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Journalismus am Abgrund?

Nope81

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Ich habe http://www.bildblog.de/ in meiner Favouritenliste... eigentlich nur um hin und wieder lustige Anekdoten über die Unfähigkeit oder auch Dreistigkeit der BILD zu lesen.
Nun ist aber das Bildblog seit einiger Zeit zum alle-Medien-Watchblog umgebaut worden. Seitdem ists immer seltener lustig, und immer häufiger erschreckend.

Die BILD ist nämlich mit schlechtem Journalismus bei weitem kein Einzelfall. Durch den ganzen Zeitungskiosk, SPIEGEL, STERN, FAZ, und Fernsehen sowieso ein grauseliges Bild.
Und seit ich da hin und wieser solche Beispiele präsentiert bekomme, fallen mir die auch selber immer wieder auf.

Vielen ist sicher noch dieser Fall bekannt, wo ein zusätzlicher Vorname für den Finanzminister die Runde durch die gesamte deutsche Medienlandschaft machte.

Und gestern wieder ein schönes Ding von Bildblog aufgezeigt: Drogenbericht

Die Drogenbeauftragte stellt ihren Bericht vor, der enthält doch tatsächlich gute Nachrichten... um ein bisschen Wahlkampf zu machen betont die Frau aber noch ein bisschen die schlechten Zahlen aus dem Vorjahr.
Die Presseagenturen interpretieren das daraufhin unterschiedlich.
Geradezu lächerlich von der AP. Falsch formuliert von der dpa. Immerhin korrekt von der AFP.

Und was steht in den Zeitungen? Natürlich das Negativste und damit Falscheste. Und sogar noch ein bisschen falscher. Die 23.000 Jugendlichen in Krankenhäusern sind der Wert von 2007 (der sich vielleicht sogar wie die anderen Kennziffern gebessert hat, es gibt aber noch keine aktuelle Zahl).
AP nennt das "vergangenes Jahr"
dpa und AFP nennen es "2007".

Die BILD und verdammt viele "seriöse" Tageszeitungen (schaut mal in eure von gestern!) nennen es knallhart "2008"

Offensichtlich machen Journalisten heutzutage nichts anderes mehr als Agenturmeldungen zu lesen, zu vergleichen, die böseste rauszusuchen, leicht umzuformulieren und abzutippen.
Wenn man den frei zugänglichen Bericht mal selber angeklickt hätte, hätte man nie 2007 geschrieben, und die gesunkenen Kennziffern wenigstens mal erwähnt.

Das die Zeitungen nur noch von den Presseagenturen abschreiben ist schon schlimm genug, aber die Presseagenturen veröffentlichen ja mittlerweile Meldungen auf BILD-Niveau. Wie kann es denn zu so etwas kommen?
Muss denn jetzt eine Webseite, die eigentlich von Schadenfreude und erhobenem Zeigefinger lebt zur letzten journalistischen Instanz Deutschlands werden?

Wenn dauernd Meldungen... (was ist das Gegenteil von "geschönt"? ^^) ... werden, wie soll man dann noch irgendwelche Artikel über Staatsverschuldung, Klimawandel, Wirtschaftskrise oder Schweinegrippe ernstnehmen?
Gibt es denn noch eine Tageszeitung (oder Nachrichtenwebsite) mit ordentlich nachrecherchierten Meldungen?
Wie haben eure Tageszeitungen den Drogenbericht wiedergegeben?
 
herr zu guttenberg ist nicht finanzminister.
 
Nope81 am 06.05.2009 08:15 schrieb:
Gibt es denn noch eine Tageszeitung (oder Nachrichtenwebsite) mit ordentlich nachrecherchierten Meldungen?
Der Westen macht da meines Erachtens einen guten Job. Neutral und sachlich, ohne viel Meinungsmache. :top:
 
Nope81 am 06.05.2009 08:15 schrieb:
Ich habe http://www.bildblog.de/ in meiner Favouritenliste... eigentlich nur um hin und wieder lustige Anekdoten über die Unfähigkeit oder auch Dreistigkeit der BILD zu lesen.
Nun ist aber das Bildblog seit einiger Zeit zum alle-Medien-Watchblog umgebaut worden. Seitdem ists immer seltener lustig, und immer häufiger erschreckend.

