutschen Konsumgesellschaft werden könnte. Wurde ich ja auch.
Also „Erwachsen“, Projektleiter bei einer Fluggesellschaft (super ernsthaft, echt!), Vater eines 13jährigen Sohnes, Hausbesitzer – das volle Programm. Und da spricht mir der Marc aus der Seele – etwas hat sich geändert. Früher investierte ich Stunden in Sim City 2000, Diablo, Monkey Island. Heute sind es doch eher ein Kapitel Hitman, zwei Spiele FIFA, kurz Trials Evolution oder Shift 2. Alle anderen Spiele kratze ich kurz an (obwohl mein Schrank zuhause und bei Steam immer noch mit Spielen auf mich warten, die ich mal gekauft, aber nie gespielt habe), versuche mich nach 5 Tagen zu erinnern wie die *‘§$% Steuerung war und was ich zuletzt tat (das Brot vom Prediger beim Bauern vorbeizubringen oder die Waffe des Androiden bei einem Waffenhändler zu modifizieren). Die Zeit ist einfach zu kurz, aber Browser Games, Android oder Konsole kommen mir nicht ins Haus! Nixxen!
Mein Sohn ist da super erzogen. Mit dreizehn hat er einen Rechner, den ich immer schon gerne gehabt hätte – auch heute! Leider sind zwei Superrechner nicht zu bezahlen, also hat er eben einen. Er kann alle Spiele mit höchster Auflösung spielen, ich krebse halt nur rum. Und er investiert die Zeit, die ich damals investiert habe. Das ist natürlich nicht gut für seine Schule, wirklich nicht.
Aber ich bin nun Projektleiter bei einer Fluggesellschaft (super ernsthaft, echt!), Vater eines 13jährigen Sohnes, Hausbesitzer – das volle Programm. Es hat nicht geschadet, will ich damit sagen. Er hat seinen eigenen Weg vor sich. Germanys next Superstar, Nerd, Boris Becker – who knows? Er lebt aber eine Leidenschaft, die ich auch gelebt habe und immer noch lebe. Nun aber dem Alter entsprechend: mit 47 Jahren muss ja mal ein wenig Ernsthaftigkeit eintreten.
Denkste!