AW: CDU: Vergangenheitsbewältigung mal anders.
Spassbremse am 17.04.2007 18:13 schrieb:
Es ging ja nie darum, Filbinger NOCH EINMAL für seine Vergehen zu verurteilen, das Thema war längst erledigt (Anfang der 80er).
Das Ungeheuerliche an der Sache JETZT ist, dass Oettinger versucht hat, Filbinger als WIDERSTANDSKÄMPFER hochzustilisieren.
Ein "echter" Widerstandskämpfer hätte in jedem Fall, auch unter Einsatz seines Lebens (das nämlich zeichnet einen Rebellen aus), versucht, GEGEN ein solches Todesurteil zu wirken - auch, wenn er sich dadurch selbst in Lebensgefahr gebracht hätte.
Oettinger hat gesagt, dass Filbinger ein Gegner des Regimes war, von Widerstandskämpfer oder Rebell war keine Rede.
Die wenigsten Menschen in Deutschland waren echte Widerstandskämpfer, die aktiv etwas unternommen haben, deswegen war ihnen die Sache aber weder egal noch waren sie dafür.
Maria-Redeviel am 17.04.2007 18:17 schrieb:
Ich hab einen Nachtbar, der ist Kinderschänder. Und immer sagen die Leute nur "Der Typ ist ein Kinderschänder". Dabei hat der Typ doch so viele freundliche Seiten! Und er macht auch wahnsinnig tolle Laubsägearbeiten! Und arbeitet nebenbei ehrenamtlich für die Caritas.
Moral von der Geschit: Wen interresierts?
Ich persönlich finde den Vergleich unpassend, da es sich hier um eine Person handelt, die Nazis aber viele waren und nicht alle mordend durch die Straßen gezogen sind.
Boesor am 17.04.2007 19:59 schrieb:
Arkasi am 17.04.2007 10:33 schrieb:
Nimmt man beispielsweise das, was man in der Schule lernt, her, dann waren die Nazis durch und durch Monster, die einen gewaltigen Krieg angefangen haben und die industrielle Vernichtung von Menschen betrieben haben.
Hmm, ich weiß natürlich nicht wie das in Österreich ist, aber in Deutschalnd lernt man da deutlich differenziertere Dinge.
Und ich kapiere einfach nicht wo du diese allgegenwärtige Bedrohung hernimmst, dass jeder seine Familie ständig schützen musste usw.
Klingt sehr nach Ausrede.
Nun, ich bin jetzt 31 und dementsprechend schon länger aus der Schule draußen, ich kann daher nur sagen, was ich damals gelernt habe, wie es heute ist, weiß ich nicht.
Wovor die Menschen ihre Familien schützen mußten? Mal überlegen, wir reden hier von einem Regime, welches über 6 Mio Menschen idustriell vernichtet hat, einen Krieg mit über 65 Mio Menschen angezettelt hat und ansonsten noch "die eine oder andere" Gräultat verübt hat. Mit so einem Regime möchte ich perönlich nicht in Konflikt geraten und das passiert im Regelfall auch nicht, es sei denn, man zieht durch irgendetwas die Aufmerksamkeit auf sich, was oft eine triviale Handlung sein kann.
Bloß nicht auffallen, im Strom mitschwimmen und hoffen, dass sich das Problem löst - das war damals die Devise.
aph am 18.04.2007 12:54 schrieb:
Und ob man da einen Vorwurf machen kann, denn es gab genug Leute, die erleichtert aufgeatmet haben, als der Krieg vorbei war - und eben NICHT noch mal schnell nen Deserteur hingerichtet haben. Daran gibt es nichts zu beschönigen.
Da der Spiegel (warum auch immer) hier gerne als Quelle verwednet wird, bring ich auch mal einen Spiegelartikel.
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,476834,00.html
Der Fall des Matrosen Gröger ... Nach seiner Festnahme zog sich sein Fall bis ins Frühjahr 1945 hin. Zunächst sollte er nur zu einer achtjährigen Haftstrafe und dem Verlust der Wehrwürdigkeit verurteilt werden, im Verlaufe des Verfahrens aber wurde die Todesstrafe verlangt. Filbinger wurde nachweislich erst in der Schlussphase mit dem Fall betraut. Von höherer Stelle, dem Flottenchef, war zu diesem Zeitpunkt die Todesstrafe bereits gewünscht, Filbinger beantragte sie schließlich als Ankläger. Als "Leitender Offizier" beaufsichtigte er dann am 16. März 1945 die Hinrichtung des 22-Jährigen.
Zum anderen: Wer sich als Wolf tarnt, um nich von den Wölfen gefressen zu werden, und dafür auch Wolfstaten verübt, der IST ein Wolf und braucht sich nicht wundern, als solcher erschossen zu werden - zu Recht.
Abgesehen davon ist in einer Diktatur niemand sicher, in keiner Position. Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verüben, schützt da überhaupt nicht. Ist ja auch eine makabre Vorstellung, die ein erschreckendes Bild von deinen Überzeugungen liefert.
Wie schon oben erwähnt, war der Krieg zwar defakto schon vorbei, die Nazis wollten das aber nicht wahrhaben und angesichts der Situation, wäre es ausgesprochen dumm gewesen, jetzt noch einen Wunsch des Flottenchefs nicht nachzukommen. Wie auch im vvon mir vorher verlinkten Wikipediaartikel zu lesen ist, hätte das am Todesurteil nichts geändert, Filbinger aber in Gefahr gebracht.
Zum anderen: Wer sich als Wolf tarnt, um nich von den Wölfen gefressen zu werden, und dafür auch Wolfstaten verübt, der IST ein Wolf und braucht sich nicht wundern, als solcher erschossen zu werden - zu Recht.
Abgesehen davon ist in einer Diktatur niemand sicher, in keiner Position. Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verüben, schützt da überhaupt nicht. Ist ja auch eine makabre Vorstellung, die ein erschreckendes Bild von deinen Überzeugungen liefert.
Filbinger war schon vor dem Krieg Jurist und die Nazis wollten eben auch Juristen für Richter- oder Anklägerposten, was ja nachvollziehbar ist. Mit welcher Begründung hätte er denn diesen Dienst verweigern sollen?
Man ist nie wirklich sicher, aber so manche Position bietet einen gewissen Schutz.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden Filbinger nicht vorgeworfen und er hat die Entnazifizierung im Gegensatz zu vielen anderen unbeschadet überstanden.
Was meine Überzeugung anbelangt, ich hätte in der damaligen Zeit genauso überleben wollen, wie all die anderen, die damals tatsächlich gelebt haben und in diesem Zusammenhang weise ich noch mal darauf hin, dass Hitler von außen gestürtzt wurde und keineswegs durch eine Revolution, die Mehrheit der Menschen damals hat das also genauso gesehen - und überlebt.
Wie gesagt: Schließe nicht von dir auf andere. Ich empfinde es völlig anders. Die Frage, wie es dazu kommen konnte, ist meinem Empfinden nach sogar das Hauptthema der öffentlichen Diskussion. Der Holocaust selbst als Fakt wird kaum noch thematisiert.
Also dann lauft das in Deutschland vollkommen anders als in Österreich. Wie es dazu kommen konnte, wird bei uns überhaupt nicht thematisiert, denn dazu gibt es eigentlich seit immer eine passende Theorie und die ist bisher nie wirklich angegriffen worden.
Möglicherweise liegt das daran, dass Hitler seinen Aufstieg ja in Deutschland hatte und dieser Aufstieg hinterfragt wird. Nach Österreich ist er ja später und unter anderen Vorzeichen gekommen.