Mir ist bewusst, dass historisch der Begriff Sklaverei für viele Formen der Unterdrückung genutzt wird. Einige Kommentare lese ich trotzdem als klar relativierend und revisionistisch und eine Ursache ist mMn, dass der Begriff Sklaverei eben dafür genutzt wird schlimmste historische Verbrechen mit anderen (auch - aber weniger schlimmen) historischen Formen der Unterdrückung gleichzusetzen. Im römischen Reich und im antiken Griechenalnd zum Beispiel waren Sklaven nicht durch Rassenideologie entmenschlicht wie es in europäischen Kolonien und in der Zeit der amerikanischen Sklaverei der Fall war. Im antiken Griechenland wurden "Sklaven" in der Regel gesund gepflegt, allein schon weil das Aufwachsen eines Menschen in einer einfachen Agrargesellschaft viel zu aufwändig war als dass man ihn einfach schinden und zu Tode kommen lassen konnte. Es gabe auch solche politischen Maßnahmen:
„Als viele ihre kranken Sklaven, die erkrankten, keiner Pflege mehr
für werthielten, sondern sie aus ihren Häusern warfen, erließ er
[Claudius] das Gesetz, dass alle, die eine solche Behandlung
überlebten, frei sein sollten.“
(Originaltext: hg. von U. Ph. Boissevain (Historiae Romanae, III), Berlin 1955;
Übersetzung Konrad Vössing)"
(...)
Ja die Rassenideologie ist vor allem spezifisch für das 19. Jahrhundert und folgend. Wie ich auch schrieb, der Artikel hat genau an der Stelle bspw. einen ziemlich eklatanten Fehler. Nichts desto trotz, das Sklaventum ist immer ein schweres Los und fast immer ist ein "wir" und "die" involviert. Ein nordischer Thrall konnte auch freiwillig in diesen Status kommen aber vielfach anders waren Sklaven aus anderen Kulturen. Die Entmenschlichung ist immer Bestandteil der Sklaverei aber natürlich in unterschiedlicher Ausprägung, wie dein Zitat gut zeigt. Gab es so einen Fall in den Südstaaten der USA? Ich wage es zu bezweifeln (aber jemand mit mehr Wissen, darf gerne einhaken). Gleichzeitig könnte man kaum sagen, das Leben eines Sklaven im antiken Griechenland (vor allem wohl immer einer Frau) wäre etwas das man gerne nacherleben möchte. Aber es ist eben keine Relativierung, sondern Differenzierung bzw. eine grobe Gegenüberstellung. Wenn ich allerdings ganz allgemein die Zeit des europäischen Kolonialismus betrachte, dann würde ich hier wohl ähnliche Fälle finden, gerade eben aufgrunddessen, dass es auch Zeit des Abolitionismus ist.
Wenn man dieses Zitat zum Beispiel mit den "Kongogräueln" der Belgier vergleicht wird klar, das der Artikel hier ein sehr wichtiges Thema anspricht, das es Wert ist sich damit auseinanderzusetzen. Ich stimme dir zu, dass es im 19. Jahrhundert auch Besserungen gab (die im 20. Jahrhundert wieder ins extreme Gegenteil umschlugen). Letztendlich geht es um ein kulturelles Erbe, nicht um eine Schuldfrage. Dieses kulturelle Erbe drückt sich eben auch in Computerspielen aus, das muss gar nicht bewusst passieren.
Es ist eher eine Seltenheit, dass Menschen sich bewusst darüber Gedanken machen, warum sie so denken wie sie denken und auch beim Spiele entwickeln ist wohl wenig Zeit dafür, sich darüber Gedanken zu machen warum man ein Spiel so entwickelt wie man tut, warum beispielsweise ein häufiges Spielziel ist - wie im Artikel genannt - Land von anderen zu erobern Ressourcen auszubeuten und und einen Feind komplett auszulöschen. Anscheinend fehlt manchen Leuten (auch in der Diskussion hier) das Grundverständnis dafür, dass es möglich und vielleicht sogar notwendig ist, sich mit solchen Dingen kritisch auseinanderzusetzen.
Ich finde es legitim sich damit auseinanderzusetzen und bspw. zu dem Ergebnis zu kommen, dass Computerspiele ein Fantasieprodukt sind und dass man Menschen eine emotionale Distanz und Differenzierung zwischen historischen Realitäten und fiktiver Darstellung in Computerspielen zutraut. Mir scheint in der Diskussion hier aber schon vor einer Auseinandersetzung, die zu solch einem Ergebnis führen könnte, ein Abwehrreflex gegen einen vermeintlichen "woken" Mainstream eine inhaltliche Auseinandersetzung zu verhindern.
Mein Problem damit ist, wie gesagt, dass es mit unserem kulturellen Erbe nichts zutun hat, sondern rein mit unserer Psyche. Wir haben zeitgleich gerade das Sportthema. Warum wollen wir immer mehr? Immer schneller laufen, weiter springen, höher bauen? Es liegt dem Menschen einfach in den Genen und vermutlich nicht nur ihnen. Tiere essen auch ohne Ende, wenn sie die Gelegenheit haben. Spiele gehen zurück auf ganz simple Prinzipien, etwas wird mehr, etwas anderes wird weniger. Ginge es hier nicht um Kolonialismus, hätte hier ein intervieter Psychologie einem das ganze vermutlich viel tiefer erklären können und vermutlich würden wir sowas lesen wie unseren Überlebensinstinkt, der von uns fordert unser Territorium abzustecken, uns Pufferzonen einzurichten, Nahrung zu horten und so weiter.
Klar kann ich auch historische Themen hinterfragen aber die Umsetzung, wie hier im Artikel, scheint mir da äußerst ungeeignet zu sein. Die Kritik im Detail muss ich denke ich nicht wiederholen, das habe ich in meinen Beiträgen und andere auch in ihren gemacht. Ich denke, auch Beiträge die einfacher sind, sind einfach ein Resultat von Frustration, weil die journalistische Arbeit eher ungenügend ist, ja teilweise mehr an videospielferne Autoren erinnert wie damals zu Zeiten von Killerspielen. Und es ist jetzt auch nicht der erste Beitrag an dem es inhaltlich eine Menge auszusetzen gibt, was ebenfalls die Reaktionen erklärt. Der nächste Artikel der Art wird vermutlich exakt genauso aussehen im Kommentarbereich und sich nicht bessern, solange sich nicht etwas inhaltlich tut. Du wirst diesen Abwehrreflex gegen den woken Mainstream nicht los, wenn in trauter Regelmäßigkeit der Leser das Gefühl hat, er ist gar nicht die Zielgruppe des Artikels und eigentlich sollte das bei der TAZ erscheinen, wurde aber abgelehnt und wird daher hier veröffentlich.