An Afghanistan sind schon viele (eigentlich alle die versucht haben das Land zu erobern) gescheitert. Mich erinnert das ganze frappierend an den Versuch Russlands von 1979-1989, an die Vietnam-Kriege von Frankreich und USA, desgleichen an Korea was ebenfalls Frankreich und USA betrifft. Auch was in Kabul auf dem Flughafen abläuft zeigt drastische Parallelen zu Saigon 1975.
Große Weltmächte sind hier krachend an diesen Nationen gescheitert, die ihren Gegnern nominell wie auch technisch massiv unterlegen waren. Aber da sieht man auch einmal, daß das manchmal gar nicht unbedingt etwas zählt.
Aber sie hatten a) den Willen, b) kennen sie ihr Land wie kein anderer und haben clever jede Möglichkeiten genutzt, die denen zur Verfügung standen um ihren Nachteil irgendwie zu kompensieren.
Vietnam: Ho-Chi Minh Pfad durch den Dschungel als Nachschub, unterirdische Ganganlagen, in den größeren Städten die Bevölkerung als Informationsquellen.
Afghanistan: Die verwinkelten Berge in denen die Gegner durch die schmalen Pfade ihren Vorteil der Übermacht verloren haben (ähnlich wie bei den Spartanern bei den Thermopylen wo sie die Übermacht der Perser zumindestens sehr lange aufgehalten haben und denen schwerste Verluste zugefügt hatten. Trotz massiver Unterlegenheit.
Es ist in allen Fällen die Selbstüberschätzung der westlichen Welt und der Russen gewesen, die dafür gesorgt hat, daß man trotz der früheren Geschichten auch der damaligen "Klassenfeinde" selbst bis heute nicht dazugelernt hat.
Egal ob nun aus Korea wie Vietnam (mehrmals USA wie auch Frankreich zu vor) oder Russland bezüglich Afghanistan und jetzt sogar die NATO mit mehreren, im Prinzip schon einzeln überlegenen Nationen und mit einem gemeinsamen Militärbudget wozu im Vergleich das Budget der Taliban wie Taschengeld anmutet.
Daß da alles Geld nichts genutzt hat, alle technologische Überlegenheit und auch nominell größere Truppenstärke hat man hier wieder mal eindrucksvoll gesehen.
Die haben es trotz aller vorherigen Ereignisse immer noch nicht begriffen, daß das alles nichts zählt, wenn der Gegner ein entsprechender ist. Auch wenn der eigentlich unterlegen ist. Aber die Rebellen- und Guerillataktiken die schon die o.g. Konflikte zu vor deutlich ausgezeichnet haben sind immer noch erfolgreich.
Egal ob man eine x-fache Übermacht hat, mehr Budget, modernere Waffen. In den Bergregionen Afghanistans zählt das genauso wenig wie im Dschungel von Vietnam. Die Taliban kennen dort jede Ecke, jeden Stein, sie haben entsprechende Taktiken und in den Gegenden verpufft die militärische Übermacht und die militärische Cleverness zählt da.
Hinzu kommt auch, daß die Taliban eiskalt Zivilbevölkerung als Schutzschild nehmen und daß (so denke ich auch) unter den "Mitarbeitern der Nato" aus dem Land nicht wenige waren, die sich der NATO nicht aus Überzeugung angeschlossen haben sondern aus puren Opportunismus, nicht dahinter gestanden haben. Vielleicht sogar einige darunter waren, die verdeckt für den Gegner gearbeitet haben (Informationen weitergegeben o.ä.)
Und wie schnell die aufgebaute Armee Afghanistans in sich zusammengebrochen ist (trotz 20 Jahren Ausbildung, Ausrüstung durch die NATO usw.) nachdem der Rückzug der NATO bekannt war ist schon frappierend. Da kann es dann auch nicht so weit her gewesen sein mit dem Willen gegen die Taliban zu sein. Bzw. haben sie wohl erkannt, daß sie bei den Taliban quasi gegen Windmühlen kämpfen und keine Chancen haben.
Was unter dem Strich schlimm ist, daß die Soldaten die während der 20 Jahre Afghanistan-Einsatz der NATO dort für das Land gefallen sind (egal ob nun Deutsche, Briten, Amerikaner) das für umsonst getan haben. Am Ende ohne jeglichen Effekt. Und das ist das bittere und traurige. Und wieviele Soldaten leiden aufgrund der Einsätze an PTB und das für nichts und wieder nichts.
Und wenn man jetzt sich noch vor Augen führt, daß die Taliban quasi auf dem ursprünglichen Mist der Amerikaner gewachsen sind, die zu Zeiten der russischen Besatzung Afghanistans diese quasi erst aufgebaut und gestärkt haben.
Und letzten Endes war die westliche Welt an dem Pulverfaß Naher Osten selbst dran schuld als die Allierten (insbesondere die USA, die Briten und Frankreich) 1919 nach Ende des 1. WK im Rahmen des Versailler Vertrages in gröbster Anmaßung und aus Machtkalkül und eigenen Machtbestrebungen heraus einfach gerade Grenzen quer durch die Länder gezogen haben ohne jegliche Rücksicht auf die dortige Bevölkerung und deren Nationalitäten, Befindlichkeiten. Und ohne jegliche Weitsicht auf die Zukunft (was auch für die Behandlung der Verlierer wie Deutschland galt).
Aber das Pulverfaß Naher Osten was heute immer noch ein Problem ist und sich aktuell wieder verschärft wurde damals vor 100 Jahren geschaffen. An diesen Folgen haben wir heute zu tragen.
Das Problem was ich auch sehe ist, daß es schlichtweg Anmaßung ist anzunehmen, daß wir als westliche Welt ausgesucht worden sind, den Nationen unsere Werte und unsere Weltkultur auf die Nase zu drücken. Mit welchem Recht zwingen wir den Nationen unser Weltbild und unsere Werte auf ? Die diese (von Ausnahmen vielleicht mal abgesehen) aber unter dem Strich von der Mehrheit gar nicht gewollt ist ? Sonst würden die sich doch dafür aktiv einsetzen ?
Wir maßen uns an, daß unsere Weltsicht für alle auf der Welt gelten muß und soll. Egal ob es denen paßt oder nicht. Das ist schlichtweg Selbstüberschätzung und Anmaßung.