Ich bin heute mit Rainswept fertig geworden, dass ich mir vor knapp einer Woche ohne Vorwissen über das Spiel ganz spontan gekauft habe, weil mir die Screenshots und die Beschreibung gefallen haben.
Kleines (wie immer bei mir vermutlich sehr subjektives Review):
Als ich mir das Spiel gekauft und angefangen habe, hab ich ein einfaches Point & Click Adventure erwartet, in dem man nüchtern den Mord an Chris und Diane, einem jungen Paar in der US Kleinstadt Pineview, aufklärt, indem man Hinweise sammelt und sich mit Zeugen unterhält. Zu Anfang scheint das Spiel auch größtenteils so abzulaufen, aber hinter der Fassade des Mordfalls gibt es so viele kleine Geschichten, dass spätestens nach dem ersten Drittel des Spiels weit mehr im Fokus steht, als nüchternes Kombinieren von Fakten. In dem Spiel geht es um die Menschen in der Stadt, Ermittler, Zeugen, Verdächtige und die Opfer, von denen im Grunde jeder seine eigenen Sorgen, Erlebnisse und Geheimnisse hat, die man nach und nach auf unterschiedliche Arten erfährt.
Die Dialoge des Spiels sind dabei aus meiner Sicht unglaublich gut geschrieben. Nicht komplex, nicht theatralisch, nicht überdramatisch, sondern vor allem sehr realistisch aber gleichzeitig oft auch sehr emotional. Die Geschichte konnte mich einfach mitreißen und die einfache, aber aus meiner Sicht sehr atmosphärische Grafik, gepaart mit der tollen Musik (der gleiche Typ, der u. a. auch den Soundtrack für Downfall und The Cat Lady gemacht hat) erschafft dabei ein unglaublich dichtes, atmosphärisches Gesamtbild, dass ich so von einem kleinen Indie Adventure, von dem ich vorher nie gehört habe und das wohl auch das erste Werk des Entwicklers ist, nie erwartet hätte. Am ehesten würde ich es noch mit Night in the Woods vergleichen, allerdings sind die Protagonisten in Rainswept menschlich und erwachsener, als Mae, Bea, Greg und Angus in Night in the Woods.
Spielerisch ist Rainswept sehr minimalistisch gehalten. Man bekommt keine Rätsel, muss nicht wirklich Hinweise kombinieren, Entscheidungen treffen oder sich gar geschickt anstellen. Das Spiel ist eine interaktive Geschichte und will auch nicht mehr sein. Allgemein stehe ich zwar auf rätsellastige Point & Click Adventures a la Lucas Arts, Daedalic & Co., aber Rainswept fokussiert sich insgesamt so sehr auf die unglaublich guten Dialoge und die Geschichte, dass komplexe Rätsel eigentlich nur den Lauf der Geschichte unnötig verzögern würden. Nach 6 Stunden war das Spiel dann auch schon vorbei. Nicht besonders lang, aber ich hatte auch zu keiner Zeit das Gefühl, da würde man irgendwie die Spielzeit strecken wollen. Gleichzeitig kam ich mir aber auch nie gehetzt vor. Der Entwickler wusste anscheinend ganz genau, was er hier tat.
Nachdem ich jetzt so lang geschwärmt habe: Ein paar Schwächen hat das Spiel dennoch, die hauptsächlich in Form von kleinen Bugs daherkommen: Gelegentlich fielen Hintergrundgeräusche und Musik aus, in einem Fall steckte ich mit meinen Charakter fest und konnte mich nicht mehr bewegen. Da man aber mehrere Speicherstände anlegen und jederzeit speichern und laden konnte, war das letztendlich auch kein großes Problem. Auch bringt der Entwickler derzeit beinahe täglich kleines Fixes raus, so dass das Spiel schon in Kürze eigentlich völlig bugfrei sein dürfte. Die Steuerung ist eine Mischung aus Maus und Tastatur, die an sich ganz gut funktioniert, reine Maussteuerung soll aber wohl per Patch nachgeliefert werden. Controller werden meines Wissens nach nicht offiziell unterstützt. Außerdem gab es ein paar wenige Szenen, wo die Dialoge automatisch abliefen und wo ich nicht ganz mit dem Lesen hinterherkam. Das kam aber extrem selten vor.
Womit ich beim letzten Punkt wäre, der für manche evtl. ein Schwachpunkt sein könnte, für mich aber völlig ok: Das Spiel verzichtet komplett auf Sprachausgabe. Mit guten Sprechern hätte das Spiel atmosphärisch evtl. noch ein wenig mehr rausholen können, aber in diesem Fall würde ich sagen: Bei der Qualität der Dialoge würden Sprecher, die "nur" durchschnittlich sind, dem Spiel eher schaden, als alles andere. Da müsste schon eine Vertonung von der Qualität von Rockstar Games, Dontnod oder Telltale her, um die Dialoge angemessen zu vertonen. Da das jedoch sicher nicht billig wäre und für einen kleinen Entwickler bei seinem ersten Projekt wohl kaum bezahlbar, sind die geschriebenen Dialoge aus meiner Sicht völlig in Ordnung und eigentlich das Beste, was der Entwickler aus seinen begrenzten Möglichkeiten machen konnte.
Fazit: Für mich ist Rainswept der erste Überraschungshit dieses Jahres. Ob sich das Spiel langfristig für mich zwischen atmosphärischen und dialoglastigen Adventure/Storyspielen wie Kentucky Route Zero, Night in the Woods, Life is Strange, Fran Bow oder der Blackwell Reihe von Wadjet Eye Games einordnen kann, weiß ich wohl erst, wenn ich in ein paar Monaten nochmal auf das Spiel zurückblicke, aber ich bin da ganz optimistisch.
*edit* Und fast hätte ich es vergessen: Bei vielen Spielen ist man zum Schluss enttäuscht, hätte sich noch ein paar weitere Antworten gewünscht oder die gegebenen Antworten befriedigen einen nicht wirklich. Rainswept ist nicht so ein Fall. Das ganze Spiel ist unglaublich rund gestaltet, es werden alle Fragen beantwortet und alles endet auf eine Weise, die keinen Wunsch mehr frei lassen. Ein sehr gelungenes Ende.