AW: RAF Freilassung sinnvoll oder nicht?
Boesor am 19.02.2007 13:57 schrieb:
Loosa am 19.02.2007 02:25 schrieb:
Die Morde waren falsch, aber das die Situation überhaupt dahin eskalierte war auch Mitschuld von Politik und Presse.
das erkläre mal bitte genauer, denn diesen Zusammenhang kann ich nicht erkennen.
wenn dir das nicht bekannt ist, ist das auf jeden fall ein sehr spannendes thema, jedenfalls hinsichtlich der entwicklung der brd. nicht das die raf alleine von der presse zum terror getrieben wurde, aber die damalige stimmung und stimmungsmache war (und das ist weitesgehend unbestritten) ein wesentlicher grund zur radikalisierung. mal ein kurzer versuch. hier ein bild-zeitungsartikel vom 3. juni 1967:
"ein junger mann ist gestern in berlin gestorben. er wurde opfer von krawallen, die politisch halbstarke inszenierten. gestern haben krawallmacher zugeschlagen, die sich fuer demonstranten halten. ihnen genuegt der krawall nicht mehr. sie muessen blut sehen. sie schwenken die rote fahne, und sie meinen die rote fahne. hier hoeren der spass und der kompromiss und die demokratische toleranz auf. wir haben etwas gegen sa-methoden. die deutschen wollen keine rote und keine braune sa. sie wollen keine schlaegerkolonnen, sondern frieden."
und die berliner zeitung am gleichen tag:
"die anstaendigen in dieser stadt aber sind jene massen der berliner, die berlin aufgebaut und berlins wirtschaft angekurbelt haben. ihnen gehoert die stadt, ihnen ganz allein... wer terror produziert, muss haerte in kauf nehmen." "dennoch war das keine politische demonstration. es war das werk eines mobs. ihm ging es nicht mehr um die politische aussage in irgendeiner form. ihm ging es nur um krawall, um unruhe, um terror... frauen, die gekommen waren, um den schah zu sehen, brachen von steinen getroffen blutend auf dem mittelstreifen der bismarckstrasse zusammen. polizisten wurden schwerverletzt abtransportiert. und auch die demonstranten kamen nicht ungeschoren davon."
hier geht es darum, das benno ohnesorg von einem polizisten erschossen wurde – in den hinterkopf. kein polizist wurde schwer verletzt. einen tag später wird der tote wenigstens nicht mehr den demonstranten in die schuhe geschobe, hier ein leitartikel in der berliner morgenpost am 04.06.67:
"wer waere nicht betroffen davon, dass die krawallgier einiger radikaler halbstarker eine situation heraufbeschworen hat, in deren hysterie das unglueck geschah... die polizei tat ihre schwere pflicht. der unglueckliche schuss, der ohnesorg toetete, wurde nach menschlichem ermessen in notwehr abgegeben... einen augenblick lang neigte man zu der annahme, das blutvergiessen vor der deutschen oper wuerde bei unseren krawallbruedern so etwas wie den schlag des eigenen gewissens vernehmbar machen. weit gefehlt! auf flugblaettern wurden der regierende buergermeister albertz und innensenator buesch als moerder und als verantwortliche fuer vorbereitete verbrechen bezeichnet. das mass ist nun voll. die geduld der berliner bevoelkerung ist erschoepft. wir sind es endgueltig leid, uns von einer halberwachsenen minderheit, die noch meist gastrecht bei uns geniesst, terrorisieren zu lassen. man wuenschte sich fuer heinrich albertz und die tragenden kraefte berlins, dass sie diesmal hart und konsequent bleiben. sie stehen nicht allein. die raedelsfuehrer der gewalttaetigen unternehmungen gegen den schahbesuch haben sich des strafrechtlichen tatbestandes der zusammenrottung zu aufruehrerischen aktionen und des landfriedensbruchs schuldig gemacht. an der art und weise der verfolgung dieser kriminellen vergehen werden wir erkennen, wie ernst es der senat mit seinen gestrigen beschluessen meint." (leitartikel der berliner morgenpost, 4.6.1967)
nur drei besipiele aus einer zeit da gab es die raf noch nicht. und das politik mit demonstrationsverbot und justiz mit verhaftung von trauernden reagierten, macht es auch nicht besser. aus dieser stimmung heraus enstand die raf und nimmt da auch bezug drauf:
„Die Genossen, die sich ihr anschlossen, sahen darin die einzige wirkliche Möglichkeit, ihre revolutionäre Pflicht zu erfüllen. Angeekelt von den Reproduktionsbedingungen, die sie im System vorfanden, der totalen Vermarktung und absoluten Verlogenheit in allen Bereichen des Überbaus, zutiefst entmutigt von den Aktionen der Studentenbewegung und der APO hielten sie es für nötig, die Idee des bewaffneten Kampfes zu propagieren. Nicht weil sie so blind waren, zu glauben, sie könnten diese Initiative bis zum Sieg der Revolution in Deutschland durchhalten, nicht weil sie sich einbildeten, sie könnten nicht erschossen und nicht verhaftet werden. Nicht weil sie die Situation so falsch einschätzten, die Massen würden sich auf ein solches Signal hin einfach erheben. Es ging darum, den ganzen Erkenntnisstand der Bewegung von 1967/68 historisch zu retten; es ging darum, den Kampf nicht mehr abreißen zu lassen. «
Ulrike Meinhof 1975 über die Gründung der RAF
im übrigen, es ist von allen seiten mittlerweile unbestritten, dass staat und medien nicht unschuldig an der entwicklung sind, täter war letztendlich die raf. aber wenigstens weiss man heute, wie man es besser machen könnte...