Und ich sage euch, was ist das Leben doch einfacher, wenn man sich wegen solcher Nebensächlichkeiten kein Magengeschwür heranzüchtet! Ist doch wurscht, ob ein fiktives Männlein dies oder das macht, mein Leben wird nicht besser dadurch, dass ich beim Rezipieren drei Sekunden lang milde überrascht war.
Wenn man die Auswirkungen auf das Leben betrachtet, kann man problemlos alles Mögliche relativieren. Sich ingame wie ein Arsch verhalten, Cheaten, Inventar hacken, andere Spieler nerven - hat alles keine Auswirkungen auf mein Leben. Wenn ich in dem Spiel gesperrt werde, spiel ich halt ein anderes. So what?
Sinnvoller fände ich eine Orientierung / Bewertung innerhalb des erzeugten Spiel- /Seherlebnisses für alle Beteiligten.
Jedes Spiel, jeder Film, jedes Stück Musik ist ein Kunstwerk. Dieses Kunstwerk zu entdecken, ist ein geistiges Abenteuer. Im vorgesehenen Rhythmus der Präsentation bestimmte Dinge zu erleben, ist Teil des Kunstwerkes. Bestimmte "Da stimmt doch was nicht" Elemente zu finden und sich selbst Gedanken dazu zu machen, ist ein einmaliges Erlebnis. Denn nach der offiziellen Auflösung gibt es inUniverse ja nur noch diese Erklärung.
So gab es beispielsweise nach Matrix Reloaded in Fanforen diverse Theorien, die Neos letzte Aktion im Film erklären wollten.
Es gab Theorien von einer Matrix in der Matrix oder der Möglichkeit, daß Neo & Trinity auch Maschinen seien.
Viele der von dir in der Kolumne genannten "Spoiler" sind allerdings in der Tat lachhaft.
In einem Videospiel ist es beispielsweise erwartbar, daß der Held am Ende der Sieger ist.
Was hingegen ein Spoiler wäre: Wenn er es NICHT ist.
Das ist ja so, als würde man bei einem Fußballspiel "spoilern", daß eine Mannschaft am Ende gewinnen wird und das aufgrund der Anzahl von Toren entschieden wird.
Ja, es gibt auch Spiele, in denen es ein Unentschieden gibt, aber eben auch das wäre dann eben ein Spoiler (wenn man das vorher sagen könnte).
An dieser Stelle herzlichen Dank an Cyanide & Happiness, die mir in einem Comic über Spoiler Avengers: Endgame gespoilt haben, als hätte ich mir vorher den danach spielenden Spiderman Film angesehen.
Bei Filmen habe ich es rund eine Handvoll mal geschafft, mir den entsprechenden Film ungespoilt anzusehen (Gezählt habe ich jetzt nur die Male, in denen ein relevanter Spoiler vorhanden war und mich dieser nachhaltig beeindruckt hat.)
In Matrix beispielsweise kommt die Szene beim Verhör durch die Agenten ein visueller Effekt ziemlich überraschend und hinterlässt bei einem ungespoilten Zuschauer lauter Fragezeichen, WTF denn da gerade passiert ist.
Ein gespoilter Zuschauer hingegen macht sich darüber keine weiteren Gedanken. Die Szene hat also je nach Spoilerstatus völlig andere Auswirkungen auf den Zuschauer.
Beeindruckenster Spoiler Moment: Kurz nachdem Neo "durch den Spiegel geht" |
In From Dusk til Dawn spielen Tarantino und Clooney 2 Gangsterbrüder, die nach Mexiko flüchten.
Die durchschnittliche Erwartung an einen Spoiler ist die Beantwortung der Frage, ob sie das schaffen werden.
Allerdings ...
Beeindruckenster Spoiler Moment: Der WTF Moment für alle, die nicht wissen, was der Spoiler in diesem Film ist. |
In The World's End tourt eine Gruppe Ex-Jugendlicher ein paar Kneipen ab. Die Tour endet in einer Kneipe namens World's End. Was allerdings auf dem Weg dorthin passiert, ist dann doch ein nennenswerter Spoiler.
