Zum Thema "Schweiz und keine militärische Tradition" - da möchte ich als Historiker doch vehement widersprechen.
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Nein, die Schweiz als LAND mag vlt. keine "militärische Tradition" haben, im Sinne geführter Kriege, ihre Bewohner haben das sehr wohl.
Sorry für die meine undeutliche Aussage. Ich meinte in diesem Zusammenhang schon die militärische Tradition des Landes, nicht die seiner Bewohner. Sprich, von der Schweiz als Nation geht keine Gefahr für die Nachbarn aus.
Dass sich schweizerische Söldner im Auslang verdingen, sagt ja auch eher aus, dass es für die eigene Nation zu wenig zu tun gibt.
Und die Begründung, bzw woraus schliesst Du das?
siehe unten
Das Volk ist eben nicht blöd, wenn es sich mal angefangen hat mit dem System auseinander zu setzen, kann auch das Volk schwierige Entscheide treffen.
"Blöd" ist eine viel zu pauschale Aussage. Natürlich ist das Volk nicht blöd. Aber je komplexer ein Problem ist und je weiter es gleichzeitig simplifiziert und in eine einfache "ja" vs. "nein" Entscheidung gepresst wird, desto unwahrscheinlicher und schwieriger ist es für das Volk, die Frage entsprechend zu lösen. Ja, man kann sogar mit einer Berechtigung sagen, dass komplexe Probleme überhaupt nicht derart zu lösen sind.
Die direkte Demokratie führt dazu, dass sich die Bevölkerung mit der Politik auseinandersetzt. Unsere Bevölkerung ist politisch besser informiert als jene in den meisten anderen Ländern. Wenn man sagt, die Bevölkerung ist zu dumm, um Entscheide zu treffen, dann sagt man damit, die Bevölkerung ist zu dumm für die Demokratie.
Ob das an der direkten Demokratie liegt, ist reine Spekulation bzw. wird nicht ausreichend begründet. Es gibt auch Gesellschaften, die politisch motiviert und informiert sind und die gleichzeitig keine oder so gut wie keine staatlichen Strukturen haben, die direkte Demokratie erlauben.
Ich kann das Argument allerdings leicht per Gegenbeispiel entkräften. Dafür muss ich wieder die Machtergreifung unter den Nazis heranziehen, die per Volksabstimmung legitimiert wurde. War die deutsche Bevölkerung damals dumm? Man weißt es nicht, zumal das eine Frage der Perspektive und des eigenen Standpunktes ist. Man kann jedoch sagen, dass die Bevölkerung sich willentlich in die Hände von Autokraten und eines Diktators begeben hat und sich so letztlich selbst entmachten hat. Ich würde das gerne verhindern bzw. ausschließen. Volksabstimmungen funktionieren eben solange prima, wie sie nicht dazu missbraucht werden, um unseren demokratischen und freiheitlichen Grundsätzen die juristische Grundlage zu entziehen. Das mag abwegig klingen, aber das kann leider schneller gehen, als uns lieb ist. Dazu müssen wir uns nur mal in Europa umschauen. Dort sind Demokratiefeinde allerorts auf dem Vormarsch...
Und der zweiten Aussage stimme ich auch nicht zu. Es geht nicht darum, Menschen als zu dumm zu bezeichnen. Es geht darum, politische und psychologische Systeme zu analysieren und auf ihren möglichen Missbrauch hin abzuklopfen.
Ich sage ja nicht, dass Deutschland eine Demokratie nach Schweizer Modell einführen soll. Aber auch in Deutschland wünschen sich viele Menschen mehr Mitsprache- und Partizipationsmöglichkeiten. Mir leuchtet nicht ein, warum die Bevölkerung zu dumm sein soll, eine Ja-oder-Nein-Frage zu beantworten, und gleichzeitig intelligent genug, bei einer Wahl den richtigen Kandidaten zu wählen. Das ist doch viel komplizierter.
