Mit Philip Dick bin ich vorerst fertig, wer von The Man In The High Castle (Das Orakel vom Berge) etwas wie die Serie erwartet wird sicherlich enttäuscht, aber zum Glück hab ich das auch nicht. Die Serie ist halt amerikanisches Blockbusterkino, aufdringlich sympathische Schönlinge die mit Schusswaffen wie Spritzpistolen um die Ecke ballern und alle fallen reihum tot um. In irrsinniger Heldenmanier allein gegen das Deutsche/Japanische Reich, das passt in Wolfenstein aber mit dem Buch hat es nichts zu tun.
Es ist selbst für Dick außergewöhnlich philosophisch, von jener alternativen Weltgeschichte in der die Nazis den Krieg gewonnen haben und Erde, Mond und bald Mars beherrschen erfährt man leider relativ wenig am Rande von abstraktem inneren Monolog und Gesprächen. Die Vergangenheit bleibt uns nur durch die Objekte erhalten die die Zeit überdauern, Gebäude, Bücher und Relikte. Einem Antiquitätenhändler wird schroff klar gemacht manche seiner Waren sind Repliken, Kunstfälschungen. Fälscht man Antiquitäten fälscht man Geschichte und hier geht es ja um eine falsche, 'alternative' Geschichte.
Vgl. Orwell 1984:
"Vergangene Ereignisse, so wird argumentiert, haben keine objektive Existenz, sondern überleben nur in schriftlichen Aufzeichnungen und der menschlichen Erinnerung. Die Vergangenheit ist das, worin die Aufzeichnungen und die Erinnerungen übereinstimmen. Und da die Partei die volle Kontrolle über alle Aufzeichnungen und ebenso die volle Kontrolle über das Denken ihrer Mitglieder hat, folgt daraus, dass die Vergangenheit alles das ist was die Partei daraus macht. Daraus folgt auch, dass die Vergangenheit zwar veränderbar ist, aber nie in einem konkreten Fall verändert wurde. Denn wenn sie in einer im Augenblick benötigten Form neu erschaffen wurde, dann IST diese neue Version die Vergangenheit und es kann niemals eine andere Vergangenheit gegeben haben."
Das namensgebende Orakel ist das chinesische Buch der Wandlungen, I Ging, und im Buch verwendet es praktisch jeder im Japanischen Reich. Dazu werden Schafgarbenstängel oder Münzwürfe verwendet um die Zukunft vorherzusagen, also offensichtlich Unfug, aber allein dadurch dass Millionen Menschen sich an die Prophezeiungen dieses Orakels halten werden sie real, weil die Menschen sie wahr machen. Das I Ging wird auf 3000 v. Chr. geschätzt, ist also 5000 Jahre alt und hatte damit Einfluss auf die Weltgeschichte. So war es auf diese Weise indirekt das Orakel das jenes Buch verfasst hat das im Deutschen Reich verboten ist weil es es die 'wahre' Geschichte erzählt, also dass das Deutsche Reich '45 kapitulieren musste und dass die Atombomben auf Japan fielen. Es war das Orakel weil der menschliche Autor es zu jedem Schritt befragte.
Die Wachowskis nannten Dick als eine wichtige Inspiration für die Matrix und dieses Orakel und der Autor sind Inspirationen für Morpheus und das Orakel und von ihm wurden ja unzählige andere Werke zu sehr bekannten Filmen - Minority Report, Total Recall, A Scanner Darkly, Screamers und weitere
Weit weniger abstrakt und philosophisch sind Blade Runner, Marsianischer Zeitsturz und Ubik, haben aber allesamt auch tiefgründige Elemente, etwa die Einswerdungsboxen und elektrischen Tiere aus Blade Runner, das Nachleben aus Ubik oder die Roboterlehrer aus Marsianischer Zeitsturz.
Dick schrieb ja in den '50ern und '60ern, also einer Zeit in der man noch davon ausging dass bald der erste Mensch den Mars erreichen wird und dass dort eine - womöglich sogar atembare - Atmosphäre existiert und womöglich Fauna und Flora, jedenfalls dass man dort anbauen könne. Die Marskanäle wurden noch diskutiert und von wem/was sie geschaffen wurden. Dicks Werke spielen meist in den '90ern, wie auch Blade Runner, und dann sei der Mars bereits fortgeschritten kolonisiert, und auch die technologischen Visionen sind teils überholt und altbacken, aber das zeigt ja sehr gut wie Science Fiction altert. In Zukunft werden unsere aktuellen Zukunftsvisionen genauso als daneben herausstellen, und das waren damals auch die wissenschaftlichen Prognosen, die NASA hatte die Marsmission bereits gründlich geplant, die Astronauten sollten im Erdorbit ihre Shuttles zusammenbauen, die Reise zum Mars dauert ein paar Monate, dort sollten die Shuttles zu Ballons aufgeblasen werden und absteigen. Dazu wäre eine Atmosphäre nötig, und für die Versorgung war angedacht am Mars anzubauen.
