AW: News - Blizzard sorgt mit RealID für tobende User - Das Ende der Foren-Anonymität
Ok, was man hier teilweise liest ist ja grässlich.
1. "Das Internet ist kein rechtsfreier Raum" ach ne - hat die von der Leyen euch das Hirn ausgesaugt? Der Spruch kam schon 1995, war damals falsch und ist es heute noch viel mehr. Du bist quasi nirgends so sehr überwacht und dokumentiert wie im Internet. Also bitte tut uns allen einen Gefallen und lasst den blöden Spruch, der dokumentiert hauptsächlich die geistige Fähigkeit (bzw. das Fehlen letzterer ) des Aussprechenden, Fakten zu hinterfragen anstatt Worthülsen nachzuplappern.
2. "Wer's nicht will, soll das Forum nicht benutzen" - klar, darauf wird's hinauslaufen. Trotzdem ist das unschön, da MMORPGs von ihrer Community leben. Auf den Servern selbst hat diese schon extrem gelitten seit Einführung des LFD -tools (wobei das tool wirklich gut ist). Splittert man jetzt die Community auch noch dadurch, dass die Leute nicht posten wird's noch isolierter.
3. Das Mittel ist absolut unverhältnismäßig. Wäre es nur um die Forentrolle gegangen, hätte man ähnlichen Erfolg gehabt, wenn es für jeden Account einen festen Nick gegeben hätte und alle Posts über diesen einen Nick gelaufen wären. Es steckt also deutlich mehr dahinter - wie bereits angekündigt das erweitern in den Social-games-markt (Farmville e.a.), nicht zuletzt über Facebook-Implementation. Aber anstatt das auch so zu sagen kommt die "es ist besser für die User, dass wir das so machen"-Lüge/Ausrede.
4. Schon jetzt ist es möglich, von RealID-Freunden weitere RealID -Freunde zu sehen. Hat einen kleinen Nutzen (so können sich Freundesnetzwerke schneller zusammenklicken), ist aber für jeden, der auch nur einen Funken an Interesse seiner Privatsphäre hat ein No-Go. Und wenn einer kommt "na dann nimm doch niemanden in die realID-Friendlist" - haha. Erstens wirds genug Gilden geben, wo das Pflicht wird und zweitens wirds eh bald "standard" und man darf sich bald von jedem anhören "warum machst du denn XY nicht".
5. Wenn man schlechtere Privacyeinstellungen (nämlich garkeine) als Facebook hat, sollte man gemerkt haben, dass etwas komplett falsch läuft.
6. Gerade in anbetracht von Punkt 3 ist davon auszugehen, dass das ganze noch weiter geht - die Armory wird wohl das nächste sein. Und will ich, dass jeder Hanswurst sieht, dass ich zum Zeitpunkt XY das oder jenes gemacht habe? Das geht *niemanden* etwas an. Nichtmal weil es etwas "verbotenes" oder "unschönes" sein könnte (bzw. so betrachtet werden könnte). Was ich im privaten mache, geht niemanden etwas an. Bevor jemand kommt mit "mach halt nichts dummes, dann kanns auch keiner sehen" - das war *genau* die Argumentation der StaSi.
7. Die ganze Argumentation von "du machst im RL doch bestimmte Sachen auch nicht" hinkt massiv. Hauptgrund: Im RL werden die meisten Sachen irgendwann vergessen - im Internet nicht.
Wenn ich in meiner Jugend etwas dummes angestellt habe, dann wird das Gespräch in der Nachbarschaft oder (wo es zutrifft) im Dorf sein. Das kommt selten weiter raus und wird auch dann als "Geschwätz" abgetan. Das Internet vergisst nichts. Da wirst du auch in 20 Jahren noch damit konfrontiert werden, dass du in deiner 12. Klasse zuviel WoW gespielt hast und daher wohl ein schlechteres Abi hast als du haben könntest.
