John McClane ist schlussendlich doch im neuen Jahrtausend angekommen
Mit „Stirb Langsam“ („Die Hard“) landete John McTiernan 1988 (nach „Predator“, ein Jahr zuvor) nicht nur einen weiteren beachtlichen Überraschungserfolg, sondern revolutionierte ganz nebenbei das Actiongenre, machte explodierende Hochhäuser zum Sinnbild gepflegter Zerstörungsorgien und hob den TV Star Bruce Willis, der bis dahin lediglich einen Kinoflop („Blind Date“) vorzuweisen hatte, in den Actionolymp.
Renny Harlin setzte die adrenalinhaltige One-man-show zwei Jahre später mit „Stirb Langsam 2“ („Die Hard 2“) angemessen fort, konnte dem Film aber nicht mehr dieselbe wegweisende Mischung aus Action, innovativer Handlung, schwarzem Humor und Brutalität mit auf den Weg geben, die den Vorgängertitel zu einer der besten Genreproduktionen aller Zeiten gemacht hatte.
Mitte der 90er entschlossen sich John McTiernan und Bruce Willis schließlich John McClane erneut wiederauferstehen zu lassen und ihm, mit Samuel L. Jackson als Zeus einen prominenten Partner an die Seite zu stellen. „Stirb Langsam - Jetzt erst recht“ („Die Hard with a vengeance“) punktete mit einer innovativen, wendungsreichen Geschichte, Bruce Willis in Bestform und einem tollen Bösewicht und schloss die Trilogie 1995 somit mehr als nur würdig ab.
Doch schon kurze Zeit nach dem Start des dritten Teils kamen Gerüchte über einen eventuellen vierten auf, die über die Jahre hinweg sogar soweit gingen, dass man McClane Britney Spears als Tochter aufs Auge drücken und die Handlung in den Dschungel von Brasilien verlegen wollte („Rambo“ lässt grüßen).
Trotz des großen Erfolges der Vorgängerfilme und dem riesigen Fanpotential dauerte es dennoch zwölf lange Jahre bis schließlich Len „Underworld“ Wiseman Bruce Willis ein viertes Mal die Marke umhängte, ihn mit blutenden Wunden verzierte und ihm die Lizenz zum Sprücheklopfen, auf coolstem Niveau, zurück gab („You just killed a helicopter with a car.“ „I was out of bullets“).
Die zuvor bereits erwähnten Gerüchte ließ der junge Regisseur und Beckinsale-Gemahl Gott sei Dank außen vor und beschränkte sich darauf, die Handlung des Streifens in dieses Jahrtausend zu verlegen und John McClane deutlich altern zu lassen.
Aber zurück zum Inhalt von „Stirb Langsam 4.0 „ („Die Hard 4“) und zu John McClane (Bruce Willis), in dessen Leben sich in der letzten Dekade viel getan hat.
Dieser ist nämlich von seiner Frau Holly geschieden, hat den Kontakt zu seiner Familie beinahe verloren, trägt keine Rippshirts mehr und macht sich ständig Gedanken um seine jugendliche Tochter (Schönheit Mary Elizabeth Winstead aus „Grindhouse“ und „Black Christmas“). Kurz vor Dienstschluss erhält er den Auftrag den Hacker Matt Farrell (Justin Long aus „Jeepers Creepers“ und „Idiocracy“) von seiner Wohnung abzuholen und zum FBI Hauptquartier zu kutschieren. Eine simple Aufgabe sollte man meinen. Doch kaum ist John bei dem Hacker angekommen, rutscht er auch schon wieder einmal in eine Falscher Mann, zur falschen Zeit, am falschen Ort -Handlung hinein und wird von allen Seiten beschossen. Gemeinsam mit Matt versucht er den frustrierten ehemaligen FBI Mitarbeiter Thomas Gabriel (Timothy Olyphant aus der Serie „Deadwood“, der als „Hitman“ in der gleichnamigen Videospielverfilmung bald wieder in unseren Kinos zu sehen sein wird) und seine Crew (ua.: Maggie Q aus „Mission Impossible 3“) davon abzuhalten, die USA ins Chaos zu stürzen und Milliarden vom Staatsbudget abzuzweigen.
