RevanAtreides am 19.12.2004 14:06 schrieb:
Zitat:"Das Problem der VN: der Sicherheitsrat spiegelt die politischen Machtverhältnisse von vor 60 Jahren da. Heute sind diese Verhältnisse andere. Gemessen an ihrer politischen Bedeutung haben GB und F nichts mehr im Sicherheitsrat verloren: beides ehemalige Imperialmächte, die längst keine Großmächte mehr sind, auch wenn sie dies nicht so recht einsehen wollen und können."
Na ja, dem kann ich nur bedingt zustimmen. Sicher sind England und Frankreich keine Weltmächte mehr so wie die USA, allerdings kann man sie imho als Mittel- oder Großmächte bezeichnen. Zu besagten würde ich auch Nationen wie Deutschland oder Japan und vieleicht auch Indien zählen. Die 3 letztgenannten gehören daher in den Sicherheitsrat!
Mit Deiner Argumentation gibst Du mir doch recht. Wenn der Sicherheitsrat die heutigen Machtverhältnisse widerspiegeln würde, wäre doch gar keine Reform nötig. Die Situation hat sich aber nunmal verändert. Im Sicherheitsrat sitzen als ständige Mitglieder die Siegermächte des 2. Weltkriegs (man kann man sich streiten, ob F wirklich zu den Siegern zählt, aber das spielt hier keine Rolle. Es geht schließlich nicht um Geschichtsrevisionismus.)
Am Ende des 2. Weltkriegs im September 1945 waren die 5 Siegermächte diejenigen Weltmächte, die die Geschicke der Erde leiten sollten. Sie hatten allein durch ihren Sieg weltpolitische Macht. Spätestens seit dem militärischen Abenteuer in der Suez-Krise 1956, bei dem GB und F von den Weltmächten USA und UdSSR zurückgepfiffen wurden, sind GB und F keine Weltmächte mehr. Ausdruck fand das auch im Ende des Imperialismus/Kolonialismus und der Souveränität vieler ehemaliger Kolonien. F und GB sind zwar weiterhin Siegermächte des 2. Weltkriegs (denn Geschichte lässt sich nunmal nicht rückgängig machen - was ja auch ganz gut ist), aber sie sind de facto keine Weltmächte mehr. Du bezeichnest sie ja selbst als Mittelmächte. Nur gibt es halt noch andere Mittelmächte mit der gleichen weltpolitischen Macht wie F, ohne dass dem durch Mitgliedschaft im Sicherheitsrat als ständiges Mitglied Rechung getragen würde.
Darauf bezog sich meine Kritik. Zumal Staaten wie D finanziell und auch operationell einen gewaltigen Beitrag zu den VN leisten (D zahlt z.B. die zweithöchsten Beiträge). Es ging mir nicht darum, GB und F ihren Status abzuerkennen, sondern nur darum, deutlich zu machen, dass andere Staaten genauso viel oder mehr leisten und deshalb auf die gleiche Stufe wie F und GB gehoben werden sollten.
RevanAtreides am 19.12.2004 14:06 schrieb:
Aber wie bewertet ihr den Vorschlag Länder wie Brasilien und Ägypten/Südafrika aufzunehmen?? Meiner Meinung nach sind das keine Mächte, die gemessen an ihrem weltpolitischen Einfluss einen ständigen Sitz verdient hätten.
Während Du mir oben nicht zustimmen wolltest (obwohl Du es eigentlich doch getan hast) kann ich Dir an dieser Stelle nicht zustimmen.
Wie schon mehrmals erwähnt, sieht die Welt heute anders aus als noch vor 60 Jahren bei Gründung der UNO. Der Sicherheitsrat spiegelte damals die politischen Machtverhältnisse wieder. Nicht berücksichtigt wurde der Repräsentationsaspekt.
Die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates stehen (heute) stellvertretend für etwa 1,75 Mrd. Menschen. Die restlichen 4,5 Mrd. sind damit nicht ausreichend (oder z.T. gar nicht) repräsentiert. Dem soll bei einer Reform Rechnung getragen werden.
Südamerika und Afrika waren bisher überhaupt nicht repräsentiert, Asien nur in begrenztem Umfang durch China, das durchaus andere Interessen verfolgt als "Rest-Asien". Es geht also jetzt darum, dass die Mitglieder des "neuen" Sucherheitsrats auch die Weltbevölkerung mit ihren politischen Interessen vertreten sollen.
Brasilien ist mit etwa 185 Mio Einwohnern mit Abstand das nach Bevölkerung größe Land Südamerikas und ist allein dadurch ein Machtfaktor.
Südafrika selbst ist zwar nicht das Einwohnerreichste Land Afrikas (da gibt es einige die mehr Einwohner haben), aber Südafrika ist zweifelsohne der am weitesten entwickelte Staat des Kontinents, Ägypten würde durch einen ständigen Sitz für seine für arbische Staaren einmalige Anerkennung Isreals belohnt, was welt- und v.a. regionalpolitisch (im Nahen Osten) von Bedeutung ist und somit den Einfluss Ägyptens verdeutlicht.
Japan und Asien sollen die asiatische Bevölkerung vertreten. Zwar ist Indonesien bevölkerungsstärker als Japan, aber Japan hat sich um die VN durch sein humaitäres Engagement und seinen finanziellen Beitrag verdient gemacht. Indien kann mit einer Bevölkerungszahl von 1 Mrd. als politisches Schwergewicht bezeichnet werden.
Und mit einem ständigen Sitz für Deutschland würden die Wandlung Deutschlands in den vergangenen 60 Jahren, die Rückkehr in die Weltgemeinschaft, sein finanzielles und friedenssicherndes Engagement und die Übernahme von weltpolitischer Verantwortung anerkennend gewürdigt (auch wenn dadurch Europa (mit ca. 500 Mio. Einwohner "kleinster" Kontinent nach Australien) mit 3 Staaten (rund 200 Mio. Einwohner) im Vergleich zu den anderen Weltregionen deutlich überrepräsentiert wäre - Vetorecht hin oder her)
Das allerdings die Erweiterung um eben diese Staaten nicht alle Probleme löst und auch nicht überall auf positive Reaktionen stößt, ist klar. Eine völlig gerechte Repräsentation ist damit nicht realisert. So bleiben z.B. Staaten wie Pakistan, Italien, Nigeria, Indonesien und v.a. viele der ärmsten (Entwicklungs-) Länder der Welt außen vor.
Eine gerechte Repräsentation wäre nur möglich, wenn alle Staaten der Welt einen Platz im Sicherheitsrat besäßen.
Damit wären die VN dann so verhandlungsfähig, dass sie gleich aufgelöst werden könnten - womit auch niemandem gedient wäre.