Interessanter Artikel, interessant auch, wie viele Kommentare er hervorruft. Ist es denn eigentlich noch so weit her mit der virtuellen Fleischbeschau, wie die Überschrift suggeriert? Klammert man die Games aus Fernost mal aus, haben doch das letzte Jahrzehnt eine ganze Reihe ordentlicher Frauencharaktere hervorgebracht; Gegenbeispiele fallen mir dagegen ad hoc keine ein - welche Frauendarstellung in Spielen war denn noch sexistisch?
Ich finde Artikel wie diesen hier ein zweischneidiges Schwert. Klar, was darin beschrieben wird passiert so in der Welt, ist problematisch, so weit, so richtig. Aber die Probleme werden isoliert aufs Gaming bezogen betrachtet, dabei ist es ein gesamtgesellschaftliches Problem: Das Internet gibt auch Blödmännern eine Stimme, tendenziell sogar eine lautere, und daran wird sich nichts mehr ändern lassen. Egal ob es das kommende Naughty Dog-Spiel oder der nächste Disney-Film sein wird, irgendwo im Netz werden sich ein paar Typen gegenseitig darin bestärken, dass sie die woke Weltverschwörung erkannt haben & sich nicht davon einlullen lassen, ha! Die gleichen Typen schreiben an anderer Stelle von der Corona-Lüge, schaffen es Dank mentaler Hochleistungsgymnastik, Russland als Opfer seines eigenen Angriffskrieges und den diffusen Westen als eigentlichen Schurken zu identifizieren und können sich nie so richtig entscheiden, ob sie den Untergang des Abendlandes nun eigentlich befürchten & verhindern wollen, oder nicht doch irgendwie herbeisehnen? Ich könnt ewig so weiterschreiben und gesellschaftliche Themen wie das Gendern, Andrew Tate, Greta Thunberg oder FFF in den Topf werfen. Die Diskussion um den "Layla"-Sommerhit. Die Anschuldigungen um Till Lindemann & Till Schweiger, und wie damit teilweise umgegangen wird...Sorry for the big off topic, was will ich eigentlich sagen & damit zurück zum Artikel:
In all diesen Fällen wird das drumherum erst dadurch groß, dass ein kleiner Teil von Leuten lautstark Mist von sich gibt und so polarisiert. Artikel wie dieser machen diese Leute stark, weil sie ein Bild, das eigentlich nur von einer kleinen Gruppe an Leute getragen wird, zum Leitmotiv bzw. zumindest damit konkurrierend erklären. Dieses ganze "Wir sind eigentlich die Mehrheit"-Geschwafel funktioniert ja nur, wenn Positionen durch Artikel wie diesen hier anerkannt werden. Während man früher halt "ah ja der Udo, der hat sich beim Dorffest wieder daneben benommen, kennt man ja..." sagte, heißt es heute "Frauen in Spielen: Hör endlich auf mit der virtuellen Fleischbeschau, Udo!", weil X Udos sich online weltweit daneben benommen haben. Das Spiel lässt sich jede Woche mit einem neuen Thema spielen, und - spannend - bringt ganz offensichtlich die größten Reichweiten/Kommentare. Ihr könntet Morgen einen Artikel bringen, "Unglaublich! Gamer fordern Genozid an Philippinen" und darin ein paar toxic comments irgendwelcher frustrierter Dota SEA-Spieler als Beleg bringen. Und egal wie absurd das sein mag, irgendein Hansel findet sich dann doch hier in den Kommentarspalten, der die übertriebene Eingangsforderung irgendwie rechtfertigt und schon geht der Circle-Jerk wieder los. Das Traurige ist eigentlich, dass diese "Udo hat dies und das gemacht"-Kommentarspalten so viel mehr Engagement aufweisen, als die guten Spieletests...