aph am 25.01.2007 14:23 schrieb:
Denk mal an die wirtschaftliche Entwicklung und an die Interessen der Subjekte, die sie vorantrieben. Vielleicht geht dir dann ein Licht auf.
Im Übrigen stimmt es nicht, dass der Islam frei von solchen Tendenzen war oder ist.
Geprägt wird unsere Gesellschaft ausschließlich durch das, was die heute lebenden Menschen heute tun, und nicht durch eine Religion. Wer heutzutage handelt, tut das in den seltensten Fällen aus religiöser Überzeugung. Zum Glück. (Das gilt auch für gläubige Christen).
Ich bin nicht in Erklärungsschuld, weil ich hier schon viele Erklärungen geliefert habe, die noch dazu nicht auf meinem Mist gewachsen sind, sondern einen allgemeinen wissenschaftlichen Konsens spiegeln. Etwas, was Du auch immer wieder ignorierst. Wenn Du Dich in diese Diskussion einmischst, dann erwartet man auch konstruktive Beiträge. Wenn Du die nicht leisten willst, dann nennt man sowas trollen und Du solltest überlegen, wie Du Dich als Sternchenträger Dir gegenüber verhalten solltest.
Schön, kommen wir langsam zu Inhalten.
Ich führe die Generationenkette so lange zurück, bis ich zu den entscheidenen Momenten komme, die unsere Gesellschaft dahin entwickelte, dass sie sich maßgeblich von anderen unterscheidet. Da kommen wir auch zwangsläufig zu den Griechen. Und ich habe auch nie gesagt, dass griechische Wertvorstellungen von Individualität nicht wichtig wären. Ganz im Gegenteil. Aber es war das Christentum, welches diese Wertvorstellungen in eine Philosophie einbanden, die das Gesamtpotenzial optimierten. Die Araber hatten die gleiche Ausgangsbasis mit der Bibliothek von Alexandria und Samarkand sogar die deutlich wichtigeren Wissenszentren plus einen besseren Zugang nach Indien und China und konnten diesen Vorsprung und das damit verbundene Potenzial nicht halten und wurden nach wenigen Jahrhunderten von den Christen überholt.
Dein Beispiel mit dem Islam bestätigt übrigens meine Argumentation, weil der Islam logischweise viele Dinge aus dem Christentum übernommen hat und zum Beispiel auch heute noch die Marienverehrung kennt. Die Ausübung des Islams sah im Gegensatz zur christlichen Entwicklung keine Trennung der weltlichen und geistlichen Ämter vor und insofern konnte sich auch nie die Idee einer Säkularisierung einpflanzen und weiterentwickeln. Aufgrund seiner antik-römischen Einflüsse, war dies bei den christlichen Gesellschaften möglich. Die Trennung von weltlichen und geistlichen Aufgaben unter Forderung der Individualität war die Keimzelle für den europäischen Erfolg. Ohne Christentum als verbindenes Element wäre das nicht möglich gewesen.
Dass unsere Gesellschaften ausschließlich durch das gegenwärtige Handeln geprägt werden, ist schlicht und einfach falsch. Die Tradition und die damit verbundene Identität hat erhebliche Einflüsse auf eine Gesellschaft. Das sieht man im Kleinen an Deutschland, wenn man bedenkt wie sehr der 2. WK noch heute unsere Gesellschaft beeinflusst, man sieht es im größeren an den Indianischen GEsellschaften und was mit ihnen passierte, als sie ihre Identität gewaltsam verloren und wie wichtig ihre Tradition ist, um eine neue Identität zu erarbeiten.
Kommen wir zu Deinem Argument der wirtschaftlichen Entwicklung und welche Motivation die Leute dazu bringt, dies zu tun.
Es ist die Verantwortung des Individuums. Der Einzelne ist für sich selbst verantwortlich und wird daher alles tun, um für sich eine sichere Zukunft zu gestalten. Dies geht einfacher, wenn man wirtschaftliche Absicherung geniessen kann. Dieses Denken ist in christlichen Gesellschaften stark ausgeprägt. Naturvölker kennen dieses Besitzdenken gar nicht bis kaum. In Japan funktioniert es ebenfalls anders, weshalb die japanischen Megakonzerne entstehen konnten, in denen der Einzelne wenig zählt, Gewerkschaften als Vertreter des Individuums unbekannt sind und jeder in der Masse wie eine Ameise funktionieren muss.
