AW: Wahlen in Österreich...
Streiter-Innos am 28.09.2008 17:57 schrieb:
Hatte zu dem thema noch keinen thread gefunden, bin aber der ansicht, dass die wahlausgangslage hier mal diskutiert werden sollte. Es ist natürlich erschreckend, dass rechtsgerichtete Parteien in Österreich so erstarken können, ich selber kann dies aber nich allzu gut kommentieren, da ich aus deutschland komme. ich würde mich also freuen, wenn hier ein österreicher vielleicht mal den wahlausgang und die gründe für das erstarken der rechtsgerichteten parteien kommentieren könnte.
Der Ausgang der Wahl in Österreich war von der Tendenz her erwartet. Sicher, die Watschn für die Regierung war etwas härter als erwartet und im Gegenzug hat vorallem das BZÖ überrascht, die FPÖ lag dort, wo sie auch die Umfragen gesehen haben, die Grünen haben erwartungsgemäß stagniert und die beiden Kleinstparteien sind nicht in den Nationalrat gekommen.
Den internationalen Medien kann man ja einen massiven Rechtsruck in Österreich entnehmen, das stimmt allerdings keineswegs. Wir (ich bin Österreicher) liegen schlimmstenfalls dort, wo wir auch schon im Jahr 2000 waren, vermutlich sogar etwas besser, wenn man rechts als schlecht ansieht.
Wie es (wieder) soweit kommen konnte, ist einfach, ich analysiere mal kurz für dich das Wahlergebnis:
Die
SPÖ ist erwartungsgemäß 1. geworden, hat dennoch ihr schlechtestes Ergebin in der 2. Republik eingefahren, aber die Spitzenposition verteidigt und sogar ausgebaut. Sollte der Bundespräsident traditionell handeln, wird Werne Faymann mit der Regierungsbildung beauftragt. Da der BP selbst ein Erzroter ist, dürfte das auch wirklich so sein.
Das Ergebnis selbst kann man als gut oder schlecht sehen. Vor rund 3 Monaten war die SPÖ in den Umfragen 10% hinter ÖVP, heute ist sie ein paar % davor (Ergebnis noch nicht sicher, später dazu mehr) - so gesehen hat sie ein gutes Ergebnis eingefahren, weil die Grundbedinnungen schlecht waren. Schlecht ist das Ergebnis natürlich insgesamt und ich führe das darauf zurück, dass die SPÖ zum 2. hintereinander einen Lügenwahlkampf geführt hat, indem sie absichtlich falsches behauptet hat. Es gibt aber nur eine beschränkte Anzahl an Menschen, die eine Partei wählen würden und die Anzahl der Vollidioten ist immer kleiner. Mit einem seriösen Wahlkampf wäre um einiges mehr drinnen gewesen.
Die
ÖVP ist der klare Wahlverlierer. Wie die SPÖ hat sie das schlechteste Ergebnis in der 2. Rep. eingefahren, zusätzlich noch die höchsten Verluste, sowohl in relativen als auch absoluten Zahlen. Als Grund dafür sehe ich 2 Ursachen. Der erste ist, dass sie nach einem guten Start in den Wahlkampf das Momentum sehr schnell an die SPÖ verloren hat und danach nie wieder Themen an sich reißen konnte. Der 2. Grund ist, dass die ÖVP das 2. hintereinander eigentlich gar keinen Wahlkampf geführt hat. Sicher, es gab Veranstaltungen, Plakate, Folder und alles sonstige, was dazu gehört, aber es haben die Themen gefehlt. Die anderen 4 Parlamentsparteien hatten wenigstens ein paar Themen, die sie mehr oder weniger sachlich vorgetragen haben. Bei der ÖVP stand auf den Plakaten "Molter hält Wort", "Molterer gibt Sicherheit", "wir haben [belangloses Zeug] umgesetz",...
Damit gewinnt man keine Wahl und als Regierungspartei schon gar nicht.
