ruyven_macaran am 17.05.2009 21:31 schrieb:
kann vielleicht noch jemand ne kritik abgeben, wie der film als film funktioniert?
ich würd mich ja prinzipiell drauf einlassen und die potentielle begleitung hat 0 ahnung von den bisherigen filmen - in sofern stört der reboot erstmal nicht, solange er was taugt.
wenn hier aber leute von flachen characteren, osteuropäischem akzent als humorelement und millisekunden-schnitten sprechen, dann hört sich das nicht danach an...
Als 08/15 SciFi Film funktioniert er hervorragend.
Als Star Trek Film, der sich auf die Geschichte eines ganzen Universums stützt, sehen wir hier eine mittlere Katastrophe.
Hab keinen Bock, das jetzt alles zu spoilern, also:
SPOILERALARM!
1. Was will der Film sein? Als was wird er beworben?
Als Prequel.
Er erzählt die Geschichte, wie die Besatzung der legendären Enterprise sich an der Akademie zusammengefunden hat und wie es dazu kam, daß sie an Bord der Enterprise auf ihre legendäre Mission (TOS) geschickt wurden.
- nicht.
Wir befinden uns seit Kirks Geburt in einer alternativen Zeit und somit ist die Geschichte verändert - Scotty kommt nur auf die Enterprise, weil der junge Spock Kirk "zufällig" auf denselben Planeten wie der alten Spock aussetzen läßt, der dort auch "zufällig" einen Fußmarsch weiter in einer Höhle haust, "zufällig" einen weiteren Fußmarsch von Scotty entfernt ...
... das heißt: die Frage, wie Scotty ursprünglich an Bord der Enterprise kam, wird überhaupt nicht beantwortet und die erzählte Geschichte ist doch
ein wenig zu sehr mit Zufällen gewürzt.
Ebensowenig wird die Frage beantwortet, wie Kirk denn zu seiner Position als Captain kam, denn ohne die Zerstörung von Vulkan würde Spock sich anders verhalten; ohne den Angriff auf die Enterprise hätte Pine keinen Grund von Bord zu gehen, wodurch Kirk seinen Platz in einer Krisensituation besetzen und sich dadurch das nötige Ansehen erarbeiten konnte; ohne den Angriff auf Kirks Geburtsschiff hätte er sich nicht mal die Mühe gemacht, sich bis zur Brücke durchzuschlagen und dort seine Warnung auszusprechen, denn es gab ja in der ursprünglichen Zeit nichts, wovor zu warnen gewesen wäre.
Und dazu kommt noch, daß Kirk in der neuen Zeitlinie ohne Vater aufwächst, was sicherlich einen enormen Einfluß auf Kirks Charakterentwicklung haben dürfte.
=> mindestens bei den Figuren Scotty und Kirk wird die Frage: "Wie kamen sie zu ihrer Position auf der Enterprise?" NICHT beantwortet.
Außerdem ist mir völlig unverständlich, wieso bei allen Darstellern der Jungcharaktere auf ähnliche Gesichtszüge geachtet wurde, aber Checkov total anders aussieht ...
2. Kobayashi Maru
Trekkies wissen aus Star Trek 2, daß Kirk bei dem Test mogelt und ihn dadurch "besteht".
Wenn man allerdings den Test derart durchzieht, wie Kirk das in der neuen Zeitlinie macht,
bringt das Ganze Mogeln nix, denn die Absicht beim Mogeln ist ja eigentlich, daß man damit durchkommt.
Dazu müßte Kirk sich aber ganz anders verhalten.
Außerdem ist das bloße Senken der Schilde des Gegners in meinen Augen nicht wirklich "originelles Denken" ...
3. Spock und das Thema "lerne menschlich zu werden"
Spock ist DER Archetyp dieses Subthemas, das in zig Charakteren durch die Star Trek Serien wiederholt thematisiert wird - ua. als Data, 7 of Nine und dem Holodoktor:
Ein Charakter, der durch seine Kultur, seine Herkunft oder Geschichte den Gegenpol zu der (meist betont) menschlichen Führungsperson darstellt und daduch verschiedene Aspekte der Menschlichkeit thematisiert, die aus dem reinen menschlichen Blickwinkel heraus so nicht möglich wären.
Und dieser Charakter, dessen innerer Kampf zwischen Logik und Menschlichkeit DER Hauptaspekt seiner Figur ist, hat sich nun innerhalb eines halben Filmes mal eben zu einer Liebesbeziehung entschieden - etwas, was er innerhalb der folgenden 5 Jahre der TOS Zeitlinie nur 1 oder 2 mal geschafft hat - und dann auch nur durch Fremdeinwirkung?
Ist der logische Spock jetzt tot?
Wie sollen dann die zwei wesentlichen Beraterpositionen der TOS (Menschlichkeit vs. Logik) in den folgenden Filmen thematisiert werden?
4. Fernsehgeschichte: (Quelle: WIkipedia)
"Star Trek zeigte auch den ersten Kuss im Fernsehen zwischen einem weißen Mann und einer schwarzen Frau in den Vereinigten Staaten, jedoch verdeckt ein Kopf im letzten Moment die Sicht auf den Kuss – was damals bei Film- und Fernsehküssen üblich war. Viele US-Bundesstaaten verboten damals eine Ausstrahlung dieser Folge."
Dadurch, daß jetzt Spock Uhura früher in der jetzigen Zeitlinie küßt, wird streng genommen jener Fernsehhistorische Moment entwertet.
5. Das Zeitschiff "Relativity" (VOY 5x24) ist unterwegs, um die Auswirkungen von Zeitreisen zu eliminieren.
Irgendwie scheint ihnen dieser Auftrag durch die Lappen gegangen zu sein ... oder der Vulkan war nicht wichtig genug, gerettet zu werden ...
6. Reboot
Hurra, Planetenkiller Nr.X, Zeitreise Nr.Y, Lore-Ignore Nr.Z. Checkov hat auf einmal Locken und Spock hat Kirk als Frauenheld auf den 2. Platz verwiesen. Aber dafür hatte Kirk eindeutig die dicksten Hände (wtf sollte das eigentlich?). Die Enterprise hat derweil plötzlich neonblaue meterbreite Bildschirmen, während die TOS Brücke deutlich farbiger ist und aus wesentlich kleineren Bildschirmen besteht.
Das, was er für Trekkies sein will - ein Prequel - schafft der Film nicht, die Überleitung auf die neue Zeitlinie ist zu ruckelig und ignoriert zuviele Einzelheiten (zB daß Kirk erst auf enderen Schiffen gedient hat, bevor er an Bord der Enterprise kam - selbst aus den für die Story belanglosen romulanischen Kreuzern des kobayashi maru Tests hat man Warbirds gemacht - warum?) und ändert an Kernelementen der Geschichte zuviel, um einen Trekkie volkommen zu überzeugen.
Das einzige Potential, was ich in dem Neustart sehe, ist die Möglichkeit, Geschichten aus der TOS komplett anders zu erzählen - zB könnte das Schiff von Khan von jemand anders entdeckt worden sein und Khan hat sich auf irgendeinem Planeten niedergelassen und die Enterprise sieht sich einem ganzen Regime "genetischer Supermänner" gegenüber.
Allerdings steht und fällt der nächste Teil für den Trekkie mit der Überzeugungskraft und dem Zusammenspiel des Kerntrios Kirk, Spock und McCoy, die in der klassischen TOS durch ihr Zusammenwirken aus Logik, menschlicher Moral und Draufgängertum überzeugten...