Naja, zumindest bezeichnet die PC-Games ihre (am Spiel interessierten) Leser schon mal nicht als "verwirrte Loser". Derart im Ton vergriffen hat sich die Gamestar. Im Kontext von "Hatred" ist wohl Magazin-übergreifend alles erlaubt um die mündigen Spieler - hier muss ich mir die Apostrophe STARK verkneifen - vor sich selbst zu retten.
Den so ganz traut man den mündigen Spielern hier bei der PC-Games halt dann doch wieder nicht. Wer dieses Spiel spielt, so das Ergebnis dieses Artikels, der muss ein problematischer Mensch sein, um den muss man sich vielleicht Sorgen machen. ist er gewalttätig? Mit einer infantilen Begeisterung für stumpfe Gewalt? Ist der Spieler vielleicht mit dem Alltag überfordert und möchte seine Mitmenschen leiden sehen? Am liebsten Hunderte von ihnen? Etwas in der Richtung muss es wohl sein, denn wer würde sich schon für so ein Spiel hergeben? Einen "bösartigen Amoklaufsimulator, der das Abschlachten Unschuldiger glorifiziert?" Schlechte Menschen! Zu dieser Schlußfolgerung muss man hier kommen. Die Schreibart des Artikels lässt gar keinen anderen Schluss zu. Man wird mit farbigen Adjektiven in diese Richtung gesteuert.
Ein "verblödeter Typ". "Grausame, entsättigte" Bilder. "Primitive Allmachtsfantasien". Auch der Hass ist nicht einfach Hass. Es ist roher Hass! "Voyeuristische Gier". Ganz klar: Sowas spielt der Rechtschaffene, Aufgeklärte nicht. Da lässt der Redakteur keinen Zweifel. Seinem Leser damit aber auch keine Wahl.
Immerhin gesteht der Redakteur ein: Auch andere Spiele haben Grenzen überschritten, teilweise auf Kosten des positiven Rufs, den sich Computerspiele über all die Jahre mühsam erarbeitet haben. Trotz der albtraumhaften Gewalt im berüchtigten Modern Warfare 2. Auch trotz Spec Ops! Auch trotz der Selbstmordanimationen in DayZ.
Und hier verrät sich der Redakteur ein bisschen selbst. Das Gerede vom mündigen Spieler, so ganz ernst nimmt er es selber nicht. So ganz zu vertrauen, ist dem Spieler, der eigenen Zielgruppe, dann doch nicht. Wir nehmen doch heute an, dass Computerspiele aus den gröbsten Sturm-und-Drang-Jahren raus sind? Das die Branche und das Hobby erwachsen geworden sind. Dass es keinen "Ruf" gibt, der zu runieren ist. Trotzdem wird wohl Hatred das Potential beigemessen, im Alleingang das ganze Hobby zu Fall zu bringen. Große Verkaufszahlen wären ein Schock. Selbst wenn das Spiel gut wäre, geht das nicht. Aber wie könnte es gut sein?
Ist ein Film - möge er noch so furchtbar sein - in der Lage, die Medien Film und Fernsehen so in Verruf zu bringen, dass man diese Medien an sich in Frage stellen müsste. Wäre EIN Buch in der Lage, das Buchlesen unmöglich zu machen? Weil DAS Buch wäre wahrscheinlich schon geschrieben worden.
Trotzdem gibt es noch Literatur, gibe es noch Filme, gibe es noch Serien. Und es wird auch weiter Spiele geben. Trotz Hatred. WEGEN Hatred!
Oha! Zeit für eine Selbstdiagnose: Komm ich im Leben nicht klar? Hm... naja, ich bein kein Gehirnchirurg, auch kein Pilot. Scheitere ich an den Problemen des Alltags? Steuererklärung war lästig neulich. Und die haben was falsch übertragen. DAS war wieder 'ne Lauferei. Brauch ich ein Ventil um mich abzureagieren? Naja, ich schreib ja hier... also "check"? Bin ich wütend? Hm.. Mein Kater hat neulich in den Wäschekorb gemacht, da war ich sauer! Aber später hab ich wieder mit ihm geschmust.
Gretchenfrage: Würde ich Hatred Spielen?
