zook hats schon angedeutet: leute! ihr müsst differenzieren! n bergarbeiter is mit 60 fix & foxi ... ein alter, wo man als politiker in den besten jahren is. wenn jemand 40 jahre im drei-schicht-system gearbeitet hat, sehnt er sich schon seit 10 jahre die rente herbei. der durchschnittliche lehrer is mit 55 total ausgebrannt. der durchschnittliche beamte kann mit 60 noch gut arbeiten, muss sich ja auch net so viel bewegen ... doch halt: schon mal nen 60 jährigen polizisten gesehen, der an der radarpistole sitzt oder auf demos für sicherheit sorgt? tja, schon ne knifflige sache mit dem differenzieren.
PS:
In Zeiten leerer Rentenkasse, Geburtenrückgang und Zuwanderungs-Disputen, sollte man sich eigentlich einmal ernsthaft mit der Problematik der Bevölkerungsverteilung beschäftigen, ich will dies aber hier ersteinmal auf eine andere Art versuchen.
"Der Pizzabote"
Ich öffne die Tür, es singt und schalt mir entgegen: „Happy birthday to you, happy birthday to you, happy birthday dear Johann, happy birthday to you ! " „Ach ich danke euch Freunde, das ist wirklich ne Überraschung.“ „Schatz, komm setz dich, ich hab dir deinen Lieblingskuchen gebacken." „Oh ich danke dir Liebling, du hast wirklich den alten Ofen entstaubt? Du bist ein Engel, aber sag mal, wo ist denn mein werter Sohnemann?“ „Tja, tut mir Leid, Heiko kann erst morgen aus St. Petersburg kommen, das Klima – du weißt ja. Wie war’s übrigens auf Arbeit?“ „Och war schon schön, ich hatte mit meinen Kollegen ausm Vorstand ne kleine Partee. Dummerweise haben wir einen Notruf unserer Abteilung in Peking bekommen, elendes Ozonloch. Aber jetzt wird gefeiert! Pierre, Lisa, Frank ? Lasst uns anstoßen!
- Prost -
Einige Stunden später liege ich im Bett und wie üblich wach. Melanie hat nie Probleme mit dem Einschlafen, ich sehe ihr noch immer gern zu. Manchmal schaue ich noch Holo, zur Ablenkung, mein Job frisst mich auf, 1000NAMs* am Tag und immer auf Abruf. Es mag an meinem Geburtstag liegen, dass ich heute nachdenklicher bin als sonst oder daran, dass ich Heiko fast ein Jahr nicht gesehen habe oder ganz einfach weil ich noch Hunger habe? Ich schicke also schnell eine Nachricht per PCU* an „Pizza2000“, begebe mich in mein Arbeitszimmer und schau noch mal auf die Kontobewegungen dieser Woche. 1970 – oha, gleich ist Sonntag. Endlich Wochenende, ich werde mal ausschlafen, auf das „optimierte Frühstück“ verzichten und mit meiner Familie mal so richtig altmodisch beim Italiener in der 18./19. Brunchen. Endlich mal raus aus NeuBerlin, ich darf das! Ich habe 4 Monate lang Anträge gestellt und Kollegen bestochen um mal wieder Sonntags mit meinem MDHV* einen Ausflug machen zu können.
Oh, die Pizza ist da. „Guten Abend, ich bringe ihre Pizza.“ „Wow, danke, das ging aber schnell.“ „Man tut was man kann“ „Naja, so normal ist das nicht, bisher hat es immer locker 50NAMs* gedauert, sind sie eine Aushilfe?“ Er schaut mich verwundert an: „Nein, das isn Full-Time-Job!“ Prompt schaue ich ebenso verwundert zurück: „Ist das nicht wahnsinnig stressig? Vor allem in ihrem Alter?“ Er schmunzelt mich an „Einfach ist es nicht, aber ich denke, sie haben es auch nicht leicht. Könnten sie hier noch auf dem Scanner – na sie wissen schon“ Etwas verwirrt bezahle ich, nehme meine Pizza und überlege beim Reingehen, wieso ein locker 60-jähriger ein Pizza-Bote sein kann, was ist aus den Studenten geworden? Den Twens ? "Der Kauf des automatischen Pizza-Cutters jedenfalls hat sich wirklich gelohnt" denke ich so bei mir und schon ist die italienische Köstlichkeit sauber geteilt und bereit verschlungen zu werden. Ich gehe zurück in mein Arbeitszimmer, es trudeln noch ein paar verspätete Geburtstagsgrüße ein. Wie aus dem Nichts höre ich urplötzlich laute Musik aus der Nachbarschaft. Der Neue von gegenüber, so ein junger wilder, macht eine seiner berühmt-berüchtigten Partees. Alkohol, Bässe, Weiber und Fleisch en masse, diese Jungend hört erst im Morgengrauen auf und das lässt ja im Dezember recht lang auf sich warten. Ich schaue dem bunten Treiben noch ein wenig zu und genieße meine Pizza. Nach dem 5. Stück merke ich ein wohliges Gefühl im Magen. Nunja, ich sollte dann doch mal ins Bett.
Plötzlich schrecke ich auf, alles ist dunkel, ruhig, nichts Besonderes, aber es hämmert ein Gedanke in meinem Kopf: 5 Stück Pizza? Ich könnte schwören, es lägen noch 6 weitere auf dem Teller. Ich gehe in die Küche und … Tatsächlich: 6 Stücke. 6 ??? Wieso zum Teufel schneidet mein Pizza-Cutter eine Pizza in 11 Teile? Ich suche über 20NAMs, kann jedoch nur feststellen, dass es tatsächlich nur diese eine Einstellungsmöglichkeit gibt. Träumend dem Sonnenaufgang harrend, sitze ich in meinem Lieblings-Sessel und genieße die Nackenmassage. Gegen 700 weckt mich dann Melanie „Hey Schatz, was machst du denn hier?“ „Entschuldige Liebes, ich bin nur etwas überarbeitet. Wann können wir losfahren?“ „Naja, da Heiko nicht vor heute Nachmittag kommen wird, könnten wie ja bald los. Ich dusche noch schnell und du nimmst die Brötchen entgegen? Der Bote müsste jeden Moment kommen“
Kurz darauf habe ich meine 2. Begegnung der „Botischen-Art“ an diesem Tag. Déjà Vu: wieder ist der Bote über 60, wieder wird mir erzählt, es wäre ein Full-Time-Job, wieder sagt man mir, ich müsste doch wissen, wie es so im fortgeschrittenen Alter sei.
Als ich den Wagen aus der Garage fahre und Melanie am Hauseingang steht, höre ich einen Schrei. Ich renne sofort los, sehe meine Frau in den Armen eines grauhaarigen Mannes, wieder so ca. 60 Jahre alt. Obwohl sie vor Freude zu schreien scheint, stürme ich auf den graumelierten Typen los. Er dreht sich zu mir: „Herzlichsten Glückwunsch und alles Gute zum Geburtstag Vatter!!!“
*NAM: 2000NAMs = 1 Tag
*PCU: Personal Communication Unit
*MDHV: Manual Drive Hover Vehicle