Boesor am 27.01.2009 14:52 schrieb:
archwizard80 am 27.01.2009 14:47 schrieb:
Das mit der Verjährung kann auch an Arbeitsüberlastung liegen. Die Politik streicht ja ständig Richterstellen und ruft gleichzeitig nach effektiverer und schnellerer Rechtsprechung.
Ich denke auch, vergleichbare Fehler passieren in allen Unternehmen und Behörden tagtäglich, nur haben sie eben selten derartige Auswirkungen und werden selten von medien wahrgenommen.
Laut Financial Times Deutschland waren sich Steuerfahndung und Strafverfolger im Klaren darüber, dass die Vorgänge des Jahres 2001 bald verjähren könnten. Sie seien aber davon ausgegangen, dass dieses Verjährungsdatum erst am 2. Februar 2008 sei. Das für den Fall zuständige Gericht beschied ihnen dann, dass die Verjährung bereits 30. Januar 2008 eintrete.
Thomas Exner hat in DIE WELT (ja, ich lese ua eine Zeitung aus dem Spinger-Verlag) heute ein paar Zeilen geschrieben, die meine Meinung zu dem Thema weitgehend wiederspiegelt:
Auch wenn in der Öffentlichkeit die Stimmen überwiegen werden, die den ehemaligen Post-Chef Klaus Zumwinkel gern hinter Gittern gesehen hätten: Das Urteil der Bochumer Richter ist ein gutes. Es stellt unmissverständlich klar, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt ist. Gleichzeitig vermeidet es aber auch jeden Anschein, dem zeitweise im Land herrschenden Klima der Verachtung gegen Zumwinkel als Symbolfigur einer vermeintlich egozentrischen und maßlosen Managerkaste erlegen zu sein. Die Richter haben Zumwinkel als Menschen beurteilt, der schwer gefehlt, aber auch Reue gezeigt hat - mehr kann Rechtsprechung nicht leisten.
Für sein persönliches Versagen muss Zumwinkel zahlen. Insgesamt 4,9 Millionen Euro an Steuernachzahlungen und Strafe sind auch für den ehemaligen Vorstand eines Dax-Konzerns eine durchaus spürbare Summe. Die schlimmere Strafe hat Zumwinkel ohnehin schon außerhalb des Gerichtssaals erhalten: Wer wie er fast ausschließlich für seine Karriere lebte und dann am Ende des Berufslebens plötzlich im gesellschaftlichen Abseits steht, hat fast alles verloren - auch wenn er nicht um seine materielle Existenz fürchten muss.
Wer trotzdem klagt, dass in diesem Land die Kleinen gehängt, die Großen aber laufen gelassen werden, der verkennt nicht nur die Bürde des Stigmas, mit dem Zumwinkel nun leben muss. Er leugnet schlicht auch die gesellschaftliche Realität, in der Schummeleien bei der Steuererklärung und Schwarzarbeit längst ein Massenphänomen sind. Der Ruf danach, ein Exempel zu statuieren, erhält da leicht Züge von Pharisäertum.
All dies entschuldigt keinesfalls Zumwinkels Fehlverhalten, sich über geltendes Recht hinweggesetzt zu haben. Es lässt aber die Frage zu, ob wir uns ein von vielen als ungerecht empfundenes Steuersystem leisten können und wollen. Solange die Politik sich einer nachhaltigen Diskussion über die Grenzen der Belastbarkeit der Bürger entzieht, legt sie die Saat dafür, dass es viel zu viele Zumwinkels in diesem Land gibt.
Mir sind die genauen Zahlen immer noch unklar. In dem Text jetzt zB die 4,9 Millionen Euro. Wenn ich es richtig verstanden habe, muss er doch eine Million Euro Strafe und 970.000 Euro Steuernachzahlungen zahlen. Weitere vier Millionen wurden gezahlt, damit der Haftbefehl gegen ihn außer Kraft tritt.
Hat jemand dazu genauere Daten?
Die zweijährige Haftstrafe auf Bewährung hätte noch deutlich höher ausfallen können, 5 Jahre wären das Höchstmaß gewesen. Der Richter geht aber davon aus, dass Zumwinkel nicht aus taktischen Gründen gestanden hat, sondern die tat wirklich bereue.
In meinen Augen hingegen hat Zumwinkel alle Feinheiten unseres Rechtssystems ausgenutzt, was ich ihm aber nicht vorwerfen will.
Um mal ein Beispiel zu bringen, dass nicht immer nur die ganz großen Fische sich aus Verfahren rausmogeln (ob Zumwinkel dies nun gemacht hat oder nicht, lasse ich mal dahingestellt): In Aurich hat ein Richter Akten seiner Ehefrau, einer Staatsanwältin, um damit von einem Emder Unternehmen Geld zu erpressen. Auch hier wurde (unter Protest der Presse und Öffentlichkeit) hinter verschlossenen Türen ein Deal ausgehandelt. Der Richter wurde zu 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt, hätte aber sein Amt als Richter, also als rechtsprechende Person, weiter bekleiden dürfen. Er ist jetzt freiwillig zurückgetreten.
Unser Rechtssystem ist an vielen Stellen durchlässig, im Fall Zumwinkel wurde es nur an die große Glocke gehängt.
Man kann es positiv sehen, dass sein Image dadurch noch zusätzlichen Schaden genommen hat.