Ein Hubschrauber, ein Jet, eine Brücke, etliche Autos und noch viele andere Gegenstände müssen im Laufe der Handlung oft recht innovativ ihrem unausweichlichen Schicksal entgegensehen.
You got McClaned könnte man sagen.
Nach „Mission Impossible 3“ und „Shooter“ und vor „Rambo 4“ und dem neuen „Indiana Jones“ Streifen hat es somit ein weiteres storytechnisches Relikt der Vergangenheit auf die weltweiten Kinoleinwände geschafft und schon am Starttag (einem Mittwoch) Amerikaweit rund 10 Millionen Euro eingespielt. Zurzeit (2 Wochen nach Start) steht der Zähler bei 85 Millionen Dollar.
Scheinbar dürfen wir, nach etlichen Jahren in denen sich Actionproduktionen primär auf den B- und C- Sektor des Direct to DVD bzw. früher Video Marktes beschränkten, einem neuen Actionrevival entgegen sehen, da sich, zwischen allwöchentlich laufenden Horrorstreifen, penetrant beworbenen (oft unlustigen) Komödien und diversen Frühling-, Sommer-, Herbst- und Winter- Blockbustern in letzter Zeit immer häufiger solide handgemachte Actionstreifen ins Kinoprogramm einzuschleichen beginnen.
„Stirb Langsam 4.0“ wurde, auf Grund der niedrigen Alterseinstufung (PG 13) und des jungen, bisher nur im fantastischen Genre tätigen Regisseurs, schon im Vorfeld von allen Seiten nahezu gleich heftig kritisiert wie Daniel Craigs Einstand als neuer Bond. Ebenso wie bei diesem, haben sich die Vorfeldkritiker jedoch auch diesmal auf der ganzen Linie getäuscht. „Stirb Langsam 4.0“ ist nämlich weder die überbordende Effektschlacht geworden, die die einen ganz offensichtlich befürchtet haben, noch die zahme Familienactionunterhaltung, die den anderen den Schlaf geraubt hat.
Zugegebener Weise geht John McClane merklich unblutiger als in den Vorgängerfilmen vor, wenn er einen Terrorist nach dem anderen ins Gras beißen lässt, hat aber als Entschädigung immer einen lockeren Spruch auf den Lippen oder ein feines Selbstgespräch in petto. Des Weiteren sind die zahllosen Actionszenen tadellos und spannend inszeniert und auch ohne literweise Blutkonserven überraschen brutal und kompromisslos.
Schade ist lediglich, dass sich John McClanes Wundensammlung ab der Hälfte von „Die Hard 4“ nicht mehr blutig erweitert, obwohl er alle zehn Sekunden eine weitere Verletzung einheimst.
Das größte Manko des Films ist meiner Meinung nach allerdings Timothy Olyphant als Terrorpate. Ich traue ihm beim besten Willen nicht einmal einen Hauch Brutalität zu, kaufe sie ihm somit auch im Film nicht ab und verstehe ferner nicht, wie man solch einem ausdruckslosen Schauspieler so viele Rollenangebote zukommen lassen kann (3 Produktionen im Jahr 2007). Das Drehbuch sorgt noch zusätzlich dafür, dass seine Auftritte nicht überzeugend ausfallen und er einen der müdesten Abgänge eines Oberbosses (in einem Actionfilm) seit Jahren abliefert.
Der Gastauftritt von Regisseur, Comicfan und Filmfreak Kevin Smith („Dogma“, „Clerks“), der schon in „Daredevil“ einen denkwürdigen Cameoauftritt als Gerichtsmediziner hatte, zählt für mich wiederum zu den Highlights des Films. Smith übertrifft sich mit seiner, zwar ironischen, aber stets respektvolle Darstellung, des Hackernerds Warlock selbst und sorgt für einige der größten (und besten) Lacher des Films.
