Gönnen wir uns doch mal den Spaß. Sagen wir einfach mal du (oder meinetwegen Worrel, denn ich denke der könnte das besser wegstecken) trägst nen Kuchen durch die Gegend, passt nicht auf und rennst volle Kanne in mich rein. Verärgert drehe ich mich zur dir um frage dich was du dir bei so einer Scheiße denkst. Inwiefern bin ich in so einer Situation weniger anonym als jetzt im Internet wo ich hinter meinem freundlichen Pseudonym sitze und ganz sanft auf deiner Meinung herumreite?
Du sagst es ihm ins Gesicht und versteckst dich nicht irgendwo um ihm von dort aus mit verstellter Stimme zuzurufen, dass der ein Volltrottel ist. Er sieht also, mit wem er es zu tun hat. Wenn du ihm jetzt eine kleben würdest, könnte er dich wegen Körperverletzung anzeigen und der Polizei beschreiben wie du aussiehst, auch wenn er deinen Namen nicht kennt.
Außerdem ist das noch keine Hatespeech. Dazu müsste jetzt einer von euch dem anderen sagen, dass er dessen Mutter vergewaltigen und ihn zwingen wird, dabei zuzusehen, um ihn dann genüsslich umzubringen. Das ist Hatespeech. Oder wenn du jemandem sagst, dass er sich umbringen soll, weil dir seine Meinung nicht passt.
Und ja, an der Formulierung des Gesetzes muss noch ganz dringend gefeilt werden, denn so allgemein sollte kein Gesetzestext formuliert sein, aber etwas in der Richtung unternehmen sollte man schon. Es haben sich schon Jugendliche umgebracht, weil hunderte von Leuten ihnen gesagt haben, sie wären so hässlich, dass sie sterben gehen sollten. Mag sein, dass du und ich uns da denken "Wie lebt sich's ohne Hirn, Kleiner?" oder "Ja, nett, und jetzt geh wieder mit deiner Babyrassel spielen und stopf dir einen Schnuller in den Mund" und dann weitermachen als wäre nie etwas gewesen. Wir ignorieren diese Leute, weil wir ihnen andernfalls genau das geben würden, was sie haben wolllen. Du darfst aber nicht vergessen, dass es auch sensiblere Menschen gibt. Du kannst nicht immer von dir auf andere schließen. Und diese sensibleren Menschen willst du vom Internet ausschließen? Warum? Die haben doch nichts verbrochen. Oder ist es jetzt ein Verbrechen, sensibel zu sein? Ich hoffe nicht. Das wäre nämlich ein ganz falscher Ansatz. Du bestrafst aber das Opfer und nicht den Täter.
Stell dir mal vor, immer, wenn du dich mit deinen Freunden triffst, kommt einer und verprügelt dich. Und wenn deine Freunde dir helfen wollen, verprügelt er die auch noch. Bleibst du jetzt in Zukunft zuhause, damit du nicht mehr verprügelt wirst? Oder erstattest du Anzeige und sorgst dafür, dass der Kerl von der Justiz ordentlich eine auf den Deckel bekommt, damit du wieder ohne Angst etwas mit deinen Freunden unternehmen kannst? Du würdest Anzeige erstatten, möchte ich wetten. Aber von allen anderen verlangst du, dass sie sich einschließen, wenn sie nicht verprügelt werden wollen. Irgendwie komisch, oder?
Anderes Beispiel gefällig? Kind A nimmt Kind B sein Spielzeug weg. Nach deinem Ansatz ist Kind B selbst schuld und muss bestraft werden, weil es in Gegenwart von anderen mit einem Spielzeug gespielt hat. Wenn es das Spielzeug behalten wollte, hätte es das eben nicht in der Anwesenheit von kleinen Spielzeugräubern wie Kind A damit spielen dürfen. Nach meinem Ansatz dagegen ist Kind A zu maßregeln (oder, wenn es das eigentlich schon besser weiß, zu bestrafen), weil man anderen nicht einfach das Spielzeug wegnehmen darf. Schon gar nicht eines, das einem nicht selbst gehört, denn das ist ja Diebstahl und damit falsch.