Jeder muss für sich selbst wissen, wenn man sich infiziert sollte man versuchen gar keinen anzustecken. Nicht irgendwie eine Person, denn dann geht halt die Infektionsrate nicht runter - also der R0 Wert - sondern gar KEINE Person anzustecken, falls man sich infiziert sollte das Ziel sein. Und nein, dass heisst nicht, nur wenn man Symptome hat zu Hause zu bleiben oder nur dann mal eine Maske im Kontakt mit anderen zu benutzen, sondern das heisst, da man auch asymptomatisch sein kann, sich IMMER so zu verhalten, als wenn man selbst infiziert sein könnte.
Ich denke, dass es gut sein kann, dass die weitaus meisten auch wirklich keinen anderen anstecken. Aber von 100 Infizierten gibt es halt vielleicht 80, die keinen anstecken, 10, die zwei bis drei anstecken und weitere 10, die fünf bis 10 anstecken. Und dann hast du schnell wieder über 100 Neuinfizierte und ein R > 1,0.
Der Rat, möglichst keinen annzustecken, ist natürlich logisch, aber viele können das gar nicht verhindern. Es lebt ja nicht jeder allein, und viele leben mit mindestens einer weiteren Person zusammen auf relativ kleinem Raum, gerade in Großstädten. Ein Kumpel von mir meinte neulich, weil in einem Viertel hier in Köln mit vielen Türken bzw türkischstämmigen Leuten die Zahlen recht hoch sind, dass "die Türken" die Sache halt nicht ernst genug nehmen - nur leben in dem Viertel halt ganz allgemein Leute mit geringem Einkommen, 3-5 Leute auf vielleicht 50m² - da kann man es gar nicht vermeiden, durch die Aerosol-Wolken der Mitbewohner zu laufen, und bekanntermaßen haben ja viele gar keine Symptome bzw. erst Symptome, wenn sie schon längst ansteckend sind. D.h. es ist ja nicht so, dass man sofort weißt "hey, ich bin ansteckend!" und dann selbst gegenüber seine Mitbewohnern aufpassen kann. Mit Vorwürfen sollte man da also echt vorsichtig sein, und solchen Leuten zu sagen "steckt halt keinen an" ist ziemlich weltfremd. Klar: viele können das beachten, weil sie alleine leben oder viel Platz in der Wohnung oder im Haus haben - viele aber auch nicht.
Und auch sich erst gar nicht zu infizieren ist noch wichtiger. Wenn man da so lax ran geht und sagt "ja, ja mir passiert schon nichts" - dann ist halt das Problem, die R0 Rate steigt extrem, so wie wir es jetzt gesehen haben und je mehr Leute sich infizieren, desto heftiger steigt die Kurve dann weiter an. Einige Wirtschaftswissenschaftler aus Göttingen haben schon vor Monaten eine Studie veröffentlicht zu Corona und die Botschaft war bezüglich R0, dass es für die Wirtschaft am besten ist, wenn der R0 Faktor bei 0,75 liegt, unter Berücksichtigung der Maßnahmen, die dazu nötig wären.
Wie hoch oder niedrig der Wert sein sollte, hängt allerdings natürlich davon ab, wie viele Fälle man aktuell hat. Hat man nur 10 aktive Fälle in ganz D, dann darf R auch dauerhaft bei 0,99 sein, dann bleibt es bei 10 und sinkt mathematisch sogar irgendwann auf Null
Hat man 1 Mio Fälle, dann wäre 0,1 oder weniger für eine ganze Weile angebracht. Bei konstanten 0,75 würden die Zahlen ja irgendwann auf quasi Null runtergehen.
Es ist es sehr seltsam, dass die Leute das in Südkorea z.b. hinbekommen haben, obwohl dort auch die Läden offen hatten und der Lockdown im Vergleich zu Deutschland weniger lang war. Die haben es mit den Hygienemaßnahmen und der Hilfe der Bevölkerung einfach geschafft diesen Virus unter Kontrolle zu bekommen, während in Deutschland noch großartig herum diskutiert wurde im Frühjahr, ob Masken "was bringen".
