Ich kann mich meinen Vorpostern nur anschließen und derzeit nachdrücklich von einem Kauf des Spiels abraten. Startprobleme gehören bei den X-Spielen ja traurigerweise schon zur Tradition der Firma, was Egosoft da aber abgeliefert hat übertrifft alles bisher Dagewesene.
Wie einer der Vorposter habe auch ich es als alter Fan der X-Reihe nicht abwarten können und trotz der Bug-Reports über Steam zugeschlagen. Ein paar Bugs können ja nicht so schlimm sein und sind sicher mit der Zeit rauszupatchen dachte ich mir. Was ich dabei nicht bedacht habe sind die inhaltlichen Schwächen die das Spiel derzeit leider aufweist. Das Grundkonzept der X-Spiele war ja bisher jederzeit Missionen zu erledigen und Weltraumgefechte zu kämpfen, sich dann bessere Schiffe und Waffen zu holen sowie sein Schiffchen mit diversen Gadjets auszurüsten. Oder man ging eben gleich auf die Wirtschaft, verschiffte erstmal ein paar Energiezellen, kaufte sich ein paar Frachter dazu und baute sich die erste Fabrik bis die Wirtschaft floriert und das kleine Imperium wächst und gedeiht. Soweit so gut, leider ist diese Spieldynamik in einigen wesentlichen Aspekten verändert worden, und das nicht gerade zum Vorteil.
Punkt1: Die Schiffe - War es in den voran gegangenen Teilen noch ein erheblicher Motivationsfaktor sich mit zunehmendem Wohlstand - sei dieser nun über Wirtschaft oder Raumkämpfe erreicht - ein schickeres Schiff zu kaufen, so ist man in X3 - Rebirth aus mir schleierhaften Gründen an das Startschiff "Albion Skunk" (zu deutsch: "Albions Stinktier") gebunden. Damit entfällt ein wesentlicher Motivationsaspekt des Spiels, denn das Schiff macht seinem Namen nicht nur optisch alle Ehre. Wer also wie in den Vorgängern von Jägern auf Korvetten und später vielleicht sogar auf einen Großkampfkreuzer/Trägerschiff geäugt hat wird hier enttäuscht sein. Nicht dass man die nicht trotzdem kaufen kann, man darf sie eben nur nicht fliegen. Wer das Spiel also bis zum Ende hin durchhält darf sich darauf freuen in großen Raumschlachten mit seinem "Stinktier" zwischen all den schönen Schiffen umherzugurken. Das mittlerweile vorhandene Cockpit läßt sich meines Wissens bisher nicht ausblenden, einen Hotkey für die Außenansicht habe ich bisher im Menü ebenfalls vergeblich gesucht.
Punkt2: Die Wirtschaft - Um anfangs an Geld ranzukommen, kann man nun Stationen abfliegen und dort per Klick auf eines der zahllosen Icons an den mittlerweile riesigen (und unübersichtlichen) Stationen Angebote und Aufträge einholen. Einem Frachter läßt sich dann der Befehl erteilen zB Energiezellen zu kaufen, und dann andernorts bei vorab "eingescannten" Nachfragen wieder zu verkaufen. Mal davon abgesehen, dass die "K.I." aus diesem an sich recht simplen Prozess schon jetzt durch einige Bugs hier und da mal scheitert, war es bisher auch noch nicht möglich die eingegebenen Befehle zu revidieren. Sollte eines der kostbaren Riesenschiffe (die Frachter sind jetzt überdimensional groß) mal angegriffen werden, erhält man darüber im Übrigen jetzt auch keine Nachrichten mehr. Ein Spieler hat sich zB in einem Forum darüber beschwert, dass sein Bergbaufrachter stundenlang in einem Asteroidenfeld am Abbauen war, und dann plötzlich verschwunden ist. Die traurige Gewissheit kam später, das Schiffchen wurde beim Abbauen attackert und in Stücke geschossen, auch darüber wurde der Spieler nicht informiert.