Das stimmt, eine Wahl ist auch kompliziert. Aber sie ist weniger gefährlich. Das Prinzip dahinter ist relativ einfach: Das Parlament bzw. die Regierung hat keinen universellen Geltungsanspruch. Dadurch, dass sie nur auf Zeit gewählte Vertreter des Volkes sind, können sie nicht so einfach und nicht so nachhaltige gesellschaftliche Strukturen ändern. Von einer Regierung verabschiedete Gesetze können von der nächsten Regierung wieder rückggängig gemacht werden. Umfangreiche Gesetze bedürfen z.B. die Mitsprache der Bundesländer im Bundesrat. Das Verfassungsgericht schaut der Exekutive und der Legislative immer über die Schulter und Verfassungsänderungen bedürfen generell der 2/3 Mehrheit im Bundeetag. Gleichzeitig trägt die Presse als inoffizielle 4. Gewalt die Diskussion innerhalb der Staatsorgane in die Öffentlichkeit und bewertet sie gleichzeitig. Das alles ist ein umfangreiches System der Gewaltenteilung und der gegenseitigen Kontrolle, das implizit und explizit wirkt.
Eine Volksabstimmung hat einen ganz anderen Charakter. Er ist viel universeller und viel grundsätzlicher, eben weil er direkt vom Souverän kommt. Die Briten bekommen das gerade gut zu spüren bei der Brexit-Entscheidung. Obwohl das Parlament mehrheitlich eigentlich dagegen ist und auch immer mehr Menschen merken, dass es vielleicht doch keine so gute Idee ist, "muss" es doch irgendwie umgesetzt werden - eben weil es der direkte Wille des Volkes, des Souveräns ist. Es ist damit eine Entscheidung, die nicht anzweifelbar ist, die nicht (in absehbarer Zeit) umkehrbar ist und die nicht verhandelbar ist. Das kann man abstrakt mit dem Wille eines Diktators bzw. Königs vergleichen, der über dem Gesetz steht. Volksabstimmungen und direkte Demokratie im großen Maßstab eröffnen einen Weg, mit dem sich der Souverän über das Gesetz und die Verfassung stellen kann. Das ist auch der Weg, wie die Nazis das Parlament abgeschafft haben, indem sie sich als Sprachorgan des wahren Souveräns stilisiert haben und sich per Volksabstimmung als Alleinherrscher legitimiert haben. Deshalb haben wir nach dem Krieg diese "Lücke" im Schutzschild der Demokratie geschlossen und damit sicher gestellt, dass die Verfassung und die Gesetze immer für alle gelten, auch für den Souverän, das Volks.
Das ist auch der Grund, warum ich strikt gegen Volksabstimmungen auf nationaler Ebene bin und warum ich Volksabstimmungen nur in bestimmten Bereichen unterstütze (wie gesagt, z.B. bei großen Bauprojekten), die eine klare bzw. relative eindeutige Simplifizierung auf "ja" und "nein" zulassen und die gleichzeitig keine staatstragende bzw. fundamentale Bedeutung für die Gesellschaft haben. Denn zu viel direkte Demokratie ist eine Gefahr für die Demokratie an sich. Das mag widersinnig klingen, aber dem ist nicht so. Denn durch die indirekte, parlamentarische Demokratie wollen wir uns praktisch vor uns selbst schützen und die Grundsätze der Verfassung auch dann bewahren, wenn wir der Demokratie misstrauen.
Es ist ein Trugschluss zu glauben, Politiker seien immer weitsichtiger und wüssten immer alles besser als die Bevölkerung. Studien haben gezeigt, dass sich Politiker nur für wenige Themen interessieren und sich dennoch zu allen Themen im Parlament äussern müssen.
Ich bin keineswegs der Meinung, dass Politiker per se weitsichtiger wären als andere oder mehr wüssten. Politiker sind Menschen wie alle anderen auch, mit persönlichen Vorlieben und Interessen. Aber es geht mir nicht um Personen (daher passen so Beschreibungen wie dumm etc auch nicht), sondern um Systeme und Strukturen, die Demokratie nicht nur ermöglichen, sondern auch langfristig erhalten und die systemischen Gefahren, die diesem System ständig drohen, zu minimieren.