AW: Nächster Kahlschlag gegen "Killerspiele" - 20.10.2006 23:15 Uhr ZDF
Hi bin neu hier... hab schon mal was dazu in einem anderen Forum gesagt und habe das schon ordentlich gekürzt damits nicht ganz so lang ist... aber ich möcht auch Euch kurz meine Meinung dazu sagen (wird aber vielleicht trotzdem ziemlich lang - tut mir leid)
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Beachtenswert an seinem Abschiedsbrief ist allerdings, daß kein Wort über Computerspiele fällt... als Gründe für seinen Hass gibt er (Sebastian Bosse - der Amokläufer) ausschließlich soziologische Probleme an. Dies wird natürlich von Herrn Wolfgang Bosbach (stellvertretender Unionsfraktionsvorsitzender - CDU) kaum erwähnt. Er gab just vor einer Stunde bei NTV zum besten, das Computerspiele natürlich verantwortlich seien; Beispiele hatte er zahlreich, so z.B. das es kein Argument sei, wenn man sagt Verbote seien wegen des Internets unnütz, da sich jeder der will, eines der "so genannten Killerspiele" aus dem Netz saugen könnte - das Verbot müsse trotzdem kommen. Oder auch: Ein kleiner Junge habe ein noch kleineres Mädchen "umgebracht" um zu "sehen ob sie so stirbt wie in der Videosequenz zu sehen war" (Anmerkung: Es ist unklar was er meint: Eine Spielhandlung oder eine Introsequenz; auch ließ Bosbach offen von welchem Vorfall und Spiel er genau sprach, so daß es für mich jetzt schwierig ist, diesesn Sachverhalt selbst auf argumentative Tauglichkeit zur Untermauerung seiner Ansicht abzuklopfen). Desweiteren zog er einen lockeren Zusammenhang zwischen der Beschaffung von "Killerspielen" im Internet und der Beschaffung von illegalen Waffen "im Bahnhofsviertel".
Das dies alles ad hoc Argumente sind, fällt kaum auf und wurde auch von der interviewenden Moderatorin der NTV Nachrichtensendung nicht weiter zur Disposition gestellt.
Jedenfalls sind es die alten Argumentationen die auch schon damals bei anderen Gelegenheiten nicht fruchteten. So z.B. setzt er mit dem ad hoc Argumentationsvergleich der illegalen Waffenbeschaffung Computerspiele (Killerspiele im speziellen) mit Schußwaffen gleich. Doch ist bitte zu bemerken, daß Spiele - so gewaltsam die Inhalte auch sein mögen - keine Schußwaffen sind und auch sonst keine Eigenheiten ansich haben, um einem anderen Menschen invasiv zu schaden (mit Ausnahme der relativ stumpfen Randkante der CD/DVD auf denen solche Spiele vertrieben werden - aber das ist Haarspalterei) - kurz: Spiele sind mit Waffen (insbesondere Kriegswaffen) nicht gleichzusetzen.
Was will Bosbach eigentlich?
- Genrelles Verbot von "Killerspielen" (er läßt offen wo die Grenze zu ziehen ist - "(...) in denen Menschen erschossen werden (...)" hatte er erwähnt, aber graphisch zusammenhängende Polygonfiguren sind keine Menschen und ich persönlich weigere mich, diesen irrealen Konstrukten ein Menschenrecht zuzugestehen... das tun wir nicht mal bei realen Primaten)
- Generelles Verbot der Produktion dieser "Killerspiele" (Undurchführbar, da weit mehr als 95% der "Killerspiele" im Ausland produziert werden. Daran zeigt sich auch das seine Argumentation ein purer Populismus zur Eigenprofilation in breiter Öffentlichkeit ist... dieses erstrebte Verbot ist Unfug)
- Harte Kontrolle des Internets, so daß als Folge keines dieser Spiele aus dem Internet geladen werden kann (da fällt mir nur ein Spruch ein: "Herr Bosbach - das Internet ist kein Wasserhahn - man kann es nicht ab und anstellen, wie es einem beliebt" - also auch dies: Undurchführbar und völliger Unsinn)
Ich möchte zu bedenken geben: Herr Bosbach fordert nicht nur eine Ausweitung des Jugenschutzes (Okay, schützen wir die Jugend; schützen wir unsere Kinder - da sind wir sicher alle auf Bosbachs Seite), er fordert ein generelles Verbot - für alle! Dies ist der Punkt an dem unsere Freiheit das was wir konsumieren wollen auch frei konsumieren zu können, eingeschränkt werden will. Ob wir das wirklich wollen und überhaupt über unsere erwachsenen Köpfe hinweg für uns entschieden werden darf ohne uns zu fragen, ist für Herrn Bosbach offenkundig irrelevant.