In Europa hingegen hat sich eine Unternehmerkultur entwickelt, in der der Einzelne - wie der Name sagt - etwas unternimmt. Im technischen Kontext führte dies zu einer starken Erfinderkultur, die insgesamt den wirtschaftlichen Aufschwung anfeuerte. Ohne Carl Benz keine (deutsche) Automobilbranche.
Während in Europa praktisch alle großen Erfindungen und Entdeckungen aus der Motivation des Einzelnen entstanden sind (Carl Benz und Christoph Columbus als Beispiele), ist dies in China zum Beispiel ausschließlich auf Befehl eines göttlichen Kaisers und dem damit verbundenen Beamtenapparats passiert. Wenn der Kaiser seine Meinung änderte und einen Admiral Zhèng Hé wieder zurück beorderte hatte dies erhebliche negative Auswirkungen auf die chinesische Entwicklung der nächsten 400 Jahre bis heute. Ein Christoph Columbus ging nach der Ablehnung seiner Idee durch die portugiesische Krone einfach nach Spanien und fragte dort um Geld, weil er von SEINER PERSÖNLICHEN Idee überzeugt war und an ihr festhielt. Diese Mentalität besaß er aufgrund seiner christlichen Prägung, in der die Verantwortung des Einzelnen gefordert ist. Als Chinese hätte er akzeptiert, dass der göttliche Kaiser den Vorschlag ablehnt und wäre nie nach Amerika gesegelt. Hätte er es dennoch versucht, wäre er getötet worden, weil niemand es wagen durfte, die göttliche Entscheidung des Kaisers anzuzweifeln.
Während der chinesische Handel in den Händen der Beamten als Helfer des göttlichen Kaisers lag, lag er in Europa in der Verantwortung des Händlers, die sogar den Kaisern Kredite gewährten und dafür Gegenleistungen erhielten. So zum Beispiel Jakob Fugger oder die Medicis und wie die großen Handelshäuser alle hießen. Die Medicis sind wiederrum ein sehr gutes Beispiel, wie sehr im christlichen Europa eine unbekannte und arme Familie durch Eigenleistung der Einzelnen zu Wohlstand und MAcht kommen konnte. Dies war möglich, weil vor Gott alle Menschen gleich sind. Bei den Hindus und Buddhisten mit ihren Kasten bzw. kasten-ähnlichen festen Gliederung der Gesellschaft, sind solche Aufstiege gar nicht möglich.
Im Rahmen der Reformation wurden diese Kräfte nochmal verstärkt, weil die Zentralmacht der Kurie ignoriert werden konnte. Wilhelm der Große Kurfürst von Brandburg und Preußen war begeistert von den harten aber gerechten Ausbildungsprinzipien eines PROTESTANTISCHEN Kinderheims, in dem jedes (arme) Kind eine Chance bekam und wandte diese Prinzipien auf seine Offiziersschulen an und prägte damit ein Staatsprinzip, welches sein Nachkomme mit dem berühmten "Möge JEDER nach SEINER Facon glücklich werden" treffend charakterisierte. BAsierend auf christlichen Überzeugungen formulierten sie Toleranzprinzipien, die noch heute gelten. Damit legten sie ein Potenzial frei, welches Preußen für ein paar Jahrhunderte zur Großmacht katapultierte.
Soviel zur Erklärung, wieso der wirtschaftliche Aufschwung in Europa nach der Völkerwanderungszeit bis heute so erfolgreich war, obwohl er von unterentwickelten Barbaren aus den Wäldern Nordeuropas getragen wurde, die mit den Chinesen oder Indern zur gleichen Zeit nie mithalten konnten.
Ich konnte entgegen Deiner Erwartung zeigen, dass das christliche Wertesystem für diesen Aufschwung entscheidend war. Da die wirtschaftliche ENtwicklung einschließlich Industrialisierung unsere Gesellschaft bis heute maßgeblich beeinflusst, liegt hier eine direkte Einflussnahme des Christentums bis heute vor. Q.E.D.
Ich höre?
Gruß
W.