Um gesonderte Rabatte bei Stationen zu bekommen, ist es im Übrigen wichtig, diverse Info-Icons der riesigen Komplexe abzufliegen. Die Idee dahinter: Eine Nahrungsmittelfabrik hat ein Kühlleck und damit der Pilot das nicht publik macht bekommt er die Ware vergünstigt - so die Theorie des Entwicklers. Praktisch umgesetzt sieht das dann aber so aus, daß man nervigerweise stundenlang um die Station rumeiert und an einem Info-Spot nach dem anderen anhält, außer zusätzlichen statistischen Daten in der Info-Tafel der jeweiligen Station habe ich hier bisher noch keine wirklich stimmungsvollen Elemente erlebt, es bleibt beim Abfliegen der Punkte und anschließend wird über das Handelsmenü eingekauft. Dass das langfristig Spass machen soll liegt jenseits meiner Vorstellungskraft.
Punkt3: Crew und Stationen - Ein Aspekt den sich viele X-Spieler gewünscht haben ist der, auf den Stationen herumlaufen zu können. Diesen Wunsch hat man den Spielern erfüllt, allerdings sollte man hier nicht zu viel erwarten. An diversen "Icons" der (von außen) riesigen Stationen verbergen sich Landeplätze für unser Schiff, von denen aus wir einen kleinen Indoor-Bereich mit viel monotonem Flur und diversen statischen NPCs betreten können. Gerade viel von dem Handel für zusätzliche Ausrüstung wurde von den Menüs der Vorgänger (andocken, Menü aufmachen, kaufen, fertig) an NPC Händler weitergegeben, die zumeist quer über die Station verteilt stehen. So wunderschön die Grafik der Sektoren, Raumstationen und Schiffe auch im Weltall ist (mit Sicherheit der größte Pluspunkt von X3 - Rebirth), so fad wirken die Stationen im Gegensatz dazu von innen. Die NPCs stehen alle in der Gegend herum, bewegen sich null, und erzeugen soviel Sympathie wie eine offene Packung Toastbrot. Hinzu kommt die nervige Menüführung, will man etwa mit einem NPC handeln, muss man genau vor ihm stehen, um überhaupt die Hitbox des digitalen Kollegen zu treffen, sodaß man schon manchmal nervig über das Mobiliar springen muss, um überhaupt eine Interaktion starten zu können. Darüber hinaus sind sprachliche Animationen jenseits von gut und böse und um Welten den derzeitigen Standarts hinterher, jeder Soldat bei Rome3-Total War sieht in der Nahansicht um Klassen besser aus. Die Co-Pilotin die wir zu Anfang im Weltall auflesen bewegt ihren Mund so asynchron und rhythmisch zum gesprochenen Text, dass sie ungewollt komisch rüberkommt und eher nach einem erstickenden Goldfisch aussieht.
Um seinen Frachter startklar zu bekommen, muss man diesen übrigens auch mit einer Crew ausstatten, also an Bord einer Station einen Captain, einen Sicherheitsoffizier, und optional noch einen Ingenieur anheuern. Anschließend fliegt man die Baggage dann rüber auf den Frachter, landet dort, und klickt sich durch einige Menüs um die Leute auf dem Schiff an die Arbeit zu schicken. Von einer Vereinfachung der Spielmechanik gegenüber der zwar komplexen aber effizienten Menüführung der Vorgängerspiele kann hier keine Rede sein.
Punkt4: Kampagne - Wer sich selbst einen Gefallen tun will spielt das Spiel besser auf englisch, um die grausame Synchro auf deutsch zu umgehen. Die Sprecher "lesen" ihren Text teilweise so desinteressiert und monoton vor, daß man meinen könnte sie würden hauptberuflich in einem indischen Callcenter zur Annahme von Kundenbeschwerden der Deutschen Bahn arbeiten. Teils artet das so aus, dass die (Gott sei dank untertitelten) Dialoge sinnentfremdet werden. Das ist in der englischen Sprachausgabe wesentlich besser und stimmungsvoller gelungen (auch das ist aber keine Seltenheit bei PC-Spielen).
