AW: Habt ihr Leid über die Welt gebracht?
Die hier gebrachten Argumente für eine solche verallgemeinernde "Volks"-Verantwortung sind mE nicht tragbar. Soll ich meine Eltern und diese wiederum ihre Eltern dafür verklagen, dass sie mich in einem bestimmten regional abgegrenzten Gebiet geboren haben? Wer kann denn bitteschön etwas dafür, dass er sich aus der Verbindung von Samen und Eizelle in bspw. Kehl statt 5 km weiter in Strasbourg entwickelt hat? Wie will man das einem Kind plausibel erklären?
Ich stimme deiner Argumentation zu - durch den fett markierten Absatz hast du allerdings allem, was mit Nationalität oder National-Identität zu tun hat, abgeschworen.
Unter dieser Voraussetzung kann ich zustimmen, dass jegliche Verantwortung in Bezug auf die Generation vor uns selbst unnötig bzw. unangebracht wäre. Jeder kann nur für seine eigene (Lebens-)Geschichte Verantwortung übernehmen.
In erster Linie sind wir alle Menschen... allerdings besitzen wir für die Region, in die wir hineingeboren werden, ein Bleiberecht (Nationalität) und eine nicht beschreibbare regionale Bindung (wer kennt kein Heimweh?). Dafür muss sich niemand schämen oder wenn es ihm nicht gefällt, dem "abschwören". Jedoch muss man nur für sein eigenes Handeln innerhalb dieses Gesellschaftsverbundes Verantwortung tragen.
Kein anderer Deutscher wird zur Verantwortung gezogen, wenn Paul Bunzelmann die belgische Grenze überschreitet und dort eine Straftat begeht, während 82 Millionen Deusche in Verantwortung genommen werden, weil Teile der jetzt noch lebenden Bevölkerung dereinst einer besch...... Ideologie nahe standen, diese mit Waffengewalt gegenüber anderen Menschen versuchten durchzusetzen und dabei unsägliches Grauen über ihren Einflussbereich gebracht haben. Andere Teile dieser Bevölkerung haben dagegen Widerstand geleistet, haben diese Ideologie bekämpft oder zumindest nicht unterstützt und werden ebenso dafür unter Generalschande gestellt.
Das ist schlicht ebenso falsch, wie die folgenden Generationen mitverantwortlich zu machen.
Ein Beispiel aus der heutigen Zeit, dessen Bewertung mich in fernen Jahren sehr wohl interessieren würde:
Ich fühle mich bspw. nicht verantwortlich für die Beteiligung unserer Truppen am völkerrechtswidrigen Krieg in Afghanistan. Ich lehne diesen Krieg ab. Ich spreche mich dagegen aus. Ich versuche alles in meiner Macht stehende, um die deutsche Beteiligung zu beenden. Bin ich dennoch für diese Kriegsbeteiligung als deutscher Staatsangehöriger mitverantwortlich? Ich denke: nein.
Oder was denkt "Ali Özdemir"* (Inhaber der deutschen Staatsbürgerschaft, hier seit 40 Jahren wohnhaft, arbeitend, Steuern und damit WIedergutmachung zahlend), wenn die Kanzelbunslerin von Kollektivschuld spricht. Andersherum: Was denkt sich "Kurt Kleinholz"*? Argentinischer Staatsangehöriger und ehemaliger KZ-Aufseher, dem die Flucht gelang. Der lacht sich schlapp üder die blöden Deutschen (er gehört ja nicht mehr dazu).
*) Namen fiktiv
Anderes Beispiel: Ich freue mich, wenn ein deutscher Sportler (oder ein ganzes Team als deutsche Mannschaft) bei internationalen Wettkämpfen Erfolge verbucht. Ich freue mich über die Leistung und auch darüber, dass dies als Erfolg meines Landes gewertet wird. Niemand wird jedoch darauf kommen, zu sagen, dass wir alle (oder ich oder jeder andere Einzelne speziell) in Deutschland deswegen gute Sportler sind. Denn es macht mich nicht stolz, ein Deutscher zu sein. Warum auch,
ich habe doch nichts geleistet, sondern die Sportler (welche zum Teil nicht einmal die deutsche Staatsbürgerschaft haben und dennoch Deutschland vertreten)...
Ich bin auch nicht Papst ("Wir sind Papst!") ... das soll der Benedikt mal schön alleine mit seinem Chef ausmachen. Wäre ja auch grauenhaft, eine Atheisten als Papst zu haben.
Auch sehe ich mich nicht als Deutschland im Sinne bekloppter Werbekampagnen ("Du bist Deutschland!") von Institutionen zur Wiedererlangung eines "nationalen Bewußtseins".
Und dennoch habe ich durchaus eine Nationalidendität und Heimatverbundenheit (im Sinne gefühlter Naturverbundenheit mit bestimmten Regionen und Stätten meines Lebensablaufes), bin froh über die Errungenschaften unserer Vorfahren (z.B. unsere Verfassung (GG), Gleichberechtigung, Achtung und Wahrung der Menschenrechte) die es mir und meiner Familie ermöglichen in meinem privaten Wirkungsbereich ein menschenwürdiges Dasein zu führen. Diese Werte versuche ich durch meinen privaten und beruflichen Einfluss zu vertreten. Doch, sind dies nationale oder ideologische "Gruppen"-Werte? Oder nicht doch eher humane Werte - ethische Werte, die jeder Mensch am ehesten als Mensch vertreten kann.
Was ich sehr wohl nicht habe, ist Nationalstolz, nationalistischen Eifer oder gar separatistische Einstellung, wie man sie bei so manchem Landsmann, sei es im Sport oder der Innen- sowie Außenpolitik, finden kann.
Unsere Welt wird sich sowieso dahingehend wandeln, dass wir als menschliche Gesamtheit das Überleben versuchen werden. Nationalistische Bestrebungen verhindern dabei die Resourcenbündelung in Versorgung, Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung, was wiederum die allgemeine Entwicklung der menschlichen Rasse hemmt.