Das ist mal wieder ein höchst interessanter Thread, der nebenbei bemerkt absolut herrlich zu lesen ist, weil die Argumentationen wirklich extrem an den Haaren herbeigezogen sind. Ich habe mir die Mühe gemacht und alles gelesen und habe aus diesem Thread mit dem Thema "Polizeistaat" folgende Schlagworte herausgelsen:
Vorratdatenspeicherung
Generalverdacht der Bevölkerung
Privatsspähre (Bewegungsprofile, geht keinen an was ich lese,...)
Einführung wegen Musikindustrie, nicht wegen Terror
zur Prävention untauglich (insbesondere bei Terror) - bisherige Mittel reichen
Gefahr unschuldig beschuldigt zu werden (Ruf, Ärger,...)
Mißbrauch der Daten durch Beamte (wer kontrlliert die Kontrolleure)
Raubkopien
Bundestrojaner
der Staat hat sich nach seinen Bürgern zu richten
PCG-Staat-Vergleich
Kameraüberwachung (Extrembeispiel London)
Interessant ist einmal, dass es primär um Raubkopien zu gehen scheint.
Vorratsdatenspeicherung
Besonders dieser Punkt erhitzt die Gemüter. Das Hauptproblem sind anscheindend die Raubkopien. Fakt ist, Raubkopien sind unter bestimmten Umständen illegal und nun fürchten jene, die Vergehen nach geltendem Recht in diese Richtung begehen, durch die VDS in Zukunft belangt zu werden. Ist es wirklich eine solche Sauerei, dass der Staat versucht Gesetze durchzusetzen? Wohl kaum. Der Sinn bzw. Unsinn von Urheberrechten spielt dabei übrigens keine Rolle und wer speziell dies diskutieren will, sollte einen eigenen Thread aufmachen.
Dass die Einführung der VDS auf die Musikindustrie zurückzuführen ist und nicht auf die Terrorproblematik, halte ich für ein Gerücht. Die Musikindustrie ist keineswegs so mächtig wie immer angenommen wird und es geht hier darum, dass man offensichtlich eine Menge Wähler verärgert, das rechnet sich für die Parteien nicht und schon gar nicht europaweit, denn immerhin handelt es sich bei der VDS um eine EU-Richtlinie.
Natürlich stellt sich die Frage, ob die VDS als Präventionsmaßnahme oder wenigstens zur späteren Aufklärung ein taugliches Mittel ist. Die Antwort ist ein klares JA, WENN es entweder im Vorfeld von bereits als hochgradig verdächtigen Personen entsprechende Kommunikation gibt oder WENN im Nachhinein Personen eindeutig identifiziert werden können UND ihnen IPs oder Handies zugerechnet werden können. Dann kann man deren Kommunikation durchleuchten und so weitere Komplizen ermitteln. Letztlich geht es um nichts anderes als neue Ansatzpunkte bei den Ermittlungen zu liefern, denn das ist eines der größten Probleme der Polizei.
Das Argument Generalverdacht der Bevölkerung ist unsinnig, wie bereits einige Poster versucht haben zu erklären. Es geht hier einzig und allein darum die schwarzen Schafe auszufiltern, was unglücklicherweise nur durch Maßnahmen möglich ist, die alle betreffen, wofür es aber unzählige Beispiele gibt. Denkt an Ausweise. Warum muss ich mich bei Behörden (oder anderen Institutionen) ausweisen? Warum glaubt der mir meine angegebene Identität nicht? Oder was sagt uns eigentlich alleine die Existenz von Polizei und Gerichten?
Es ist nun einmal so, dass eine Gemeinschaft gewissen Regeln unterworfen ist, die alle einzuhalten haben. Manche tun das nicht, sie kündigen das aber im Regelfall weder an noch unterscheiden sie sich äußerlich von den anderen, also müssen entsprechende Maßnahmen getroffen werden. Das ist ärgerlich, aber letztlich nicht zu ändern. Die Alternative wäre Anarchie, die wohl niemand ernsthaft in Erwägung zieht. Fakt ist, dass die Aufklärungsquoten nicht berauschend sind und die Polizei zusätzliche Möglichkeiten benöitigt. Die VDS ist eine solche Möglichkeit und sie ist mit relativ geringem Aufwand für die Exekutive verbunden.
