Captain America - Civil War
Wieder ein grandioser Spitzenfilm. Die Russo-Brüder sind eindeutig die besten Leute die man auf dem Regie-Stuhl eines Marvel-Films setzen kann, ihre zweite Team-Arbeit ist wieder einmal Unterhaltungskunst auf hohem Niveau und von solch inhaltlicher Qualität die man sich den meisten anderen bisher realisierten, nicht immer hunderprozentig geglückten Superhelden-Streifen eigener Hausmarke nur zu gerne wünsche würde. An deren Meisterstück
The Winter Soldier zieht dieser hier aufgrund einiger Abstriche zwar auch nicht vorbei, dennoch reicht das Ergebnis um sich als einer bis dato der besten Marvel-Filme zu empfehlen.
Erneut ist es wieder diese extrem physische, schnelle und größtenteils realistisch umgesetzte Action die sehr zufrieden stimmt. Sieht man mal von den ganzen Recken wie Iron Man und anderen flugfähigen Heroen ab wo ohne SFXs halt nix geht sieht der Rest richtig greifbar aus. Allein die Sequenz wo Steve und Bucky das deutsche Spezialkommando auseinandernehmen und im Anschluss die Flucht ergreifen ist an Intensität und Tempo beispiellos, es würde mich überraschen wenn sich die Stuntmen nicht mehr als ein Paar blaue Flecken dabei geholt hätten. Auch an der restlichen Action gibt es kaum was zu mäkeln, aber daran hatte vorher nie wirklich gezweifelt.
Aber was den Film erst so stark macht - und das ist mittlerweile die unverwechselbare Handschrift der Russos - ist das Geschehen abseits der lauten und destruktiven Momente . Die Unvermeidbarkeit von Kollateralschäden und deren Außenwirkung die bei den Avengers-Einsätzen leider entstehen, das nagende Gefühl der Schuld die manchen Avenger befällt und Zweifel an der Richtigkeit ihrer Defensiv-Kämpfe aufkommen lassen, besonders nachdem General Ross allen die nachhallenden Folgen ihrer bisherigen gemeinsamen Abenteuer in
Avengers 1, Cap 2 und Avengers 2 vor Augen hält... Der Ruf der Weltbeschützer kriegt hier sehr tiefe Kratzer ab, und das ist ein hervorragend herausgearbeiteter Punkt, weil es ihre Fehlbarkeit demonstriert und sich Teile des Teams selbst hinterfragt.
Ebenfalls schön hinbekommen: Die Streitfrage ob die Avengers unter internationaler Kontrolle gehalten werden oder doch autonom handlungsfähig bleiben sollen, was anhand der beiden Streithähne Rogers und Stark perfekt manifestiert wird (die schon seit ihrer ersten Begegnung stets uneinig waren). Die unvermeidbare Spaltung dieser Heldentruppe wirkt so sehr konsequent und durchdacht - und wird durch Bucky und seine unkontrollierten Taten in Vergangenheit wie Gegenwart als zusätzlichen Zündstoff nochmals angeheizt. Das ist Drama pur; Treue, Vertrauen und Freundschaft, diese drei so wichtigen Tugenden haben nie so sehr auf dem Spiel gestanden wie hier.
Und hey, ich hoffe zwischen Steve und der Carter-Enkelin läuft noch mehr als nur dieser eine Kuss.
Und trotzdem muss ich an diesem Film die eine oder andere Sache kritisieren.
1. Starks Erinnerungshologram. Seine verjüngte Version war leider Gottes schlecht getrickst. Ohne Bart und mit aalglattem Gesicht... Sorry, aber Downey jr.'s digitales Lifting hat mich nicht überzeugt. Wie bereits in zig anderen (auch Nicht-Marvel-) Filmen. Es ist und bleibt künstlich.
2. Peter Parker / Spider-Man. Wobei das nicht als harte Kritik an Tom Holland zu verstehen ist, der Junge hat auf jeden Fall mehr Charme und Witz als sein Vorgänger Andrew Garfield. Aber auch er spielt meinen absoluten Liebling Tobey Maguire nicht aus weil er noch so extrem kindlich wirkt und sein Gequatsche inmitten der Flughafen-Schlägerei mehr genervt als Lacher hervorgelockt hat. Doch ich glaube noch mehr hat es mich aufgeregt dass aus seiner Tante May quasi eine MILF gemacht wurde. Ne, Marvel, aber das geht nun gar nicht.
3. Nochmal der megagroße Fight in Leipzig. Es war teils lustig und cool mitanzusehen wie sich das Dutzend der Rächer untereinander Feilchen und andere Blessuren verpasst... Es wäre aber noch besser gewesen den körpernahen Zwist mit mehr "Verlusten" zu versehen. Rhodes als einziger der dabei richtige Verletzungen erleidet... Es ist nicht so dass ich mir den Tod einiger Figuren herbeigesehnt hätte, durch die vorher gesichteten Trailer hab ich mir aber eigentlich viel mehr Schmerz erhofft der den Riss zwischen Steve und Tony nochmals vergrößert.
4. Der Antagonist Helmut Zemo war mir zu gewöhnlich, zu unscheinbar und am Ende auch zu wenig aktiv. Das Spiel von Daniel Brühl findet an sich genau das richtige Maß, die Motivation seines Charakters ist sogar sehr nachvollziehbar. Dass er als einfacher Oberst aus Sokovia aber über Mittel, Wege und überhaupt das Wissen verfügt an die Hydra-Akten zum Winter Soldier-Programm zu kommen und all seine Schritte so perfekt (und ganz allein) vorbereitet um Bucky für seine Zwecke zu manipulieren... DAS hat mich leider nicht so ganz überzeugt.
Doch trotz diese Schnitzer vermag der dritte Captain mehr als genug Futter für Augen, Ohren, Kopf und Herz zu transportieren. Er scheitert zwar knapp am brillanten
Winter Solder, hinterlässt am Ende aber eben wegen Steve und Tony ein einschneidendes Gefühl des innerlichen Zwiespalts. Beide haben eigentlich recht... Und gleichzeitig liegen sie falsch. Man weiss nicht auf wessen Seite man sich stellen soll... Und DAS allein spricht schon für einen außergewöhnlich guten und erinnerungswürdigen Film.
9/10 Kämpfe im Innern