AW: mein Gott, daß darf doch nicht wahr sein
Tom_Borovskis am 09.06.2006 14:52 schrieb:
Unsinn.
Das Schlimme: was Du sagst, klingt auf den ersten Blick alles logisch und richtig.
Ist es aber nicht, weil Fakten von Dir verdreht werden, und ein Großteil der Wahrheit schlichtweg ausgeblendet wird.
Zum Beispiel Dein obiges Argument.
Der wirtschaftliche Erfolg der Nachkriegs-BRD ist in Wirklichkeit vor allem dadurch begründet, dass es den westlichen Siegermächten wichtig erschien, ein starkes Westdeutschland als eine Art Schutzwall gegen den Kommunismus aufzubauen.
Gut, auf den Marshallplan hab ich in diesem Zusammenhang nicht gedacht, nicht zuletzt weil er immer massiv überbewertet wird. Insgesamt wurden dabei auf heute umgemüntzt 85 Mrd. Euro (sowohl als Sachgüter als auch als Geld) über 4 Jahre auf ganz Westeuropa verteilt. Das war natürlich eine ausgesprochen willkommene Hilfe, vorallem was die Lebensmittel anbelangt, den Ausschlag hat der Marshallplan aber nicht gegeben. Außerdem gab es ja auch Länder, die ebenso im Krieg verüwstet wurden und keinen Marshallplan hatten wie z.B. Japan.
Interessant ist auch, daß du einfach so hinnimmst, daß hier einiges an Geld geflossen ist, dabei aber völlig vergißt, daß die USA dazu überhaupt in der Lage waren - das muß man erst einmal schaffen.
In Ostdeutschland wurde dagegen die damals noch vorhandene Industrie demontiert und in die industriell extrem angeschlagene Sowjetunion geschafft. Sämtliche Rohstoffe und ein Großteil der Produkte wurden über viele Jahre hinweg der DDR einfach geraubt und und als "Wiedergutmachung" in den Osten abgezogen.
Ja ok, der Vergleich BRD / DDR war nicht ideal, ich gebs ja zu. Es wurden zwar auch die Industrien der BRD von den Russen geklaut, aber die Rohstoffen konnten sie nicht mitnehmen. Andererseits waren die Russen nicht in der Lage aus diesem äußeren Kaptialzustrom was sinnvolles zu machen, die BRD und die anderen westlichen Länder hingegen schon.
Die BRD verdankt Ihren Aufschwung also dem sog. Marshallplan, und in den Jahrzehnten die danach kamen, vor allem den guten Sozialsystemen, die es erstmals einer breiten Bevölkerung ermöglichten, auch ohne familiären Reichtum eine gute Bildung zu erlangen.
Eine Gesellschaft ist umso leistungsfähiger und produktiver, je gleichmäßiger der finanzielle Wohlstand und die Bildung auf die breite Masse verteilt sind. Das erkannte schon der Ultrakonservative und Linken-Hasser Bismark in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts als er eine staatliche Renten-, Kranken- und Unfallversicherung einführte.
Ohne die guten Sozialsysteme (kostenlose Schulen, Unis, Schutz der Arbeitslosen vor Armut, etc.) des 20. Jahrhunderts wäre momentane Wohlstand in Deutschland überhaupt nicht denkbar.
Dem kann ich mich so nicht anschließen. Der Marshallplan wird überbewertet, denn so groß waren die Summen nicht vorallem angesichts der Schäden.
Gegen das Sozialsystem habe ich überhaupt nichts geschrieben und mit Bismark kann man in diesem Zusammenhang nicht sinnvoll argumentieren. Es ist ein herber Unterschied, ob es ein paar Reiche gibt und die restliche Bevölkerung dem verhungern nahe ist und unserer jetzigen Situation. Jeder hat bei uns ein Dach über dem Kopf, was zum Anziehen, zu Essen und Zugang zu Bildung - egal ob man was dafür getan hat oder nicht.
Das Sozialsystem hat eine Grundidee. Jene Menschen, die sich aus welchen Gründen auch immer im Moment nicht selbst erhalten können, werden von jenen erhalten, die das im Moment besonders gut können und das ist ein gutes System. Der Haken ist, daß immer mehr Menschen erhalten werden, die sich nicht erhalten WOLLEN bzw. die es können (und tun), es nach außen hin aber anders erscheinen lassen.
