Ist man gar ein junger und nur im PR-Geschäft erfahrener Wirtschaftsminister, dann muss man die Formulierung Karl-Theodor zu Guttenbergs geradezu bravourös nennen: Er könne nicht ausschließen, dass die Talsohle im Winter schon erkennbar sein werde. Das ist Optimismus in der vierten Ableitung.
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Sonderbar ist die Haltung der Gemeinschaftsgutachten zur Genese der Weltrezession. Da lösen auf geheimnisvolle Weise die "Zuspitzung der Situation an den Finanzmärkten" und der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers einen schweren Produktionseinbruch aus. Viel Wert legt die Analyse auf die angebliche Wirkungskette der Abschreibungen bei den Banken, ihrer entsprechenden Zurückhaltung bei der Kreditvergabe und dem darauf folgenden Investitionseinbruch. Was bei ihnen dagegen nicht vorkommt, ist der spekulative Kreditboom, der allem vorausging und der die Jahr für Jahr steigende Verschuldung der US-Konsumenten finanzierte, die als "Nachfrager der letzten Instanz" die Weltkonjunktur in Schwung gehalten haben. Die Finanzkrise ist zu einer globalen Wirtschaftskrise geworden, weil sie diesem netten Treiben ein Ende setzte.
Weil weder Gutachter noch Regierung den Ausfall dieser gewaltigen Nachfrage als Krisenursache sehen, können oder wollen sie nicht darüber nachdenken, wie diese Lücke gefüllt werden soll. Solche Gedanken würden ja - horribile dictu - die Überlegung nahelegen, ob der Konsum nicht durch eine dauerhaft stärkere Einkommensentwicklung bei Geringverdienern und damit durch eine höhere Massenkaufkraft stabilisiert werden könnte oder, besser, müsste.
Derlei Gedanken sind Regierenden und Institutsvolkswirten zu fremd, um ernsthaft erwogen zu werden. Irritierend aber ist, dass beide - wohl auch aufgrund der verqueren Krisenanalyse - daran festhalten, dass die Stabilisierung der Banken die Voraussetzung dafür sei, dass die Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Gerade deshalb steckt die Bundesregierung das angeblich knappe Geld lieber in fallierende Geldinstitute und in eine Bad Bank als in nachfragestützende Konjunkturprogramme.
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Schlussfolgerung: Regierung und Institute setzen die Prioritäten falsch. Erst muss die Konjunktur über die Nachfrageseite gestärkt werden. Die Banken (oder einige davon) werden danach schon von alleine gesund.