Hallo
Ein interessantes Thema, das mich seit einer Weile reizt. So sehr, dass ich mich jetzt hier registriere.
Ausgangslage
Ich bin momentan sehr kritisch gegenüber dem Thema eingestellt, und da kommen mehrere aktuelle Eindrücke zusammen:
- Unfertige / Bugbehaftete Großtitel wie Battlefield 4 die monatelang nachgepatcht werden müssen kommen raus
- Ein unglaublicher Kick Starter und Early Access Hype, dass man jeden Überblick verliert
- Dazu teilweise ein Überfinanzierungshype bei manchen Projekten
- Ganz besonders unangenehm: Die aktuelle Tendenz Spiele in Teile oder Episoden zu brechen, weil es geldlich und oder terminlich nicht für alles reicht. Extrem gerade bei Broken Age. Wie kann das sein, dass ein Projekt so überfinanziert wird und dann doch nicht hin kommt?
Positiv an Kickstarter und Early Access finde ich:
- Es gibt Chancen für Projekte, die von großen Publishern nicht angegangen werden. Die aktuelle Retro Welle freut mich. Und es kommt auch mehr frischer Wind und nicht einfach die x-te Version von einem Anno, Siedler, Assassins Creed oder was auch immer.
- Ich hoffe, dass diese kleineren Projekte den "Großen" aufzeigen, dass man auch mit weniger Budget und Manpower gute und beliebte Spiele machen kann, und nicht alles nur milliardenschwere Triple A mit halbstündigem Abspann wegen den zigtausenden Mitwirken sein müssen.
- Community Feedback hilft den Entwicklern das Spiel auf den Markt zu optimieren und nicht erst nach dem raus bringen die Rückmeldungen zu ernten.
- Ich sympathisiere unheimlich mit allen Indie und Hobby Teams, ich bin selber im Herzen Spieleentwickler und Gamedesigner, aber ich habe nie etwas fertig gebracht. Als Softwareentwickler und begeisterter Spieler lag mir das immer nah, aber den Aufwand habe ich nie geschultert. Projekte, in denen ich war, sind zerbrochen über die Zeit.
Was ich negativ finde:
- Ich glaube sehr, dass man sich die Lust am unfertigen Alpha versaut. Man spielt was Unfertiges bis einem die Laune ausgeht und wenn dann irgendwann das Endprodukt kommt, spielt man dann wirklich nochmal, und auch den bereits mehrmals durchgespielten Anfang nochmal durch?
- Die Entkopplung von Begeisterung, Investment und Erhalt des Produkts ist zu groß. Ich finde die Projekte jetzt interessant. In zwei Jahren ist alles anders, bis vielleicht mal was raus kommt.
- Ich glaube Communityfeedback ist zum großen Teil eine Illusion. Es ist für die Teams doch gar nicht möglich, auf zig hundert Leute einzugehen, die ihre Ideen beitragen wollen. Man kann eigentlich nur grobe Stimmungen und Richtungen im Sinne von Umfragen auswerten.
- Die meisten Spieler sind schlechte Game Designer. Ich habe es oft genug erlebt, aber was irgendeiner "toll" finden würde ist oft Game Design mässig Mist. Viele haben dann nicht den umfangreichen Sinn für Balancing und die Gesamtzusammenhänge. Ich schätze 90% und mehr aller Beiträge der Community muss man wegen untauglichkeit verwerfen.
- Communitybetreuung ist Arbeit. Das Team muss auf die Beiträge eingehen und ihren Status veröffentlichen. Das raubt viel Zeit von der Entwicklung. Andererseits können sie sich dabei am Markt orientieren und machen Werbung und gewinnen Käufer und Geld. Es hat Vor und Nachteile.
Das Investitionskonzept
Was eigentlich nicht hinkommt ist diese Art der finanziellen Beteiligung. Normalerweise gehen Firmen zur Bank oder suchen Investoren. Wer Geld gibt erhält dafür Zinsen oder Gewinnbeteiligung. Der Spieler hingegen erhält unreife Produkte und ggf. noch Arbeit wenn er als Feedback und Tester benutzt wird. Das Risiko, das die Backer tragen, dass der Titel nie fertig wird oder nicht gut wird, ist überhaupt nicht mit Vorteilen aufgewogen. Die kriegen dann das fertige Spiel, vielleicht einige Euro unter Neupreis. Aber mal genau genommen, eine Weile Geduld und das Spiel gibts auch zu dem Preis im Sale. Eigentlich müssten die Spieler eine Erfolgsbeteiligung am Unternehmen bekommen, mehr im Sinne von Aktien oder Kreditzinsen.
Mein Fazit
Ich kaufe Spiele fertig, wenn ich sie erleben kann, und unterstütze die Entwickler dann. Mir ist klar, dass manche gewagte Titel und Retro Projekte so gar nicht entstehen könnten und ich danke den frühen Investoren, dass sie manche Projekte möglich machen. Aber ich kann nichts heute kaufen was ich in 1 - 2 Jahren erst bekomme und habe nicht die Zeit, aktiv auszuprobieren und mitzuwirken. Ich habe auch nicht die Lust meine Freude am Spiel an einem Prototypen schon zu zerreiben. Zudem bekleckern sich so manche Projekte nicht mit Ruhm und es ist noch sehr fraglich, was die Backer wirklich heraus bekommen. Nur Terminverzögerung ist noch Glück. Ist es nur eine vorläufige Episode statt des Vollspiels? Oder dann doch arg beschnitten? Wird es vielleicht gar nix? Oder etwas fragwürdiges wie diese Ouya Konsole?
Für mich entscheided am Schluss ein Gedankenspiel, was wäre wenn es nicht um ein Spiel sondern um ein anderes Produkt ginge. Würde ich dann auch backen? Und da kommt meistens ein Nein. Ich würde kein Kickstarter Auto backen, wo ich jetzt schon mal ein Lenkrad bekomme und in einem Jahr vielleicht den Motor und ob es später wirklich fährt, mal sehen.
Kickstarter bleibt was für Mutige, Träumer und Glücksspieler. Es wird sicher einige tolle Projekte geben, die nur dadurch entstsehen dürfen. Aber es wird auch Fehlschläge und unbefriedigende Ergebnisse geben. So lange die Backer das, was sie bekommen, als Mehrwert begreifen und zufrieden sind, würde ich das Geld als Erlebnisgebühr bezeichnen. Dafür dürfen sie mal reingucken, gefühlt mitreden und bekommen einfach etwas geboten. Sie zahlen für die Teilnahme am Prozess und am Traum, nicht für das Ergebnis, das ist ein Bonus.
Aber ein interessanter Gedanke verbleibt: Würde ich selber mal ein Projekt machen, wenn es eine gewisse Reife hätte, ich würde auch Crowdfunding versuchen. Als Empfänger der Gelder sieht die Pro / Contra Liste ganz anders aus. Risiko quasi 0. Tolle Kundenbeteiligung und Werbung. Und wenn es klappt ordentlich Geldmittel ohne Banken und Kram. Der Aufwand für Communitypflege besteht sowieso, egal ob man das Geld vorher oder nachher einnehmen will.
Als Spieler aber bleibt nur die Erinnerung: Früher waren Demos mal kostenlos und vor dem Internet waren Spiele oft bugfreier (oft aber auch weniger komplex, ebenso wie die Hardware), weil es dieses online Patchsystem nicht gab.
Ich denke Kickstarter ist gut für die Projekte und Teams, aber wie es für die Backer ist, da habe ich eher Bedenken.
Grüße
Smoke