Die Storyline der Kampagne selbst ist stimmungsvoll und wird durch Kurzvideos ala Mankind zwischen den Missionen fortgetragen (Kurzzusammenfassung: Die meisten Sprungtore sind ausgefallen, neue Allianzen bilden sich, Spieler startet im Sektor Albion der von böser profitgieriger Bergbaugesellschaft dominiert wird).
Leider scheitern auch einige Missionen böse an Bugs und mangelnder Hilfestellung, und treiben den Frustpegel recht schnell in die Höhe. Beispiel: In einer Mission müssen wir mit unserem "Stinktier" zu einer feindlichen Station fliegen und diese mit einer bestimmten Spionage-Drohne hacken. Die Drohne müssen wir erst kaufen und fliegen somit auf den Stationen einen Landepunkt nach dem anderen ab, hüpfen vor NPCs die mit "Drohnenhändler" getaggt sind auf und ab, und kaufen uns eine dieser Spy-Drones. Die Drohne hatte aber einen bestimmten Namen, wie hieß die noch? Gucken wir doch mal ins Missionsverzeichnis da steht das bestimmt drin, gesagt getan "fliege zu Station xy", hm, super, steht nichts von da. Man kauft also von seinem wenigen Geld eine Spy-Drone und siehe da, es ist die falsche. Damit geht das nicht. Da einem das Interface dann vor der Station sagt "steige in eine Trojaner-Drohne," kaufen wir also von dieser Version noch eine, nachdem wir endlich nach einer halben Stunde der Suche einen Händler gefunden haben, der diese seltenere Version auch auf Lager hat. Was nun kommt treibt aber auch jedem NSA-Praktikanten die Tränen in die Augen: Wir eiern also wieder zu der Station, aktivieren die Drohne (der Pilot steuert diese vom Schiff aus fern), und fliegen fröhlich von dannen. Man fliegt dann einen Punkt nach dem anderen an der Station ab, klickt diesen an, klickt auf hacken, und fliegt weiter, nach einiger Zeit kommt dann ein Patroullien-Schiff und scannt uns, entweder wir steigen jetzt schnell aus (die Drohne wird dann zurück an Bord "teleportiert") oder das Patroullienschiff pustet unsere kostbare Drohne zu Weltraumbröseln. Also schnell Esc gedrückt und verduftet, danach der Spass von vorn, und oh Freude, wir dürfen nochmal von vorn anfangen. Dieses mal wird das Hauptschiff während wir fröhlich mit unserer Blechdrohne rumfliegen angegriffen. Da eine Warnmeldung hier fehlt, bekommt man das auch erst mit wenn man die Verbindung zur Drohne unterbrochen hat. In dem Moment waren die Schilde der "Skunk" schon unten und das Schiff halb zerschossen, sowie diverse Systeme schwer beschädigt. Da der Frustpegel in Aussicht den ganzen lahmen Quatsch nochmal machen zu müssen hier das kritische Niveau überschreitet, in dem die Gegenstände auf dem Schreibtisch des Spielers auf ihre Flugeigenschaft getestet werden, war hier mal eine Pause von dem Spielspass angebracht. Für alle mitleidenden X3-Spieler bleibt nur warten auf diverse Patches übrig. Wir sind viele - wir sind Legion - oder so änlich...frohes Schaffen!!!
Fazit:
X3 - Rebirth ist ein Spiel mit wirklich großem Entwicklungspotential, dass aber derzeit an so vielen Fronten unausgegoren und verbesserungswürdig erscheint, dass man dem Spiel noch EINIGE Monate an Entwicklungszeit und einen vernünftigen Beta-Test hätte gönnen müssen. Wie es leider bei einigen Entwicklern Usus geworden ist, wird man hier mit einer spielerischen Baustelle abgefertigt, die wirklich ihres Gleichen sucht. Egosoft hat sicht damit gegenüber seiner sonst schon schmerzresistenten Fan-Gemeinde sicher keinen Gefallen getan.
Positiv sind eindeutig die gute Grafik, die wunderschönen Sektoren und der mal wieder durchaus gelungene Soundtrack hervorzuheben. Ebenso wie die unzähligen ameisenartigen Strassen von diversen Raumfahrzeugen das Weltall um die großen Stationskomplexe wirklich lebendiger wirken lässt.