Die geschliffenen und pointierten Dialoge und das überspitzte Schauspiel rund um diese erste Begegnung von John McClane (seines Zeichens über 50 und Technikhasser) und Warlock (ein knapp 30 jähriger Computerfreak, der noch bei seiner Mutter wohnt) sind bezeichnend für das tolle Gefühl für unterschwellige Komik und die inszenatorischen Fähigkeiten von Wiseman.
Bei der Wahl von Justin Long, welcher den meisten Zuschauern am ehesten durch seine Auftritte als Mac in den Apple Spots bekannt sein dürfte, als John McClanes Buddy, hat man Mut (da Long in seinen Filmen bisher noch nicht durch überragende Schauspielqualitäten aufgefallen ist) und auch ein gewisses Maß an Innovativität (wer könnte besser als jugendlicher Gegenpol von Willis auftreten, als ein Typ, der durch die Darstellung eines Computers bekannt wurde) bewiesen. Somit unterscheidet er sich zwar recht auffallend von John McClanes Buddy Zeus aus Teil 3 der Serie, den Samuel L. Jackson genial darstellte, fügt sich aber perfekt in die Geschichte, rund um einen virtuellen Angriff auf die USA ein.
Trotz aller Vorbehalte (die ich im Vorfeld durchaus hatte), hat mich Justin Long begeistert und all meine Zweifel ohne Probleme schon in den ersten Filmminuten weggewischt. Subtile Witze einstreuend, angenehm zurückhaltend agierend und eine super Identifikationsfigur abgebend schlägt er sich wacker durch die knapp 120 Minuten Film und wird am Ende sogar noch mit dem augenzwinkernden Titel Held und der Aussicht auf eine hübsche Freundin belohnt.
Apropos Freundin.
Mary Elizabeth Winstead spielt ihre (nicht wirklich dankbare) Rolle der Tochter und damit des klassischen Opfers souverän, darf den ein oder anderen sarkastischen Spruch ablassen („Holly McClane“ „Ich dachte Genaro.“ „Heute nicht.“), Mut beweisen und etwas flirten. Alles in allem beschränkt sich ihr Tätigkeitsfeld aber auf stereotypisches hoffen, leiden und bangen.
Die zarte Romanze die sich eventuell zwischen den beiden jugendlichen Charakteren anbahnen könnte, wird zwar angedeutet, aber nicht in den Mittelpunkt der Handlung gestellt und fällt somit auch nicht weiter negativ auf.
Die Nebenfiguren (vor allem auf Seite der zu besiegenden Schurken) sind genretypisch ziemlich nebensächlich und dienen nur der Unterhaltung des Publikums und des Hauptcharakters (was mich aber nicht wirklich gestört hat).
Die im Vorfeld viel gescholtenen Actionszenen waren, wenn man von der berühmt/berüchtigten Flugzeugszene (die mich schwer an True Lies erinnert hat) absieht, adrenalinfördernd umgesetzt, angenehm ruhig geschnitten, toll ab gefilmt und weitgehend handgemacht, aber nicht ganz so nahe am 90er Jahre Stil wie ich mir das erhofft hatte.
Dennoch hat es enormen Spaß gemacht John McClane Autos verschrotten, Hubschrauber zerstören und sowohl Männer als auch Frauen verprügeln zu sehen (Maggie Q erweist sich als weitaus hartnäckigeres Stehaufmanderl, als ihr langweiliger Boss Olyphant).
Fazit:
Stirb langsam 4.0 ist ein Back to the roots Actioner im modernen Gewand und für jeden Kinogänger geeignet der auf Wahnsinnssprüche, Action ohne Ende und Bruce Willis steht und über einige Durchhänger bei den Dialogen, Blutarmut und einen müden Endgegner hinwegsehen kann.
Nachsatz:
Nur Gott und vielleicht die BPjM wissen warum John McClanes vierter Auftritt in Deutschland eine FSK: 16 Freigabe bekommen hat, obwohl er in den USA als PG 13 in den Kinos läuft. Eine Klage des deutschen Verleihers ist (angeblich) bereits in Arbeit.
In Österreich freut man sich über die (inoffizielle) FSK: 14 Freigabe.