Vorhin war es endlich so weit: Mein Versöhnungstreffen mit Sabrina stand an. Ich hatte mich in komplett schwarze Kleidung gehüllt, um meinem Bedauern über den Verlauf des letzten Treffens gebührend Ausdruck zu verleihen. Sabrina wohnt in der Wohnung über mir, und auf dem Weg dorthin stolperte ich nur zweimal auf der Treppe. Ich klingelte, und ihre Stimme ertönte von innen: "Komm rein, die Tür ist offen!" Ich tat wie mir geheißen, schloß die Tür hinter mir und nahm auf dem Sofa Platz. Aus dem Bad war Wasserrauschen zu hören, das schließlich verstummte. Ein gedämpftes Fluchen war zu vernehmen. Die Badezimmertür ging auf, und Sabrina hastete, nur mit einem großen Handtuch bekleidet, an mir vorbei in Richtung Schlafzimmer. Irgendetwas sah seltsam an ihrem Gesicht aus. "Was vergessen", murmelte sie, als sie mit einem kleinen, schwarzen Stoffteilchen, das unschwer als Höschen zu identifizieren war, zurück ins Bad hetzte. Das fing ja gut an.
Nach nur einer halben Stunde des Wartens mit Fön-Geräuschen, die Harry in den Wahnsinn getrieben hätten, ging das Warten ohne Fön-Geräusche los. Vermutlich schminkte sie sich in der Zeit. Man weiß ja nie genau, was Frauen so alles im Bad treiben. Endlich ging die Tür auf und ihre strahlende Schönheit traf mich wie ein Schlag! Nun ja, das war etwas übertrieben, aber ich muß zugeben, daß sie sehr knackig aussah. Sie trug eigentlich ganz normale Kleidung. Enge, schwarze Jeans, ein grünliches Oberteil und ein Goldkettchen sind nicht unbedingt das, was man sich unter "herausgeputzt" vorstellt. Trotzdem sah sie fantastisch aus. Das einzige, was ein bißchen störte, war der gigantische, rote Pickel auf ihrer Stirn.
Im Café hatte ich gerade ein schönes, schattiges Plätzchen ausgesucht, damit nicht jeder diesen Riesenpickel sehen mußte, aber Sabrina wollte lieber am Fenster sitzen. Wir plauderten über dies und das, wobei wir das Thema Samstag Abend erst einmal geflissentlich vermieden. Der Kellner, ein junger Typ mit Ziegenbärtchen, kam herbei und nahm die Bestellung auf. Erst sah er Sabrina bewundernd und mich neidisch an. Bis er den Pickel entdeckte. Dann sah er mich mitleidig an. Sie lächelte etwas unsicher und bestellte zwei Cappuchino. Ich mag das Zeug zwar nicht, wollte aber deswegen keine schlechte Stimmung aufkommen lassen, deshalb sagte ich nichts. Warum müssen Frauen immer für Männer mitbestellen? Naja, egal. Außerdem war mir eh schon schlecht, da ich diesen Monsterpickel ständig im Blickfeld hatte.
Wir legten eine kurze Gesprächspause ein, da wir beide nicht so recht wußten, worüber wir sprechen sollten. Ich sah aus dem Fenster und zählte die Ampelphasen mit, um dieses pulsierende Etwas auf Sabrinas Stirn nicht sehen zu müssen. Der Kellner brachte den Cappuchino. Sabrina sagte schließlich: "Hör mal, das mit Samstag tut mir leid." "Mir auch", erwiderte ich, und wieder war ein paar Sekunden Stille. Verzwickte Situation. Ich sah Sabrina in die Augen. Ihr Pickel begann zu nässen. Etwas unkonzentriert sagte ich etwas wie "Lass uns noch einmal von vorne anfangen." Sie lächelte und sagte: "Darüber läßt sich reden. Ich passe auf, was ich von mir zeige, und du versuchst dein großes Mundwerk ein bißchen im Zaum zu halten." Diese Geschwulst auf ihrer Stirn machte es mir beileibe nicht leicht, mein Mundwerk im Zaum zu halten.
Sabrina entschuldigte sich und ging zur Toilette, um sich "frischzumachen", wie sie es ausdrückte. Von draußen sah ein Fußgänger zum Fenster herein, zwinkerte und grinste. Seltsam.
Als Sabrina zurückkam, sah sie eigentlich genauso aus wie vorher. Mit Ausnahme dieses fetten Monstergeschwürs auf ihrer Stirn, das jetzt doppelt so groß war wie vorher. Offenbar hatte sie daran herumgequetscht, obwohl doch jeder weiß, daß es davon nur noch schlimmer wird. Um sie (und mich) nicht noch länger dieser peinlichen Situation auszusetzen, schlug ich vor zu gehen, und sie stimmte sofort zu. Irgendwie schafften wir es nach Hause, und als ich mich an ihrer Wohnungstür von ihr verabschiedete, wollte sie mich in den Arm nehmen. Zuerst wich ich erschrocken zurück, um diesem widerlichen Pickel nicht zu nahe zu kommen, aber dann fing ich mich und umarmte sie. "Ich beiße nicht", sagte Sabrina und lächelte. Ich lächelte zurück. "Du nicht, aber kannst du das auch von diesem Geschwulst da behaupten?"
Nun ja, was soll ich sagen, mir tut jetzt noch die Nase weh. Liegt bestimmt an der Faust, die ich ins Gesicht bekommen habe.