Auch der ORF hatte '69 schon mit ganzer Überzeugung ausgestrahlt '... erst wenn die NASA zum Countdown für den ersten bemannten Marsflug ansetzen wird...'[wird die erste Wiener Ubahnstation eröffnet]. (
yt)
Unsere heutigen Vorstellungen werden sich als ebenso daneben heraustellen.
Nun bin ich bei diesen hier:
Fahrenheit 451 hab ich nun schon fertig, Bradbury schrieb das 1950 als Kurzgeschichte, Essay, 'Der Feuerwehrmann', und so konnte das keiner verlegen. 1953 bot ein Verlag an es rauszubringen wenn er es auf Romanlänge aufstreckt. Leider ist es deshalb voll von unnötig schwulstigen und krampfhaften poetischen Ausformungen die es stellenweise etwas zäh machen können aber die Geschichte an sich ist dennoch eine sehr denkwürdige.
Bücher sind verboten und werden verbrannt, dazu dient nunmehr die Feuerwehr, auf Englisch - fire brigade - macht das auch mehr Sinn. Die historischen Persönlichkeiten aus den Büchern seien allesamt frei erfunden, Benjamin Franklin sei in Wirklichkeit der erste Feuerwehrmann gewesen, die Bücher seien allesamt widersprüchlich und würden eine Babylonische Sprachverwirrung erzeugen, auf Bücher sei kein Verlass denn jeder andere kann sie ebenso lesen.
Zuhause haben sich viele Fernsehwände einrichtigen lassen und können selbst Rollen im Spielfilm übernehmen, das hat mich an David Lynch erinnert.
Das Buch birgt auf jeden Fall einige Denkanstöße.
Gerade bin ich bei 1984, exzellentes Buch, die beste Dystopie die ich bisher kenne, aber Schöne Neue Welt/Brave New World habe ich ja noch vor mir.
"Die Aufspaltung der Welt in drei große Superstaaten war ein Ereignis, das bereits vor der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts vorhersehbar war und auch tatsächlich vorhergesehen werden konnte.
[...]
In der einen oder anderen Kombination befinden sich diese drei Superstaaten ständig im Krieg, und das seit fünfundzwanzig Jahren. [...] Es ist eine Kriegsführung mit begrenzten Zielen zwischen Opponenten, die nicht in der Lage sind einander zu vernichten, die keinen materiellen Kriegsgrund haben und die nicht durch einen echten ideologischen Unterschied gespalten sind.
[...]
Keiner der drei Superstaaten könnte, auch nicht durch einen Zusammenschluss der beiden anderen, endgültig besiegt werden.
[...]
Das vorrangige Ziel der modernen Kriegsführung besteht darin, die maschinellen Erzeugnisse aufzubrauchen, ohne den allgemeinen Lebensstandard zu erhöhen." (1984)
Der permanente Kriegszustand wird Aufrecht erhalten um zu gewährleisten, dass die Bevölkerung nicht in Frieden und Wohlstand gedeiht und sich emanzipiert, von der Herrschaft befreit. Menschen, die den ganzen Tag arbeiten müssen haben keine Zeit und Kraft um politisch aktiv zu werden. Menschen, die wahrlich frei sind werden sich persönlich entfalten und ihren wahren Interessen nachgehen, und sich mit ihrem politischen Umfeld befassen weil sie Zeit haben und es können. Seit 150 Jahren wird gepredigt die Maschinen und der Fortschritt würden dem Menschen die Arbeit abehmen, Wohlstand für alle, nach Orwell haben das aufstrebende Kräfte Mitte des 20. JH erkannt und darum werden künstlich Nöte und Bedürfnisse erzeugt damit die Menschen weiter arbeiten müssen, kritische Nöte wie die fingierte Bedrohung durch Muslime/Terror, Russland, China, Korea, Finanzkrisen, Pandemien etc. werden als 'übermenschlich' große Bedrohung dargestellt, so dass der Einzelne gar nichts dagegen tun könne. Dabei wird der Konsument gleichzeitig gestreichelt: 'wir' hier im Westen seien die wohlhabensten, fortschrittlichsten und liberalsten. Die Armut wäre weit weg in Afrika, die undemokratischen Regimes weit weg in Russland, in China oder vor langer Zeit, aber nicht hier bei uns.
Danach werde ich mich Stanislaw Lem zuwenden, ein weiterer Autor mit weitreichenden Einfluss auf Science Fiction. Sein Werk Solaris wurde bisher drei Mal verfilmt, Der futurologische Kongress erst vor wenigen Jahren als The Congress, der zwar weit von der Vorlage abschweift aber dennoch sehr zu empfehlen ist, obwohl er sehr lang und so vollgepackt mit Handlung ist, dass es teils schwer zu folgen ist.
Sein Werk Der Unbesiegbare/The Invincible wird gerade unter 11bit Studios (Frostpunk) zu einem Spiel
The Invincible umgesetzt.