Jetzt kommen wir zu den wirklich kritischen und gefährlichen Punkten: Berufsleben und Stalking.
Sobald dein Klarname mit WoW verbunden ist (oder den Aussagen in den Foren), wirst du *für immer und ewig* stigmatisiert sein. Es gibt genug Datamining-Seiten auf denen solche Infos zusammengesammelt werden (die richtig krassen natürlich nicht für die Allgemeinheit sichtbar). Wenn jeder deiner zukünftigen potentiellen Arbeitgeber lesen kann (und das auch noch in 20-30 Jahren), dass (und was) du in den WoW-Foren geschrieben hast (und sie werden das überprüfen) bzw. wieviel du gespielt hast (hallo Armory), wird dir schneller das Lachen vergehen als dir lieb ist. "So Herr XY, sie hatten also während Ihres Studiums zu lange studiert, wie kam das denn" - "..." - "Ich habe recherchiert und herausgefunden, dass Sie in der Zeit viel zu viel WoW gespielt hatten, so jemand brauchen wir nicht".
Es gibt gute Gründe, warum Arbeitgeber nicht an medizinische Daten und Infos über Dinge wie Suchtkrankheiten erhalten. Denkt dran: Das Internet vergisst nicht!
Klar gibt es den einen oder anderen Chef, der das auch spielt und mit seinen Mitarbeitern drüber redet - nachdem er sie eingestellt hat.
Ein zweiter Faktor war z.B. in einem Forum genannt. In dem hatte sich ein Mitglied einer (größeren) schwulen Gilde geäußert. Dort sind eine nicht unerhebliche Menge junger Leute reingegangen, die sich dann so langsam outen konnten. Wäre von außen sichtbar, wer da so einer Gilde beitritt, wäre das wohl nicht mehr möglich - da viele die Gelegenheit erstmal nutzen, anonym zu bleiben ohne Angst vor Repressalien oder körperlicher Gewalt, die Ihnen bei Bekanntwerden entgegen schlagen könnte. Ersetze schwul durch beliebiges anderes soziales "Stigma".
Der schlimmste - weil meiner Meinung nach am weitesten verbreitete - Faktor wäre aber das erleichterte E-Stalking. Es gibt eine Menge Frauen, die online entweder garnicht als Frau wahrgenommen werden wollen oder zumindest allerhöchstens mit dem Vornamen bekannt sein wollen, da leider das Stalkertum unter Zockern doch verbreitet ist (wie auch sonst in der Gesellschaft).
Da geht es nichtmal um Sachen, die noch kommen könnten - da reicht schon das aktuelle realID-System, das vermutlich bald Pflicht/Standard sein wird in den meisten Gilden. Über den Klarnamen/die E-Mail findet sich dank entsprechend spezialisierter Dienste sehr schnell mehr als gewünscht heraus (da spielen auch illegal verbreitete Datensätze aus irgendwelchen Firmen hinein, da muss garnicht soviel persönlich geschehen) und es kann sehr schnell sehr hässlich werden.
Ich könnte hier noch ewig weiter lamentieren, aber ich glaube für den Anfang sollte das reichen.
Alles in Allem bin ich entsetzt von der Politik, die von Blizzard gefahren wird. Ein längst überfälliges Feature (das es sogar in Everquest gab) - nämlich, dass sich Spieler über Servergrenzen hinweg unterhalten können wird nur über den Umweg eines sehr sehr hässlichen Pferdefußes eingeführt. Das wäre genauso einfach mit einem Pseudonym gegangen, aber Blizz hat andere Ziele.
TLDR: Der Weg, den Blizzard einschlägt, ist sehr unschön bis gefährlich, so dass ich sogar als bisher absolut überzeugter Blizzard-Fan (hab mir bisher jedes Spiel gekauft) bis auf weiteres die Finger von Blizzardprodukten lasse (und selbstverständlich als erstes direkt meinen Account gekündigt habe in WoW).