Die
FPÖ ist mit rund 18% dort, wo man sie zuletzt in den Umfragen gesehen hat und hat traditionell einen Ausländerwahlkampf geführt und wie immer soziale Themen angesprochen. Da die FPÖ eigentlich von allen Parteien ausgegrenzt wird, ist sie der ideale Kandidat für Protestwähler. Ein wesentlich Faktor ist, das HC Strache an den jungen Haider erinnert. Wie früher Haider, polarisiert er sehr stark und teilt die Menschen in 2 Lager, nämlich jene, die ihn für akzeptabel halten und eben jene, die das nicht tun. Eine 3. Fraktion mit Menschen, denen er völlig egal ist, gibt es nahezu nicht. Man mag ihn oder man haßt ihn. Ersteres bedeutet aber nicht, dass man ihn auch wählt.
Dazu muss man noch sagen, dass die FPÖ eine klare Rechtspartei ist, aber von Rechtsextrem meilenweit entfernt ist und in keinster Weise mit der NPD vergleichbar ist. Sicher ist aber auch, dass die FPÖ von allen Parteien am weitesten rechts steht und daher auch all jene Wähler bekommt, die tatsächlich rechtsradikal sind.
Das
BZÖ ist die eigentliche Überraschung der Wahl. Bei der letzten Wahl haben sie noch ums Überleben gekämpft, diesmal haben sie ein solides Ergebnis eingefahren und dürften 4. werden. Auch das BZÖ kann man als Rechtspartei definieren, es sieht aber so aus, als ob sie von der rechten Seite Richtung Mitte wandern wollen. Ob das tatsächlich passiert, wird man in ein paar Jahren wissen. Sie haben jedenfalls sehr stark Jörg Haider und seine Erfolge als Kärnter Landeshauptman thematisiert und auch Haider selbst hat (endlich) weitgehend seine Lausbubenmentalität abgelegt und versucht seriöser zu agieren, was ihm recht gut gelingt. Jedenfalls haben sie um die Hälfte mehr Stimmen bekommen als vorhergesagt und sind deswegen vermutlich als Wahlsieger neben der FPÖ zu sehen.
Die Grünen haben erwartungsgemäß stagniert, auch wenn es da ganz andere Hoffnungen gegeben hat, man hat mit 15% spekuliert und letztlich (bisher) nicht einmal 10% bekommen. Die Gründe dafür sind klar, es werden keine Themen angesprochen, die für die Leute wirklich wichtig sind und viele Menschen, die mit einzelnen Themen sehr viel anfangen können (z.B. dem Frauenthema), wählen schon eine andere Partei, weil sie dort bereits irgendwie integriert sind. Außerdem sehen sich die Grünen als letzte echte Bastion gegen die Rechten, was meiner Meinung nach auch stimmt, unglücklicherweise ziehen sie die Linksextremen an, wie die FPÖ die Rechtsextremen. Die Demos und Ausschreitungen durch linke Gruppierungen bei FPÖ-Wahlkampfveranstaltungen haben den Grünen nicht gut getan, auch wenn die Parteispitze das auch glaubwürdig in keinster Weise unterstützt.
LIF, Dinkhauser und KPÖ waren wie immer chancenlos. Echte Liberale haben wir in Österreich kaum, der Großteil der Menschen hat offenbar primär andere Ziele, die durch andere Parteien besser vertreten werden. Dinkhauser ist zwar durchaus ein Politprofi, steht aber ohne Organisation da und ist ein ÖVP-Ableger, der bei einer Landtagswahl der ÖVP ordentlich Stimmen nehmen konnte, der letztlich aber keine Inhalte hat, die man ihm umzusetzen zutrauen kann. Die KPÖ ist wie immer unter ferner liefen, wir leben einfach zu nah am ehem. Ostblock als dass man diese Ideologie wieder aufleben lassen will.
Alle 3 Parteien haben obendrein das Problem, dass ein Einzug ins Parlament eher unwahrscheinlich war und jede Stimme für diese Parteien eine vergeudete Stimme ist.