Was die Privatsspähre anbelangt, die endet dort, wo die Rechte anderer betroffen werden oder wo ich mich selbst in die Öffentlichkeit begebe. Das Internet ist öffentlich und seine Funktionsweise bedingt eine Identifkation mittels IP, der bisher aber nur eingeschränkt eine reale Person zugeordnet werden konnte. Das soll nun abgeschafft werden und das ist sinnvoll. Wer in einer Gruppe Straftaten plant, sollte nicht ein ultimatives Kommunikationsmittel in der Hand haben, welches überhaupt keiner Kontrolle unterliegt. Mit der VDS wird es möglich sein Kontakte zu ermitteln, der Inhalt der Aktivität selbst bleibt aber immer noch privat und wird nur bei begründetem Verdacht ermittelt, was wie beim normalen Abhören nicht rückwirkend durchgeführt werden kann. Davor braucht niemand Angst haben oder geniert ihr euch so sehr für eure Kontakte?
Was die Gefahr unschuldig beschuldigt zu werden anbelangt, so ist das eine Möglichkeit, mit der wir immer konfrontiert werden. Die VDS wird dieses Problem nicht signifikant ausweiten, denn es ist völlig normal, dass Menschen soziale Kontakte zu anderen Menschen haben. Selbst bei einem Terroristen kann man davon ausgehen, dass er Menschen kennt, die nichts mit seinen Aktivitäten zu tun haben und mit diesen auch telefoniert, chattet,...
Wer Angst hat über sein Surfverhalten als verdächtig eingestuft zu werden, denjenigen muss ich schon fragen, auf was für Seiten er sich denn herumtreibt - nebenbeibemerkt, normale Pornos sind nicht illegal, man kann sie sogar in Geschäften kaufen und wer nicht nur gucken sondern mitmachen will, findet auch entsprechende legale kommerzielle Möglichkeiten.
Ein ganz anderes Kaliber ist der Mißbrauch der Daten. Beamte sind Menschen, Menschen haben Fehler und allein die große Anzahl an Beamten bedingt, dass einige davon bestechlich sind. Wer kontrolliert denn die rechtmäßig Nutzung der Kontrolleure?
Das ist allgemein ein schwieriges Thema und auch wenn wir sagen können, dass dem Staat unsere legalen Internetaktivitäten egal sind, so gibt es doch genügend andere Menschen, die ein Interesse daran haben. Hier haben wir einen Risikofaktor, der letztlich nie ganz auszumerzen ist. Es wird davon abhängen, wie der Zugriff auf die VDS geregelt ist, was ich als Österreicher in Bezug auf Deutschland nicht sagen kann und bei uns gibt es das Gesetz noch nicht.
Auch wenn der Zugriff auf die Daten keiner richterlichen Kontrolle unterliegt, gehe ich davon aus, dass jede Anfrage seitens der Polizei gerechtfertigt werden muss und damit tendiert das Risiko gegen Null, ganz ausgeschlossen kann es nicht werden, aber Leben bedeutet u.a. auch Risiko zu tragen.
Den Bundestrojaner betrachte ich mit gemischten Gefühlen. Gut ist er, weil er ohne Hausdurchsuchung Daten liefert also den Verdächtigen nicht vorwarnt. Schlecht ist, dass er unkontrollierbar ist, er ist ein Stück Software, die man problemlos kopieren oder mit entsprechendem Insiderwissen nachmachen kann, sodass letztlich jeder über diese Möglichkeit verfügt. Da man das nicht verhindern kann, lehne ich ihn ab. Abgesehen davon bezweifle ich, dass man ihn technisch realisieren kann, solange es nicht komerzielle Virenscanner, Firewalls,... gibt, deren Entwickler nicht dazu neigen dürften hier eine Sicherheitslücke einzubauen.
Gegen eine Kameraüberwachung in der Öffentlichkeit habe ich um ehrlich zu sein nichts und ich halte sie für eine sinnvolle Präventionsmaßnahme. Wer begeht schon ein sichtbares Verbrechen, wenn er dabei gefilmt wird und weiß, dass er der den Kameras nicht entkommen kann? Denkt an einen Banküberfall. Es gibt zwar Kameras, aber es gibt auch Maskierungen. Vor der Tür Maske auf, rein, ausrauben und beim Verlassen die Maske runter, schon kann man in der Menge unerkannt untertauchen. Wird die Menge aber auch von Kameras gefilmt, muss man dazu den Überwachungsbereich verlassen und abseits vom Fasching dürfte man maskiert auf der Straße doch ziemlich auffällig sein. Natürlich wird es auch hier Mittel und Wege geben irgendwie daran vorbei zu kommen, aber die Anzahl der Menschen, die dazu in der Lage sind, sinkt drastisch.
Fazit: Die Aufregung bezüglich der VDS ist im Prinzip vollkommen ungerechtfertigt und es ist nicht einzusehen, dass wegen Raubkopierern, die Hauptgruppe der Gegner, alle anderen Straftäter, die wesentlich schwerwiegendere Straftaten planen/durchführen, ungeschoren davonkommen sollen.