Was echt? Ihr wollt das jetzt wirklich nochmal aufrollen? Ok, here we go then, ihr wolltet es ja nicht anders:
Meiner bescheidenen Meinung nach krankte das ME3 Ende an 6 entscheidenden (und sehr vielen zusaetzlichen aber weitaus kleineren) Problemen:
1. Die Praemisse des Endes: Im Prinzip ist das Ende ja relativ isoliert vom Rest des Spiels und als Motivation fuer die Reaper haette man zu dem Zeitpunkt als Shepard den Catalyst trifft noch alles moegliche hernehmen koennen. Aber man nimmt ausgerechnet einen Handlungsbogen, der eigentlich in dem Spiel schon abgehandelt wurde. Der Mensch/Maschiene Konflikt war das zentrale Thema der Rannoch - Geth/Quairan Missionen und darin sehr gut behandelt und abgeschlossen worden, inklusive Spielerentscheidungen und mit allem drum und dran. Den Handlungsbogen jetzt hier nochmal zu recyclen (ohne das Shepard den Rannoch-Arc ueberhaupt ansprechen kann zu allem Ueberfluss) war aus rein narrativer Sicht zumindest seltsam.
2. Shepards Verhalten: Nachdem Shepard sich in hunderten Dialogen in 3 Spielen immer und immer wieder als auessert willensstarke Fuehrungsperson hervortut steht er nun vor dem wichtigsten Gespraech seines Lebens. Und was passiert? Er/Sie wirkt erschlagen, matt, kaum faehig ueberhaupt mal ein Widerwort anzubringen und er/sie scheint die Haelfte seiner Erfahrungen in den letzten Jahren vergessen zu haben (siehe z.B. Punkt 1). In den automatischen Atnworten stimmt Shepard dem Catalyst oft einfach zu, waehrend ich als SPieler sehr skeptisch vor dem Monitor sitze. Ja, ich hab's schon mitbekommen, Shep ist stark verwundet und wahrscheinlich halbtot zu dem Zeitpunkt aber die Entscheidung der Autoren ihr/ihm genau zu diesem Zeitpunkt auf die Art das "Mojo" zu nehmen war extrem unbefriedigend fuer mich. Ich habe "meinen" Shepard in dem Gespraech kaum wiedererkannt. Der Extended Cut hat hier mit ein paar neuen Dialogoptionen ein bisschen geholfen aber ...
3. Der Extended Cut ist problematisch: Eigentlich ein Verbesserung des Endes (und das ist es auch in vielerlei Hinsicht) aber er hat ein grosses Problem: Entgegen dem, was BioWare immer wieder gesagt hat veraendert der Extended Cut die Enden ziemlich drastisch. Im Original musste Shepard eine sehr schwerwiegende Entscheidung faellen. Um das Ueberleben der Galaxie zu sichern waren Opfer noetig. Der Extended Cut und dessen Slideshows aendern alle 3 Enden in eine Art Happy End fuer die Galaxie ab. Der Catalyst hatte also in allen seinen Vorhersagen uneingeschraenkt recht behalten und SHepard waere einfach nur doof nicht auf ihn zu hoeren oder ihm nicht zu trauen (was vor dem EC noch eine sehr weit verbreitete Interpretation war). Deswegen war auch das neu eingebrachte Refusal Ende (ein Fan Wunsch nach dem Original uebrigens) eine Farce, der ganze Ton des Endes hatte sich schlagartig voellig veraendert. "Artistic Integrity" ... ja genau.
