Es ist amüsant zu sehen, wie sich die lautesten Kritker der letzten Monate im offiziellen Redditforum darüber beschweren, dass die Resonanz der Serie bisher so positiv ausfällt. Man wittert eine Verschwörung und viele gekaufte positive Kommentare. Folglich haben die Edelfans ihren eigenen subreddit eröffnet, um ihrem Dasein einen Sinn zu geben.
Ganz ehrlich, ich hab das Silmarillion und Herr der Ringe mehrmals gelesen, aber mir würde es im Traum nicht einfallen, anderen Menschen das Fan-Sein abzusprechen. Es ist diese gatekeeping-Mentalität, die jedes Fandom toxisch macht. Was ist ein Fan? Wer nimmt sich das Recht heraus darüber zu bestimmen? Genauso diese sinnlosen Lore Diskussionen.
Mittelerde als Kosmos ist unvollendet, Tolkien hat es nie fertig gestellt. Es gibt gewisse Unstimmigkeiten in seinen Werken, z.B. das Eintreffen der Zauberer. Und die Passagen, in denen Tolkien jedem einzelnen Charakter eine Hautfarbe verpasst hat, möchte ich auch gerne sehen. Tolkien hat Anmerkungen, dass Mittelerde nordisch angelehnt sei, immer abgelehnt, er war auch entschiedener Gegner des Rassismus und hat die Einteilung von "Rassen" in hierarchischen Strukturen abgelehnt. Mit wenigen Ausnahmen, hauptsächlich wenn es um geographische Aspekte oder der Herkunft bestimmter Stämme ging, hat Tolkien explizit die Hautfarben beschrieben, ansonsten legte er nie Wert darauf. Zudem sollte berücksichtigt werden, dass Sprache sich in den letzten Jahrzehnten massiv gewandelt hat. Das englische Wort fair kann je nachdem schön oder hell heißen, aber Tolkien blieb größtenteils vage und das machts so schwierig in der Auslegung. Zudem hat er auch oft genug gesagt, dass man unsere Welt und seine geschaffene Welt nicht gleichsetzen soll. Das Thema ist müßig, der einzige Mensch, der wirklich Antworten parat hat, ist seit exakt 49 Jahren tot, jap heute ist sein Todestag.
Bisher macht die Serie einen soliden Job, produktionstechnisch ist es das Beste, was man im Serienformat gesehen hat. Selbst Game of Thrones hinkt da hinterher. Das Mittelerde Feeling wurde gut umgesetzt, die Musik gefällt mir sehr, die Liebe zum Detail ist wirklich schön und man merkt, wo das Geld reingeflossen ist. Die Dialoge könnten durchaus besser sein, da stellen die HBO Formate den Goldstandard dar. Auch am Pacing muss gearbeitet werden.
Klar kann man die Serie dafür kritisieren, dass sie nur die Rechte an der Herr der Ringe samt Anhängen hat, aber trotzdem versuchen will, eine Geschichte über das zweite Zeitalter zu erzählen. Es ist logisch, dass man dann Anpassungen an Charakteren und Lore vornehmen muss, um es an einem Serienformat anzupassen. Ich kann mit der Darstellung von Galadriel und Elrond leben. Und ganz ehrlich, es ist eine fucking Adaption. Wenn ich das Silmarillion lesen möchte, lese ich das Buch. Wenn ich eine moderne Interpretation des zweiten Zeitalters anschauen möchte, schaue ich mir die Ringe der Macht an. Verrückte Welt, wenn man beides genießen kann.
Wenn der Meteoriten Mann der ist für den ich ihn halte, wäre das für mich auch eine schöne Erklärung, warum die Harfüßer beschließen nach Westen zu siedeln.
Da der ein oder andere hier den Vergleich zu Jacksons Vision von Mittelerde anbringt, würde ich sagen, es ist schwierig eine Serie mit einem Film zu vergleichen. Eine Serie kann sich einfach viel mehr Zeit nehmen, Charaktere und ihre Motivationen zu etablieren. Ich halte es schwachsinnig, zwei von acht Folgen als Vergleich heranzuziehen. Bei mir hat Game of Thrones auch nicht direkt gezündet, fands super langweilig, kam bei den Namen der Charaktere nicht mit, erst ab der Hälfte der ersten Staffel war ich so richtig drin und dann gings erzählerisch ja erst richtig los. Man muss dieser Serie genauso sehr die Möglichkeit geben, sich erzählerisch zu entfalten. Worldbuilding braucht halt seine Zeit. Nach Staffel 1 können wir ruhig mal den Vergleich ziehen, aber es fehlen 75% Content, um überhaupt ein brauchbares Urteil zu fällen.
Aber klar, wenn man schon mit der Grundhaltung reingeht, dass die Serie scheiße sein muss, weil wegen woke und so, dann ist halt alles scheiße. Dieser ganze Puristen Kram, der in den letzten Wochen und Monaten laut rauskrakelt wurde, repräsentiert einfach nicht die Mehrheit.