Beeindruckenster Spoiler Moment: Die Kloszene, was sonst. |
Bei Die Insel befinden wir uns in einer futuristischen Gesellschaft mit einigen seltsamen Regeln.
Der Zuschauer, der mitmacht, fragt sich, was denn der Sinn hinter dieser Regel ist, warum denn dort dies und jenes passiert. Stück für Stück kommen immer mehr Ungereimtheiten zusammen, bis sich endlich eine zufriedenstellende Antwort im Tempo der Geschichte ergibt.
Fail: Im 2. Satz des DVD Rückseitentextes wird der Spoiler schon genannt.
Beeindruckenster Spoiler Moment: In diesem Fall kein konkreter Moment, obwohl der Spoiler ja recht deutlich erklärt wird. Aber am beeindruckendsten fand ich den Weg dahin, das stetige Entdecken von weiteren Aspekten, die man in eigene Theorien, was da denn nun passiert, einbringt. |
Gegenbeispiel: Code 46
Ein Film über eine futuristische Gesellschaft, in der ... [Einblendung eines Gesetzes, das in dieser Zukunft existiert] ...
...
Nun wartet man die weitere Laufzeit darauf, daß dieses Gesetz für die Filmhandlung relevant wird. Was die Protagonisten auf der Leinwand veranstalten, ist im Prinzip irrelevant, solange es dieses Gesetz nicht betrifft.
Wüßte man vorher NICHT, das es in dieser Zukunft dieses Gesetz gibt, würde man ähnlich wie in Die Insel sich selbst Gedanken machen können, was denn wohl als nächstes passiert. So WEISS man, daß die Handlung zu einem Punkt kommen wird, an dem dieses Gesetz relevant wird.
Beeindruckenster Spoiler Moment: Der Fail, als der Spoiler in der ersten Filmminute eingeblendet und von der Offstimme vorgelesen wird. |
In Spielen fällt mir spontan nur Bioshock ein.
Beeindruckenster Spoiler Moment: die entsprechende Spoiler Unterhaltung |
Fazit:
Es gibt
bestimmte Spoiler, mit deren Verrat man die Wirkung auf den Konsumenten
erheblich beeinflussen kann.
"Dann lies dir doch nix zu Spiel/Film X durch" ist dabei kein valides Argument, denn dazu müsste man ja erstmal wissen, daß dort überhaupt
ein relevanter Spoiler enthalten ist. Und dann wäre man ja eigentlich schon gespoilt.
Ich bin jedenfalls froh über jeden Eintrag auf meiner "ungespoilt gesehen" Liste, denn eben diese genannten Filme sind mir genau dadurch im Gedächtnis geblieben und ich hatte dort eine quasi einzigartige Filmerfahrung.
Im Gegenteil, habe ich oft genug das Erlebnis, dass ich Filme, Serien und Spiele ganz anders erlebe, weil ich mit Vorwissen an sie herangehe. Ich verstehe Zusammenhänge, Anspielungen, scheinbar unwichtige Details, die später zu einer Konklusion führen, ohne die Dinger doppelt angucken oder spielen zu müssen.
Auch Leute, die Filme beim ersten Mal ungespoilert ansehen, haben diese Erfahrung. Beim wiederholten Konsumieren. Und gerade das macht einen Teil des Reizes aus: Daß man beim zweiten (dritten...) Mal Sachen und Details entdeckt, die einem beim ersten Mal nicht aufgefallen sind.
Deswegen mag ich auch Filme von David Lynch: weil man dort mitdenken kann, sich eigene Theorien über das Geschehen erstellen kann und so teils mehr und teils weniger zielführend dorthin kommt, was da überhaupt gerade passiert ist.
Aber hier zeigt sich wohl ein deutlicher Unterschied im Medienkonsum: Wenn das schon was Schlimmes ist, sich einen Film wiederholt anschauen zu "müssen", stellt sich die Frage, ob man die richtigen Filme* anschaut.
* solche, die man sich gerne anschaut