4. Wie hier im thread schon recht gut diskutiert finde ich auch, die Enden haben schlicht nicht genug Moeglichkeiten, den Ton des Endes an die Geschichte anzupassen. Je nachdem, wie man die Trilogie spielt aendert sich der Ton, vielleicht sogar das Genre der Mass Effect Saga. Ein Paragon Shepard durchlaeuft eine recht typische "Heldenreise", ein renegade Shepard ist vielleicht eiher ein skrupelloser Antiheld (hier passen die Enden vielleicht sogar ganz gut), ein Shepard der viele Leute verliert waehrend der Trilogie ist vielleicht eher in einer Art aussichtsloser Tragoedie unterwegs. Der Punkt ist, es haengt vom Spieler ab wie der Ton des Spiels aussieht und es waere wuenschenswert gewesen, wenn die Enden das respektiert und reflektiert haetten. Dragon Age Origins hat das mMn zum Beispiel fast perfekt hinbekommen. Dort kann ich mich mit meinem rechtschaffenen noblen Ritter selbst opfern um die Welt zu retten, oder vielleicht habe ich es eher wie eine Art Maerchen gespielt und heirate am Ende den Prinzen und werde Koenigin (geht exakt genauso im Spiel) oder ich bin eher ein ruchloser selbstverliebter Antiheld und lasse einen anderen fuer mich ueber die Klinge springen oder trickse das Schicksal zusammen mit Morrigan aus. Der Umfang an Moeglichkeiten war dort angemessen. Nicht so aber in Mass Effect 3, wo ich in jedem Fall mich und einen ganzen Haufen andere Leute (oder zumindest Werte fuer die mein Sheard einstand) opfern muss.
5. Ein etwas kuerzerer Punkt aber ein grosses Problem mit dem Ende ist, dass es - wie in Punkt 1 bereits gesagt - so isoliert vom Rest der Geschichte wirkt. Es gibt praktisch kein Foreshadowing oder irgendwelche Hinweise darauf, worum es bei dem Ende gehen koennte. Ein richtiger Plottwist ist es aber auch nicht. Starkid kommt aus dem nichts, entlaed einen Haufen Exposition auf den Spieler, man trifft die finale Wahl und fertig. Das ganze ist einfach nicht gut eingebunden. Sie haben dann mit dem Leviathan DLC noch versucht das nachtraeglich zu machen, das wirkt aber dann halt auch irgendwie aufgesetzt.
6. Der Catalyst war auch keine gute Wahl um diese Art von Exposition an den Spieler zu tragen. Denn er ist - ob er nun will oder nicht - als "Oberhaupt" der Reaper nun mal der Antagonist der Geschichte, die wir die letzten 120 Stunden ueber 3 Spiele erlebt haben. Er ist im Grunde nicht vertrauenswuerdig fuer den Spieler, dennoch ist er in dieser Szene eher ein neutraler Informationsverteiler als ein Charakter mit dem sich Shepard auseinandersetzen kann. Das passiert hier zu spaet, und es nimmt dem klimaktischen Dialog der Serie an Gravitas.
So, wie gesagt, es gibt noch dutzende kleinere Punkte, die man nennen koennte, die das Ende einfach runterziehen, aber ich glaub die wall of text hier reicht schon. Ich denke, wenn es nur ein oder zwei der Punkte hier gewesen waeren, haette ich mit dem Ende durchaus gut leben koennen. Die Kombination aus all dem oben genannten macht das ganze aber mMn tatsaechlich zu einem ziemlichen Desaster von einem Ende.
Was den "Shitstorm" damals anging (ich war live dabei und hab viel mit diskutiert damals im BioWare Social Network, hab aber selbst nie cupcakes verschickt
), naja, ich fand immer BioWare hatte sich damals dann viel zu sehr eingeigelt und die oft sehr rational dargebrachte Kritik viel zu persoenlich genommen. Ja klar, es gab die paar Idioten, die sich daneben benommen haben, so wie immer, aber die allermeisten Leute damals waren doch eher auf die Sache bezogen und auch vor denen hatten die BioWare devs dann sehr schlagartig die Flucht ergriffen. Das hatte mich damals mit am meisten gestoert, denn bis dahin gab es eigentlich immer eine recht offene Kommunikation mit der Community. Das war dann mit einem Schlag vorbei, obwohl es zu dem Zeitpunkt vielleicht am wichtigsten gewesen waere das offen anzugehen.
Ich mein, der einzige Grund wieso das ganze ueberhaupt so eskaliert ist war ja, weil die Leute investiert waren in die Serie. Es gibt sehr viel schlechtere Enden als das von ME3, nur bei den meisten interessiert es halt keinen wirklich. So unintuitiv das klingen mag, dass es den Shitstorm in der Form gab ist im Prinzip ein Komplement fuer die restlichen 99% der Trilogie. Denn die ist mMn nach wie vor erzaehlerisch das beste, was wir im Videospiel-Sektor haben und bis heute unerreicht.