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Bundestagspetition zur Novellierung des Paragrafen 131 ist beendet

Gargi

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Petitionsausschuss lehnt die Eingabe von Medialog e.V. ab

Forchheim, 15.10.2005 – Die im Frühjahr und Sommer 2004 von „Medialog e.V. –
Verein zur Förderung von Filmkompetenz“ durchgeführte Bundestagspetition ist
beendet. In einer Eingabe hatte der Verein gefordert, den
Strafgesetzbuchparagrafen 131, nach dem Medien wegen Gewaltverherrlichung
bundesweit beschlagnahmt und deren Hersteller und Vertreiber bestraft werden
können, zu novellieren. Kritisiert hatte der Verein vor allem, dass von der
Verbotspraxis auch fiktionale Angebote betroffen sind, deren kultureller und
zeitgeschichtlicher Wert von Seiten der Kulturwissenschaften unbestritten
ist. Die Empfehlung zur Beendung der Petition durch den Petitionsausschuss
des Deutschen Bundestages kritisiert der Verein auf inhaltlicher Ebene und
zieht daraus die Konsequenz, seine Arbeit mehr auf die Diskussion um den
gesellschaftlichen Umgang mit Medien zu konzentrieren.

Ausgangspunkt der Petition war die im Januar 2004 erfolgte bundesweite
Beschlagnahmung des Spielfilms „Blood Feast“ (USA 1963, Regie: Herschell
Gordon Lewis) durch das Amtsgericht Karlsruhe. „Medialog e.V.“ monierte
nicht nur, dass mit „Blood Feast“ ein einflussreicher und filmhistorisch
wichtiger fiktionaler Spielfilm nach über 40 Jahren verboten wurde, sondern
auch die Praxis, wie dies geschah: In Abwesenheit des Vertreibers (cmv
Laservision, Berlin) und des Künstlers (Herschell Gordon Lewis, Fort
Lauderdale, USA) wurde der Film im Schnellverfahren und ohne Einholung eines
fachwissenschaftlichen Gutachtens aus dem Verkehr gezogen. Der von der
Staatsanwaltschaft Karlsruhe erstellte Beschluss, auf dem die Beschlagnahme
basiert, weist „Medialog e.V.“ zufolge etliche fachliche und inhaltliche
Fehler auf. Eine juristische Stellungnahme, die der Verein beim Münchner
Medienanwalt Holger von Hartlieb einholte, ergab zudem, dass am Verfahren
auch starke juristische Zweifel bestehen, da der im Beschluss beschriebene
Tatbestand im Film nicht nachzuweisen sei.

Auf der Basis mehrerer Gutachten und Stellungnahmen (u. a. vom Kieler
Filmwissenschaftler Prof. Dr. Hans-Jürgen Wulff) sowie einer bundesweit
durchgeführten Unterschriftenaktion, bei der über 2300 Unterstützter von
Film- und Medienwissenschaftlern, Filmkünstlern, Verleihern, Videothekaren
und Filmfreunden gesammelt wurden, reichte „Medialog e.V.“ im September 2004
eine Bundestagspetition ein. Diese hatte zum Ziel, den
Strafgesetzbuchparagrafen 131 so zu überarbeiten, dass es künftig nicht mehr
möglich wäre, fiktionale Spielfilme zu verbieten, und bei anstehenden
Gerichtsverfahren die Anwesenheit der Betroffenen und von Gutachter
verbindlich machen sollte. Darüber hinaus sollte die Regelung abgeschafft
werden, nach der die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ (BpjM)
mutmaßliche Rechtsverletzungen von ihnen vorgelegten Spielfilme bei der
Staatsanwaltschaft anzeigen kann.

Das Ergebnis der Petition liegt nun vor – der Petitionsausschuss hat den
Eingaben in allen Punkten widersprochen und empfohlen, das
Petitionsverfahren abzuschließen. Begründet wurde die Empfehlung mit einer
dezidierten Stellungnahme (im Internet unter http://www.medialog-ev.de
abzurufen), nach der zunächst der Straftatbestand auch fiktionaler
Medieninhalte gerechtfertigt wurde: Ob es sich bei dem Medieninhalt um ein
künstlerisch wertvollen oder medienhistorisch wichtigen Inhalt handele, sei
nicht maßgeblich, da auch künstlerische Inhalte den Rechtsfrieden zu
gefährden im Stande seien. Auch die Tatsache, dass in etlichen der
verbotenen Filme keine Menschen, sondern allenfalls „menschenähnliche Wesen
“ Opfer von Gewalt würden, sei nicht entscheidend, sondern allein, so der
Wortlaut des Schreibens, „ob die Opfer der wiedergegebenen Gewalttätigkeiten
nach objektiven Maßstäben ihrer äußeren Gestalt nach Ähnlichkeit mit dem
Menschen aufweisen.“ Die Kritik an den Verfahrensweisen der Amtsgerichte, in
Abwesenheit von Betroffenen und Gutachtern zu entscheiden, wies der
Petitionsausschuss mit Verweis auf die geltende Rechtslage zurück, nach
welcher ein Verfahren ohne Angeklagten nicht stattfinden könne und das
Gericht stets auf Gutachter zurückgreifen, wenn es „Sachfragen nicht
aufgrund eigener Sachkunde ausreichend beurteilen kann.“ (Wortlaut
Petitionsausschuss). Aus der Ablehnung der von „Medialog e.V.“ monierten
Sachlage sieht der Petitionsausschuss auch keinen Handlungsbedarf bei der
Denunziation von Medienanbietern durch die BpjM bei den Gerichten.