Die BILD ist nämlich mit schlechtem Journalismus bei weitem kein Einzelfall. Durch den ganzen Zeitungskiosk, SPIEGEL, STERN, FAZ, und Fernsehen sowieso ein grauseliges Bild.
Und seit ich da hin und wieser solche Beispiele präsentiert bekomme, fallen mir die auch selber immer wieder auf.

Zu obig zitiertem, weiter habe ich nicht gelesen da mioch der Rest nicht mehr interessierte (gut geschrieben, die Kernaussage am Anfang^^)

Journalismus war schon immer irreführend, nur gab es halt noch nie so was wie den Bildblog für alle der so was aufdeckt, da kam viel weniger der anderen Zeitungen ans Tageslicht.
 
Wenn man mal von den Hetzblättern absieht, ist glaub ich das Hauptproblem, dass die Zeitungen versuchen so aktuell am geschehen zu sein. Wenn man Tagesaktuell ist, hat man nunmal kaum Zeit zur Recherche, ich denke die Konkurrenz aus dem Internet (Achtung Wortwitz in 3..2..1..) übt halt großen Druck auf die Presse aus. Eine Möglichkeit wäre auf gut recherchierte, lange Artikel zu wechseln und dann nur noch einmal die Woche zu erscheinen. Bildblog lässt sich halt viel Zeit zum überprüfen und hat etliche Helfer, da kann man natürlich ganz andere Standards anbringen.
 
Bonkic am 06.05.2009 08:37 schrieb:
herr zu guttenberg ist nicht finanzminister.
Guttenberg ist glaub ich Wirtschaftsminister und Finanzminister ist Steinbrück,oder ?
 
Vordack am 06.05.2009 08:46 schrieb:
Journalismus war schon immer irreführend, nur gab es halt noch nie so was wie den Bildblog für alle der so was aufdeckt, da kam viel weniger der anderen Zeitungen ans Tageslicht.
Mag sein. Trotzdem kommt der Faktor "online" inzwischen dazu. Sei es, um ungeprüft Wikipedia als Quelle zu verwenden, auf myspace, Facebook oder mit Google nach Infos / Bildern zu Person X zu suchen oder immer "schnell" (und entsprechend oberflächlich) Meldungen zu bringen. Das wird an Lektorat und Qualitätskontrolle gespart und eben ausprobiert, ob es nicht einfach auch mit weniger Journalismus geht. Damals war bestimmt nicht alles besser, aber die heutige Form des (Online)Journalismus, der dann auch in Printmedien überschwappt, ist nun sicherlich kein Grund zur Freude.
 
marwin756 am 06.05.2009 08:54 schrieb:
Bonkic am 06.05.2009 08:37 schrieb:
herr zu guttenberg ist nicht finanzminister.
Guttenberg ist glaub ich Wirtschaftsminister und Finanzminister ist Steinbrück,oder ?

Das ist richtig, aber in diesem Zusammenhang doch völlig unerheblich.
;)

Seit Jahren kriselt es im Blätterwald, selbst große Traditionshäuser, wie z.B. der Boston Globe stehen kurz vor dem Aus. Im Hinblick darauf ist es nun nicht verwunderlich, dass selbst ehemals seriöse Nachrichtenformate den journalistischen Anspruch zugunsten von Auflage opfern - und diese lässt sich wohl am leichtesten mit reißerischen Meldungen generieren.

Fazit: Der Leser bekommt nur die Qualität vorgesetzt, für die er letztlich zu zahlen bereit ist...
 
Spassbremse am 06.05.2009 09:20 schrieb:
Fazit: Der Leser bekommt nur die Qualität vorgesetzt, für die er letztlich zu zahlen bereit ist...
Ich versteh die Schlussfolgerung nicht ganz. Je teurer, desto besser? Oder: Es verkauft sich halt nur Schrott, deshalb produzieren die Zeitungen etc. auch solchen?
 