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Koaltionsmöglichkeiten gibt es theoretisch 7, 3 davon könnten vielleicht in Betracht gezogen werden, aber nur 2 sind auch wirklich wahrscheinlich. Es gibt auch die Möglichkeit, dass nochmal gewählt werden muss, weil keine Regierung zu Stande kommt. Das gabs zwar meines Wissens nach noch nie, ist aber nicht so unwahrscheinlich.
Werner Faymann (SPÖ) ist für mich der Verlierer der Wahl, nicht etwa weil er das schlechteste Ergebnis hätte, sondern weil er nun eine Regierung bilden muss. Da er FPÖ und BZÖ sowohl vor als auch nach der Wahl als Koalitionspartner ausgeschlossen hat und die Grünen nicht ausreichend Stimmen haben, kann er nur mit der ÖVP koalieren und hoffen, dass es dort eine Personalrochade und einen Postionswechel gibt. Seine politische Zukunft hängt also genau von jener Partei ab, die er 2x mit einem Lügenwahlkampf angesch****en hat. Nicht gerade die beste Voraussetzung. Im Prinzip kann die ÖVP als Megawahlverlierer verlangen was sie will und er muss es ihr geben oder in Opposition gehen oder eine Regierung bilden, die FPÖ oder BZÖ beinhalten. Da auch die SPÖ immer vor rechts warnt, wird ihr das langfristig nicht gut tun und das weiß sie auch.
Die andere Variante wäre eine ÖVP-Regierung, entweder mit BZÖ und Grünen oder mit BZÖ und FPÖ. Beides wäre schwierig, ist aber letztlich machbar, wenn die anderen Parteien nicht auf stur schalten. Da alle in die letztlich zumindest nach außen hin in die Regierung wollen, wobei ich mal persönlich behaupte, dass Strache (FPÖ) dies auf keinen Fall will.
Wie man sieht, hängt letztlich alles um unumstrittenen Wahlverlierer ÖVP ab und was dort passiert, kann momentan niemand sagen. An sich neigt die ÖVP nach großen Schlappen auf Bundesebene zu Personaldiskussionen, was der SPÖ in die Hände spielen würde, was aber so dermaßen offensichtlich ist, dass sich die ÖVP durchaus dagegen entscheiden könnte. Dazu kommen 2 weitere Probleme. Die Bundesspitze loszuwerden ist eine Sache, sie entsprechend nachzubesetzen aber eine ganz andere. Hauptkanditat dürfte für eine Molterernachfolge ist wohl der aktuelle Umweltminister Pröll, der auch starken Rückhalt in der Partei hat, es ist aber zu bezweifeln, dass mit dem wirklich einen Wahl zu gewinnen ist und die ÖVP will auf jeden Fall zulegen und auf keinen Fall am jetzigen Tiefpunkt bleiben.
Außerdem hat die ÖVP bei allen Wahlen nach einer großen Koalition verloren, da sie immer Juniorpartner war und wie so oft, kommt alles gute von der Kanzlerpartei (also der SPÖ) und wenn was nicht klappt, hats die ÖVP verbockt. Die Lust auf eine große Koalition dürfte also nicht allzu groß sein, ohne diese Lust gibt es aber keinen Grund für einen massiven Personalwechsel, da die ÖVP sowieso alle Trümpfe in der Hand hält, denn so wie es aussieht, ist beim derzeitigen Stimmenstand eine Regierung ohne ÖVP undenkbar.
Es fehlen aber noch über 586.000 Stimmen aus den ausgegebenen Wahlkarten, wovon man davon ausgeht, dass tatsächlich nur etwa 430.000 davon wirklich benutzt wurden - immerhin rund 8% Stimmen, die noch nicht berücksichtig wurden. Normalerweise schneiden sowohl die Grünen als auch die ÖVP hier besser ab und es könnten noch einzelen Mandate wandern.