Der Verein „Medialog e.V.“ hat nach ausführlicher Diskussion der
Stellungnahme des Bundestags-Petitionsausschusses und deren juristischer
Prüfung entschlossen, das Petitionsverfahren zu beenden. Als Grund hierfür
gibt er an, dass die gesellschaftliche Diskussionsbasis zum Thema „Medien
und Gewalt“ nicht breit genug sei, denn den inhaltlichen Argumenten von
„Medialog e.V.“ wurde vom Petitionsausschuss keine Beachtung geschenkt. Die
Petition sollte zum Ziel haben, dass die Diskussionsgrundlage des Themas
„Medien und Gewalt“ nicht dadurch entzogen werden kann, indem fragliche
Medienprodukte einfach aus dem Verkehr gezogen werden, bevor sie in den
gesellschaftlichen Diskurs gelangen können. Dass hierfür eine
medienwissenschaftliche und weniger eine juristische Herangehensweise
notwendig ist, ignoriert der Petitionsausschuss durch seinem
ausschließlichen Verweis auf geltende Gesetzeslagen. Diese Gesetzeslage
würde, wie „Medialog e.V.“ am Fall „Blood Feast“ nachgewiesen hat, jedoch
unterlaufen, indem sich die Amtsgerichte für fachlich zuständig erklären –
die offenkundigen Fehler des Beschlagnahmebeschlusses von „Blood Feast
“ widersprächen dieser Einschätzung jedoch. Auch die Vorladung der
Betroffenen sei in den seltensten Fällen gewährleistet, da sich die
Staatsanwaltschaften häufig auf die Feststellung „unbekannter Anbieter
“ zurückzogen, obgleich diese leicht (zum Beispiel im Internet) zu
recherchieren wären.

Auch die Begründung zur Beibehaltung des scharfen Straftatbestandes im § 131
StGB sei als Hinweis darauf zu werten, dass im Umgang mit Medien sowohl auf
Seiten der Judikative als auch der Legislative große Unsicherheit herrsche:
Die geltende Verbotspraxis beruft sich letztlich auf ein Argument, nach dem
„der Konsum gewaltverherrlichender oder -verharmlosender Darstellungen auch
in Spielfilmen Nachahmeffekte auslösen und so die Rechtsgüter der
Menschenwürde und der körperlichen Unversehrtheit gefährden“ kann, so die
Begründung des Ausschusses. Dass dieser Hypothese seitens der
Medienwirkungsforschung vielfach widersprochen wurde und in der Forschung
seit langem wesentlich differenziertere Wirkungsmodelle existieren, lässt
der Petitionsausschuss unberücksichtigt. „Medialog e.V.“ sieht gerade hierin
einen „Beleg dafür, dass in der Diskussion um Medien immer noch und wider
besseren Wissens mehr mit Ängsten als mit Fakten argumentiert wird“, so
Pierre Kretschmer, Vorstandsvorsitzender des Vereins. „Medialog e.V.“ sieht
sich durch das Ergebnis der Bundestagspetition in seinem Vereinszweck voll
bestätigt, weiter an einer rationalen Argumentationsbasis im Umgang mit
Medien zu arbeiten. „Medien muss vorurteils- und angstfrei begegnet werden“,
so Kretschmer, „dies allein kann die Grundlage für eine differenzierte und
aufgeklärte Diskussion um Medieninhalte nach sich ziehen.“ Der Verein wird
sein Tätigkeit daher künftig noch stärker auf Medienpädagogik und
­journalismus hin ausrichten, um die Bedingungen für einen solchen Umgang
mit vorzubereiten.

Weitere Informationen und Dokumente:

http://www.medialog-ev.de/ - Homepage Medialog e.V.
http://www.medienverstehen.de/texte/peditionsende.pdf - Antwort des
Petitionsausschusses
http://www.medienverstehen.de/texte/medialoggutachten.pdf - Stellungnahme
von Medialog e.V.
http://www.medienverstehen.de/texte/vonHartliebgutachten.pdf - juristische
Stellungnahme von RA Holger von Hartlieb (München)
http://www.medienverstehen.de/texte/GutachtenWulff.pdf -
Filmwissenschaftliche Stellungnahme von Prof. Dr. H.-J. Wulff (Kiel)

Bei Veröffentlichung bitten wir um eine kurze Mitteilung mit Quellenangabe.

Mit freundlichen Grüßen
Medialog e.V.
(Pressereferat)
 
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