Ich finde das nicht seltsam. Erstens haben die viel mehr Erfahrung mit solchen (potenziellen) Pandemien, zweitens sind die Leute dort extrem diszipliniert und auch viel mehr darauf bedacht, dem anderen gegenüber höflich zu sein, wozu auch eine größere Distanziertheit als bei uns und vor allem ein "bloß nicht irgendeinen Virus an andere weitergeben!" auch abseits von akuten Epidemien/Pandemien gehört, und drittens ist die Bevölkerung viel unkritischer gegenüber politischen Maßahmen und vor allem: gegenüber möglichem Datenmissbrauch durch "die Behörden", so dass praktisch jeder per App getrackt wurde und man im Nachhinein sofort nachvollziehen konnte, mit wem ein Infizierter Kontakt hatte. Und am Ende ist Südkorea ja auch geografisch in einer guten Situation: aus dem Norden kann keiner kommen, da ist ja Nordkorea, und ansonsten ist Südkorea nur per Flugzeug oder Schiff zu erreichen, das kann man gut kontrollieren. Das alles kommt zusammen. Und nichts für ungut: hier in D läuft das alles IMHO von den westlichen Ländern ja eher sehr gut, auch wenn man retrospektiv betrachtet einiges besser hätte machen können.
Aber einige Dinge wären hier auf taube Ohren oder krassen Widerstand gestoßen, wenn man sie direkt angeordnet hätte - auch die Bevölkerung musste erstmal lernen, was denn nötig sein könnte und was nicht. Die Sache mit den Masken zB, da hätte es vermutlich viel Ärger gegeben, wenn man das schon Anfang März angeordnet hätte mit dem Hinweis - aus Sicht vieler dann der "Behauptung" - dass es ohne Masken sehr schlimm werden könnte. Hinzu kommt, dass es gar nicht genug Masken gab, d.h. es anordnen wäre so einfach und kurzfristig gar nicht möglich gewesen. Ich bin sicher, dass einige Verantwortliche und Experten den Rat, Masken zu tragen, zurückgehalten haben, damit die medizinische Versorgung nicht noch weniger Masken bekommt. Hinzu kommt, dass es - auch wenn es logisch erscheint - keine klaren Beweise gab, ob es was bringt, u.a. wusste man ja anfangs nicht mal genau, wie sich das Virus verbreitet.
Und ganz ehrlich: ob eine frühere Masken-Pflicht oder -Empfehlung etwas gebracht hätte, wage ich zu bezweifeln. Dass die Zahlen auch mit Pflicht stark ansteigen können, sehen wir ja jetzt, wo es nach sehr kleinen Fallzahlen im Sommer trotz Maskennutzung sehr hohe Zahlen gibt. Es geht IMO eher darum, dass zu viele es nicht ernst genug nehmen, und selbst wenn das nur 1% sind, sind das halt "viele" von der Anzahl her, und es wird das schnell wg. des exponentiellen Wachstums unkontrollierbar.
Was ich btw. heute bedacht habe ist die Frage, ob man nicht Anfang des Monats einen schärferen Lockdown hätte machen sollen. In NRW wurden die verkaufsoffenen Sonntage verboten, die wichtig für das Weihnachtsgeschäft sind, und es sollen noch weniger Menschen pro m² in die Läden dürfen - inzwischen sagen immer mehr Händler, dass sie lieber 3-4 Wochen GANZ zugemacht hätten, damit man im Dezember halbwegs normal offen haben könnte. Das unterstellt natürlich, dass die aktuellen Zahlen zu einem großen Teil mit Shopping und dem Drumherum (Anreise, Ansteckungen unter Mitarbeitern usw. ) zu tun haben.