Dimebag am 06.05.2009 09:40 schrieb:
Spassbremse am 06.05.2009 09:20 schrieb:
Fazit: Der Leser bekommt nur die Qualität vorgesetzt, für die er letztlich zu zahlen bereit ist...
Ich versteh die Schlussfolgerung nicht ganz. Je teurer, desto besser? Oder: Es verkauft sich halt nur Schrott, deshalb produzieren die Zeitungen etc. auch solchen?

für guten investigativen Journalismus muss man mehr berappen als die 49cent für die Bild.
und das wollen viele nicht.

Auch schätzen einige den "spaßfaktor" der BILD, auch wenn mir von dem Spaß nur übel wird.
Viele wollen einfach nicht mehr als den Schund, schon garnichts was kompliziert zu lesen wäre.
 
Ein wirklich sehr interessantes Thema, zu dem ich schon die ganze Zeit überlegt hatte, einen Blog zu schreiben. Mir ist das in letzter Zeit sehr oft aufgefallen und ich habe mich auch gefragt, ob der Journalismus weltweit in einer Krise steckt.
Ob in Print- oder Onlinemedien, dort sieht man immer mehr Artikel, die grammatikalisch sehr fragwürdig sind und bei denen man sich fragt, ob da überhaupt Recherche betrieben wurde. Da strotzt es nur so vor inhaltlichen Fehlern, dass man beim Lesen am liebsten den Kopf auf den Tisch hauen möchte.
Hinzu kommt, dass der Sensationsjournalismus immer beliebter wird. Da wird aus dem leichtesten Darmwind ein Orkan gemacht und Sachen dazu erfunden, bis sich die Balken biegen und der Rest der Medien schreibt artig ab, ohne zu recherchieren.
Traurig, aber leider wahr.
 
Spassbremse am 06.05.2009 09:20 schrieb:
Fazit: Der Leser bekommt nur die Qualität vorgesetzt, für die er letztlich zu zahlen bereit ist...

Oder die Qualität, für die die Anzeigenkunden und Eigner bereit sind zu zahlen. Die Zeitungen leben doch eh längst nicht mehr von ihren Leserkunden. Dementsprechend sind sie denen auch nicht mehr verpflichtet.

Durch Kostendruck wird zudem eine Situation erzeugt, wo klassische Recherche zu teuer ist. Stattdessen werden einfach die Texte der PR-Abteilungen der Firmen unhinterfragt übernommen.

Bildblog liefert eine tolle Arbeit, aber leider viel zu unbeachtet.

Super Beispiel: Die gefakte Hartz-IV-Familie.

Und dann fragt man sich noch, wieso der Stammtisch teilweise glaubt, man könne von Hartz-IV leben. Fragt euch lieber, was für ein Interesse die Eigner von Springer daran haben, eine solche Überzeugung zu kreieren.
 
aph am 06.05.2009 10:28 schrieb:
Und dann fragt man sich noch, wieso der Stammtisch teilweise glaubt, man könne von Hartz-IV leben.


ich weiss, das ist nicht das thema und eine diskussion mit dir bringt eh nix, aber zumindest mal als alleinstehener kann man, vom hartz 4 - regelsatz sehr wohl leben und dass nicht mal zwangsläufig schlecht. ;)
 
Bonkic am 06.05.2009 10:35 schrieb:
aph am 06.05.2009 10:28 schrieb:
Und dann fragt man sich noch, wieso der Stammtisch teilweise glaubt, man könne von Hartz-IV leben.


ich weiss, das ist nicht das thema und eine diskussion mit dir bringt eh nix, aber zumindest mal als alleinstehener kann man, vom hartz 4 - regelsatz sehr wohl leben und dass nicht mal zwangsläufig schlecht. ;)

Und auch einen Kredit von 100.000 Euro abzahlen, wie in dem Artikel behauptet? Du hast Recht: Es ging hier um schlechten, oder gar manipulativen Journalismus. Also was steckt hinter so einem Versuch seitens BILD? Das würd ich schon gern wissen.
 
Dimebag am 06.05.2009 09:40 schrieb:
Spassbremse am 06.05.2009 09:20 schrieb:
Fazit: Der Leser bekommt nur die Qualität vorgesetzt, für die er letztlich zu zahlen bereit ist...
Ich versteh die Schlussfolgerung nicht ganz. Je teurer, desto besser? Oder: Es verkauft sich halt nur Schrott, deshalb produzieren die Zeitungen etc. auch solchen?