Antwort: Ja. Definitv ja! Vielleicht nicht gut schlafen danach, aber dennoch.
Hm... Tja. Und jetzt fühl ich mich schlecht. Weil die PC-Games mir suggeriert, ich müsse wohl ein bisschen daneben sein. Ein bisschen sehr. Vielleicht ein potentieller Amokläufer? Ein Schläfer? Dazu noch putzmunter? Das sind die Gefährlichsten!
Und das ist hier nicht der Spiegel. Das ist PCgames.de Das ist ein Portal, wo die Mehrzahl der Leser aus Jugendlichen und Kindern besteht. Da ist die PC-Games auch Leit- und Orientierungspukt, die Redakteure sind ein bisschen wie "Kumpels" und Beziehungspersonen. Jetzt plötzlich von einem Redakteur, den man vielleicht mag, quasi als Amokläufer bezeichnet zu werden, das ist eine schallende Ohrfeige und ein Liebesentzug, der nicht leicht zu verdauen ist. Verbale Gewalt.
Der Redakteur wütet hier durch seinen Artikel, ein bisschen wie der Antagonist des Spiels durch seine schwarz-weiße Welt. Und ebenso wie der langhaarige Amokläufer sieht auch er nur schwarz und weiß.
Will man hier vielleicht verhindern, dass die Medien wieder in ihr "Videospiele sind gewalttätig und MACHEN gewalttätig"-Lied einstimmen? Dann wird hier ein kolossaler Bock geschossen. Die Medien brauchen das hier nur noch zu zitieren. Es steht hier ja alles: Das Spiel ist ein Machwerk und seine Spieler hochverdächtig. Die Spieler sind Menschenhasser und Loser, eben jene, von denen man so einen Amoklauf am ehesten erwartet.
Und da haben wir das Problem mit der Korrektheit. Man glaubt, für das Gute zu kämpfen, aber in Wirklichkeit läuft doch wieder mit der Masse.
Persönlich hat er sehr viele Sympathien für all jene Spiele, die Themen abseits der Norm erforschen wollen - auch im Extremen, sagt Peschke. Hat er nicht. Den "extrem" wird es erst, wenn man gegen Wildmühlen rennt. Das macht Peschke aber gerade nicht. Er macht es sich gemütlich in der absolut sicheren Position: "Gewalt verteufel, Gewalt pfui." Dagegen wird keiner was sagen.
Was im Fall von Hatred aber mutig gewesen wäre, wäre zu fragen: Was empfindet man, wenn man wild mordend durch die Nachbarschaft zieht? Wenn niemand da ist, der einem einen moralischen Kompass bietet. Wenn es zum Ende des Spiels keine Botschaft gibt, sondern das ganze sinnlose Töten einfach zu Ende geht, als ob nichts gewesen wäre. Es wird kein angenehmes Gefühl sein. Es wird ein abstoßendes Gefühl sein. Und gerade weil niemand da ist, der einem sagt DASS es böse ist oder WARUM es böse ist, wird man sich selber Gedankenmachen, was da eigentlich geschieht.
Vor dieser Aufgabe, Hatred nicht von vorneherein abzulehnen, weil es anders ist, ist Andreas Peschke eingeknickt wie ein zarter Ast im Herbstwind. Und was Hatred gerade zeigen könnte, sieht Peschke nicht: Dass es ihn eben nicht gibt, diesen goldenen Weg, dem man sicher folgen kann, den definitiven moralischen Kompass, der immer in die richtige Richtung zeigt. Man muss SELBST sein eigener moralische Kompass sein.
Er hat einfach das "Richtige" gemacht, und dieses Schundwerk verteufelt - Unter dem Applaus der Community. Und alle haben sich sehr gut gefühlt, weil sie das "Richtige" tun und gemeinsam für das Richtige marschieren. Dem gemeinsamen Kompass nach.
Was der anzeigt, wird schon das Richtige sein.
Anmerkung: Ich hab was ähnliches im Gamestar-Forum geschrieben und hier einen Teil übernommen. Und jetzt muss ich zum Zug und kann's nicht vollständig überarbeiten. War mir aber wichtig, hier Stellung zu beziehen. Hoffe, das geht in Orndung.