Nun, soviel jedenfalls zu dem was er als seine Motive vorgibt: All dies verhindern zu wollen, was aber allein dadurch nicht verhindert werden kann. Herr Bosbach ignoriert die deutlichen (!) Hinweise von Sebastian Bosse zu den wahren Gründen seines Amoklaufs in geradezu eklatant egoistischer Weise, denn dieses Echauvieren über die Computerspiele dient ihm nur zu einem Zweck: Die relativ unbekannte Person Wolfgang Bosbach in der ganzen Republik zum richtigen Zeitpunkt außerordentlich bekannt zu machen. Mir persönlich war dieser Mann bis gestern jedenfalls noch kein Begriff - das hat er effektvoll verändert.
Dieses Vorgehen - das Ausnutzen einer schockierend, schrecklichen Tat zum Zwecke der politisch nützlichen Selbstdarstellung in den Medien - erachte ich als verwerflich und im Hohen Maße unmoralisch, denn Herr Bosbach setzt sich nur am Rande mit den soziologischen Problemen - die sogar von Experten (Soziologen, Psychologen, Pädagogen) ganz klar als die Hauptauslöser favorisiert werden - des Sebastian Bosse auseinander... ignoriert sie also größtenteils sehr gezielt um die hitzige Debatte über die "Killerspiele" für sich auszunutzen. Die Gunst der Stunde muß schließlich genutzt werden.
Nun, was wird passieren? Bosbach wird zu aller erst Gleichgesinnte der eigenen Partei (CDU) um sich scharen - danach wird er dann versuchen den Koalitionspartner auf gleiche Linie zu bringen (SPD) - ein Gesetzesentwurf wird eingereicht. Dieser muß auf wissenschaftliche Tauglichkeit geprüft werden. Während er im Sinne des Jugenschutzes gute Chancen hätte, ein Verbot durchzusetzen (das aber nicht für erwachsene gelten würde; was ihm ja nicht reicht) muß er allerdings den 55 Millionen Erwachsenen der Bundesrepublik Deutschland erstmal nachweisen, daß sie zwangsläufig zu Killern werden, wenn sie die angeprangerten Gewaltspiele spielen. Und genau das ist unmöglich - undurchfühbar und eine infame Unterstellung die er hier implizit aufstellt, um eben dies zu erreichen (aber gerade deswegen nicht erreichen kann). Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet ist die Beeinflussung von erwachsenen Personen im Bezug zu "Killerspielen" schlicht bei Null. Hier wird ihm kein ernsthafter Soziologe zustimmen wollen - aber gerade diese braucht er als Gutachter um seine Verbotsforderung für den Bund auf stabile Beine zu stellen. Unmöglich.
Herr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Wolfgang Bosbach kann zwar im Moment noch vorgeben, mit seiner gespielten Führungsstärke ein Verbot erwirken zu können; wird sich aber alsbald der Realität faktischer Tatsachen stellen und einsehen müssen, daß dies chancenlos ist.
Exakt DAS weiß Herr Bosbach sicher selbst... aber das hat ja nichts mit dem Prinzip der öffentlichen Profilierung zu tun - alles was er dafür tun muß, um jetzt zu Punkten, ist einfach nicht über die Chancenlosigkeit seines Vorhabens zu reden, denn wer obiges nicht weiß, kann nicht wissen, daß dies nicht viel mehr als heisse Luft ist. Und so wirkt er nun stark und erhaben - einer der weiß in welche Richtung das Volk zu gehen hat - ob es will oder nicht: Er wird uns den sicheren Frieden bringen...
... eine Pharse wie sie Edmund Stoiber sowie auch Otto Schily damals in Erfurt auf ekelerregendste Art und Weise schon vor der Gutenbergschule zelebrierten - und daran scheitern mußten. Bosbach wird ebenso scheitern; ich denke da muß man sich keine Sorgen machen. Stärke mag er spielen können, aber die Macht unsere Freiheiten zu beschneiden wie es ihm passt, hat er nicht, denn wie heißt es doch noch gleich?:...
... Wir sind das Volk! Und Millionen von diesem Volk spielen diese "Killerspiele"; sind damit auch schon die Negation seiner eklatanten voraussetzenden Behauptungen; und diese Millionen sind "normal" - sie sind keine "Amokläufer"... wer braucht noch Studien, wenn dies doch schon seit einem Jahrzehnt als unerschütterliche, selbsterprobte Tatsache millionenfach bewiesen wurde?
An der Wahlurne jedenfalls - Herr Bosbach - reden wir nochmal darüber!
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Just my two Cents
Greetz
Daniel