Nein, diese Aussage bezieht sich auf den vorhergehenden Satz.

Seriöse Formate werden von der Masse zugunsten leicht verständlicher, plakativer, "reißerischer" Medien gemieden, der Durchschnittsleser investiert eher in die Bild, als in die FAZ, überspitzt formuliert. Zusätzlich gräbt die Fülle an -scheinbar hochwertigen- kostenlosen Webangeboten den Traditionsblättern kontinuierlich das Wasser ab.
 
Die BILD ist eh immer sehr deutlich in ihrer politischen Ausrichtung.
Flughafen Tegel, pro Reli... vor allem in Berlin versucht die Volksentscheide massiv zu beeinflussen.
Bei den Volksentscheiden ist wohl die CDU politischer Verbündeter.

Beim Thema Hartz4 glaube ich das ist einfach das was eine bestimmte Zielgruppe lesen will. Hart arbeitende Menschen, gering bezahlt, aber MIT Arbeit.


Bei der Bildzeitung sind effektheischende Schlagzeilen ja herkömmliche Taktik.
Aber was treibt eine regionale abbonentenbasierte Zeitung mit 100.000er Auflage?
Da sitzen doch Redakteure rum, die haben Internet und ahnen doch zumindest, das Agenturmeldungen fader Mainstream sind (die haben das doch mal studiert!).

Es muss doch einen Chefredakteur stören, wenn seine Zeitung Texte druckt, die 1:1 seit 12 oder 24 Stunden durchs Netz geistern. Und das nicht nur unter Vermischtes über eine Riesenschlange in Borneo, sondern im Leitartikel über ein deutsches Thema, dass jeder in Sekunden überprüfen kann.
Ich würd mal gern mit einem Journalisten reden... ob die das wissen und nur vom MArketing unterdrückt werden, oder ob die wie manche Köche den Sinn für ihren Beruf verloren haben und nur noch aufwärmen, weils dem Publikum ja eh schmeckt.
 
Nope81 am 06.05.2009 11:43 schrieb:
Es muss doch einen Chefredakteur stören, wenn seine Zeitung Texte druckt, die 1:1 seit 12 oder 24 Stunden durchs Netz geistern.
Warum? Er hat dabei einfach die Kostenersparnis vor Augen und freut sich.

Ich würd mal gern mit einem Journalisten reden... ob die das wissen und nur vom MArketing unterdrückt werden, oder ob die wie manche Köche den Sinn für ihren Beruf verloren haben und nur noch aufwärmen, weils dem Publikum ja eh schmeckt.
Tu das lieber nicht. Ich habe es getan, und es war sehr ernüchternd. Es gibt keinen Journalismus mehr, der diesen Namen verdient.
 
Spassbremse am 06.05.2009 09:20 schrieb:
Fazit: Der Leser bekommt nur die Qualität vorgesetzt, für die er letztlich zu zahlen bereit ist...

Ganz genau so sieht es aus!
 
aph am 06.05.2009 12:15 schrieb:
Tu das lieber nicht. Ich habe es getan, und es war sehr ernüchternd. Es gibt keinen Journalismus mehr, der diesen Namen verdient.

Etwas aufheitern dürfte dich dann allerdings das Gespräch mit dem einen oder anderen Journalisten des ÖR. Bei mir war es jedenfalls so
 
Boesor am 06.05.2009 12:34 schrieb:
aph am 06.05.2009 12:15 schrieb:
Tu das lieber nicht. Ich habe es getan, und es war sehr ernüchternd. Es gibt keinen Journalismus mehr, der diesen Namen verdient.

Etwas aufheitern dürfte dich dann allerdings das Gespräch mit dem einen oder anderen Journalisten des ÖR. Bei mir war es jedenfalls so

Ö = Öffentlich oder Österreichisch? *g*

Aber stimmt. Bei denen gibt es noch einige unabhängige. Kein Wunder, denn die sind ja auch nicht maßgeblich von den Anzeigenkunden abhängig.
 
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