Abgesehen davon erfordert das Sozialsystem "Starke", die die "Schwachen" erhalten. Nimm die "Starken" aus dem System und es geht ein, weil sich die "Schwachen" logischerweise nicht selbst erhalten können.
Nebenbei möchte ich noch erwähnen, was leider allgemein bekannt aber offenbar immer wieder vergessen wird, nämlich daß unsere Sozialsystem seit Jahren nach unten gehen, weil es einerseits trotz laufend steigender Beiträge in % an Finanzkraft fehlt und andererseits dieses System nicht auf Nachhaltigkeit hin konstruiert wurde.
Deine Argumentation (Tenor: "Man braucht Superreiche, damit es allen gut geht") scheint mir hingegen in weiten Teilen aus irgendwelchen extremen frühkapitalistischen Modellen abgeleitet zu sein.
Nein, es ist einfach eine Tatsache. Zeig mir ein einziges Land, in dem es Wohlstand für die breite Masse gibt und wo es anders ist. Da kannst du lange suchen.
Breite Streuung des Kapitals ist das schlimmste, was einem Staat passieren kann, denn dadurch ist das Kapital jeglicher Kontrolle und staatlicher Einflußnahme entzogen.
Gib jedem Deutschen monatlich 50€ netto zusätzlich. Was werden die Leute damit machen? Niemand kann das sagen, denn jeder gibt es nach seinen individuellen Vorstellungen aus - volkswirtschaftlich betrachtet völlig konzeptlos und primär im täglichen Konsum. Hier fehlt die Nachhaltigkeit und der langfristige Vorteil, denn auf Konsum baut man nicht auf - man verbraucht, schafft aber nichts neues, was in Zukunft noch nutzbar wäre.
Der Kapitalismus hat viel Gutes für unser Volk bewirkt, aber um langfristig zu funktionieren, braucht er eingebaute Dämpfer.
Solche Dämpfer sind die Sozialsysteme, und diese Systeme müssen nun einmal durch Steuern und Abgaben finanziert werden.
Dämpfer braucht man nicht, aber sie können durchaus positive Auswirkungen haben. Nocheinmal, ich habe nichts gegen das Sozialsystem geschrieben, wir reden hier von der Erbschaftssteuer und diese Steuer kommt nicht einmal in die Nähe des Sozialsystems. Abgesehen davon, daß die USA nicht gerade für ihr Sozialsystem bekannt sind.
Da Geld sich aus markoökonischer Perspektive (Zinseszinseffekt) im Verlauf der Zeit immer ganz automatisch auf immer weniger Hände konzentriert, erscheint vielen Menschen eine hohe Erbschaftssteuer ein gutes Mittel zu sein, um nach jeweils einer Generation das angehäufte Kapital zu einem gewissen Teil wieder an die Gemeinschaft zurückzuführen.
So wie du das schreibst ist das Blödsinn, denn durch den Zinseszins konzentriert sich das Kapital keineswegs auf wenige Menschen, warum auch.
Dieser Effekt tritt nur dann ein, wenn ein Teil der Menschen sein Kapital dem Zinseszinseffekt unterwirft und ein anderer Teil der Menschen nicht, so wie es bei uns der Fall ist. Der Grund dafür ist denkbar einfach. Die einen sparen und veranlagen ihr Geld, die anderen kaufen sich hübsche Sachen darum und wundern sich dann, daß sie nicht weiterkommen.
Außerdem kommt dieses Geld ja nicht der Gemeinschaft zu Gute, auch wenn du das glauben magst. Letztlich verpufft es im System, weil Politiker grundsätzlich jegliches vorhandene Geld (und einiges an nicht vorhandenem) ausgeben, egal ob das jetzt sinnvoll ist oder nicht.
Was mich daran stört ist, daß Menschen wie du einfach nicht weiterdenken. Sollen die blöden Reichen doch zahlen! Doch was ist die Folge? Mit einer solchen Substanzsteuer, die im Durchschnitt 44% des Großkapitals auffrißt, reduziert man sich im gleichen Ausmaß die Steuereinnahmen der Zukunft. Das ist ja auch der Grund, warum in Europa die Sozialsysteme immer schlechter werden, weil die Financiers immer weniger bzw. schwächer werden.
2. Teil folgt.