Da machst du es dir zu einfach, denn der öffentlich ausgetragene Diskurs hat ja auch tatsächliche Auswirkungen auf Gesetzgebung und damit auf Freiheitsrechte. Nicht unsere Diskussion hier in den Kommentaren, sondern der gesellschaftliche Diskurs insgesamt.
Ich behaupte auch nicht, dass Protestbewegungen nichts bringen. Auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen und den Gesetzgeber dazu zu bringen, daran was zu ändern, ist natürlich was gutes.
Immer wieder zu fordern, dass eine bestimmte Person vollständig boykottiert werden soll hingegen hat keinen Nutzen. Selbst wenn dem alle folgen würden, was soll das bringen? Vor allem finde ich solches Verhalten schwach, statt sich argumentativ mit der Person auseinander zu setzen und einfach nur zu zeigen, warum diese im unrecht ist und alle anderen dann selbst dies erkennen zu lassen, versucht man dieser Schaden zuzufügen. Und das für welchem Zweck? Damit diese ihre Meinung nicht mehr öffentlich äußert? Denn ihre Meinung ändern wird sie auf diese Weise mit Sicherheit nicht. Und im übrigen dürfte sie so reich sein, dass es ihr auch egal sein kann wenn wirklich niemand ihre Produkte kauft.
Ich bin ja nicht Mal per se gegen boykottieren. Bei z.b. Nestlé bin ich selbst dabei. Aber da hätte es auch einen Nutzen, da geht es nicht um Meinungsfreiheit, sondern Nestlé geht es rein um Profitmaximierung und wenn da genügend Menschen boykottieren und sie merken dass ihr Profit durch ihr menschenunwürdiges Verhalten schlechter ist, als wenn sie dieses Verhalten ändern (und damit zwar höhere Kosten aber auch wieder mehr Umsätze haben) dann werden sie das tun. Leider machen da bisher zu wenig mit. Bei sowas geht es aber darum ein Unternehmen zu zwingen, Menschenrechte zu beachten und sich sozial gerecht zu verhalten, bei Rowling geht es einzig darum, dass man ihre Meinung nicht akzeptiert und ihr deshalb schaden will. Ich bin nicht ihrer Meinung, ich finde vieles was sie gesagt hatte war falsch, aber für mich gehört die Meinungsfreiheit zu den wichtigsten Freiheiten in einer Demokratie und solange niemand aktiv mit seinen Äußerungen jemanden angreift (indem er bewusst andere beleidigt oder verleumdet) sollte jede Meinung geäußert werden dürfen. Und natürlich muss niemand jede Meinung akzeptieren und man kann gerne auch öffentlich sagen, was man von dieser Meinung hält und dass man mit dieser Person nichts mehr zu tun haben will (ist ja ebenfalls Meinungsäußerung), aber jeder Versuch dieser Person auf Grund ihrer Meinung Schaden zufügen zu wollen, finde ich fehl am Platz und zeigt nur das fehlen von Argumenten. Das ist letztlich genauso, als wenn man mit einer Person diskutiert, aber wenn einem die Argumente ausgehen, man diese persönlich angreift (ad hominem) oder gar beleidigt, nur halt in größerer Dimension.
Wenn man die Situation für die betroffenen verbessern will, dann muss man sich an die Politik wenden, diese sind diejenigen die was ändern können. Egal um welche Thematik es geht, ob Rassismus, Frauenfeindlichkeit oder Feindlichkeit gegen LGBTQ, die Politik ist der Ansprechpartner für Änderungen der Regeln (um staatliche Diskriminierung zu unterbinden), wo auch Druck hilfreich und sinnvoll ist, die Gesellschaft hingegen muss man überzeugen, da hilft kein Druck, im Gegenteil sorgt Druck fast immer nur für Ablehnung durch die Gesellschaft. Man muss der Gesellschaft zeigen, wie die betroffenen unter der jeweiligen Diskriminierung leiden und was sich ändern muss. Die Gesellschaft muss von der Notwendigkeit dieser Änderungen selbst überzeugt sein. Dies ist sehr schwer und dauert lange (der Kampf für die Rechte von Frauen dauert schon seit mindestens hundert Jahre an, bei den rechten von homosexuellen sind es auch schon mehrere Jahrzehnte). Das gute ist, das im heutigen Informationszeitalter es viel leichter ist, sehr viele Menschen gleichzeitig zu informieren und damit Aufklärung und gesellschaftliche Akzeptanz viel schneller erreicht werden kann, als noch vor 20-30 Jahren, wo größere Gruppen nur über Medien wie Zeitungen, Fernsehen usw erreicht werden konnten und somit die jeweiligen Eigentümer dieser Medien beeinflussen konnten, was verbreitet wurde und was nicht, wo benachteiligte Gruppen natürlich kaum Chancen hatten. Aber statt sich an Personen abzuarbeiten, die gegen die eigenen Ziele ist, sollte der Fokus vor allem bei Aufklärung liegen. Es ist noch ein weiter Weg und er ist alles andere als einfach, aber irgendwann wird es vll tatsächlich möglich sein, dass jeder Mensch so akzeptiert ist wie er ist und keiner versucht jemand anderen zu ändern und auch keiner Nachteile hat auf Grund von Geschlecht, Herkunft, Religion, sexuelle Orientierung usw. Aber sowas wie eben die Boykottaufrufe gegen Rowling erschwert den Weg dahin halt nur, da man mit sowas die gesellschaftliche Akzeptanz verringert. Solange man nur zeigt warum sie im Unrecht ist und ihr Verhalten inakzeptabel ist, würde man lediglich bei denjenigen auf widerstand stoßen, die sowieso gegen die Bewegung ist, ganz egal was man macht. Aber sobald man versucht jemanden allein wegen Äußerungen aktiv oder passiv zu schaden (und genau das wird ja durch Aufrufe zum Boykott versucht), hebt man diese Person eigenständig in eine Opferposition und eine breite Masse der Gesellschaft wird mindestens mit Unverständnis für die Bewegung reagieren, die ansonsten Verständnis für diese hat und viele werden allein deswegen den Äußerungen Rowlings mehr glauben schenken (denn wenn diese so falsch sind, warum versucht man dann so sehr ihr schaden zuzufügen, so jedenfalls denken dann eben viele instinktiv). Das war was ich damit meinte, dass man der Bewegung mit solchen Aufrufen einen Bärendienst erweist.