Sabrina und ich sahen uns eine lustige Dokumentation über zwei seltsame Typen an. Einer der beiden, ein pausenlos Unsinn schwafelnder junger Mann mit langen blonden Haaren, rief gerade "Ich bin der Clit-Commander!", als Sabrina anfing zu zittern und eine Gänsehaut bekam. Sanft äußerte ich meine Besorgnis: "Ist was?" "Ach nichts." "Sag schon." "Nein." "Ich habe Zeit." "Das willst du gar nicht wissen." "Doch." "Nein." "Doch." "Sicher?" "Ja." "Wirklich?" "Glaube schon." "Na gut." Sie setzte sich aufrecht hin. "Ich habe morgen einen Termin beim Frauenarzt." "Und?" "Warst du schonmal da?" "Äh, nein", sagte ich und grinste. "Hör auf, so dämlich zu grinsen", sagte sie sauer. "Würdest du dich gern mit weit gespreizten Beinen auf diesen Stuhl setzen und dir da rumfingern lassen?" Ich verwarf naheliegende Antworten wie "Na klar" oder "Von dir schon" und sagte statt dessen "Nein".
Sabrina lehnte sich zurück. "Dachte ich mir. Und genau das muß ich morgen über mich ergehen lassen. Ich hasse es, wenn dieser Kerl mit seinem weißen Kittel mich da unten begrabscht." "Keine Doktorspiele", notierte ich im Geiste. Laut sagte ich: "Kann ich irgendetwas tun, damit du dich besser fühlst?" "Vielleicht." "Was denn?" "Das würdest du doch nicht tun." "Doch." "Nein." "Doch". Ich gähnte verhalten. Der Dialog kam mir irgendwie bekannt vor. "Also was?" Sabrina setzte ihr liebstes Lächeln auf, von dem sie wußte, daß ich nicht widerstehen konnte. "Würdest du mich zum Arzt begleiten?" Ich schluckte. "Dir ist schon aufgefallen, daß ich keine Frau bin, oder?" "Du mußt dich nur mit mir ins Wartezimmer setzen", sagte sie. "Ich glaube nicht, daß Dr. Müller dich bei der Behandlung zugucken läßt."
Im Wartezimmer des Gynäkologen setzten wir uns auf zwei nebeneinanderstehende Stühle. Sabrina packte meine Hand und erweckte den Eindruck, sie nie wieder loslassen zu wollen. Ich sah mich ein wenig in dem Raum um. Uns gegenüber saß ein etwa 13jähriges Mädchen mit seiner Mutter. Das Mädchen sah sehr nervös aus; vermutlich war es zum ersten Mal hier. Sie sah mich erstaunt an. "Was machen Sie denn hier?" "Ich will mich umoperieren lassen. Innerlich fühle ich mich als Frau", erzählte ich dem Mädchen und grinste. Sabrina schlug mir ihren Ellenbogen zwischen die Rippen.
Die Tür zum Behandlungszimmer öffnete sich und eine hübsche Krankenschwester steckte den Kopf heraus. "Frau Schmidt bitte!" Eine ältere Dame erhob sich schwerfällig, schüttelte ein paar Krümel von ihrem Hausfrauenkittel und setzte ihre geschätzten 150 Kilo in Bewegung. Durch die offene Tür konnte ich den Arzt sehen, einen Mann um die 40, der die Lippen zusammenkniff, als er Frau Schmidt erblickte. Selbst ein Beruf wie Frauenarzt hat wohl seine Schattenseiten. Nun ja, der arme Mann würde sich an die Vorzüge seines Berufes erinnern, wenn Sabrina an der Reihe war. Vorläufig versuchte er, Frau Schmidt mit belanglosem Gerede zu langweilen. "Sie haben ziemlich abgenommen, Gnädigste", sagte er. "Ja. Hunderte von Kilos!" Mehr konnte ich nicht hören, da die hübsche Schwester die Tür schloß. "Wie fett war die vorher?", fragte mich Sabrina leise und kicherte. Ich antwortete nicht, weil ich vollauf damit beschäftigt war, mein Frühstück bei mir zu behalten.
Wir saßen eine halbe Stunde herum und warteten. Endlich wälzte sich Frau Schmidt breitbeinig durch die Tür, ging zur Garderobe und nahm ihren Mantel. Die Krankenschwester kam hinterher, sah mich an und sagte: "Herr Schneider bitte!" Ich erschrak und sah mich panisch um. Vor dem Ausgang stand noch Frau Schmidt und zwängte sich in ihren Mantel; dieser Fluchtweg war also versperrt. Da war ein Fenster! Wir waren zwar im dritten Stock, aber es schien mir das Risiko wert zu sein. Gerade wollte ich zum Sprung ansetzen, als ich die Schwester lachen hörte. Wenn die noch mehr solche rüden Scherze auf Lager hatten, war es das letzte Mal, daß ich zu diesem Frauenarzt ging!
Sabrina wurde hineingerufen. Dr. Müller versuchte die Situation etwas aufzuheitern, indem er frauenfeindliche Witze erzählte. "Was ist passiert, wenn eine Frau im Spagat in der Küche sitzt und nicht mehr hochkommt? Ganz einfach, sie..." Mehr konnte ich nicht hören, weil er die Tür schloß. Schade. Vielleicht erzählt mir Sabrina später, wie der Witz ausging.
Ich blieb im Wartezimmer sitzen. Ziemlich fad hier. Meine Gedanken schweiften in die Ferne. Was wohl Harry gerade machte? Bastelte er wieder eine Bombe, um Helga umzubringen? Versuchte Hammerhai wieder, seinem langweiligen Leben mittels einem Sprung aus dem Goldfischglas ein Ende zu bereiten? Meine Gedankengänge wurden jäh unterbrochen, als ich Sabrinas im Behandlungszimmer schreien hörte: "Ist das ihre ganze Faust, Herr Doktor?" Das 13jährige Mädchen zuckte erschrocken zusammen, während seine Mutter wissend lächelte. Unverständliches Gemurmel seitens des Doktors folgte, danach wieder eine Viertelstunde Stille.
Endlich kam Sabrina durch die Tür. Sie sah geschafft aus, als sie meine Hand nahm und wir zusammen zum Ausgang marschierten. Ich warf einen Blick zurück auf Dr. Müller. Der zwinkerte und grinste, bevor er wieder in seinem Zimmerchen verschwand. Ein seltsamer Mann. Ich fragte Sabrina: "Wie ging der Witz aus?" "Das sage ich nicht." "Komm schon." "Nein." "Doch." "Nein." Na gut, dann nicht."
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