Im Vergleich zu späteren Triple-A RPGs war es schon halbwegs komplex. Es war halt so ein Mittelweg zwischen klassischem RPG a la Baldurs Gate und modernem RPG a la Witcher 3 & Co. Und ich finde das hat damals noch alles ziemlich gut zusammen gepasst.
DISCLAIMER: Sorry, dass ich das hier aus der Gruft hole. Aber es ist zu interessant, im Rückblick alte Artikel samt Kommentaren wie diesen zu lesen.
Das Folgende istdeshalb auch nicht als Diss gegen dich zu verstehen, Neawoulf. Ich greife mir das nur sinnbildlich raus. Und wenn ich ehrlich bin: Als angekündigt wurde, dass BG3 ein Triple-A-Projekt wird, hatte ich auch schon mit einem Witcher: Schwertküste gerechnet. So funktioniert das in dieser Industrie seit Jahrzehnten. Sobald die Budgets und Risiken steigen, nimmt man sich das, was gerade erfolgreich ist, und flanscht ein paar RPG-Features an, fertig. Die Hosenscheißer-Taktik.
Jedenfalls: "Modernes RPG" -- das ist Framing. Oder, wie es die Entwickler-Jungs vom Kanal DevPlay vor einer Weile ausdrückten: "Das RPG ist tot, es gibt nur noch Action-Adventures."
Nach bald zwei Jahrzehnten "Streamlining" (Industrie-Euphemismus detected) eine gar nicht mal so abwegige These.
Fast forward drei Jahre später: Baldur's Gate 3 kommt raus. Es hat:
- Mehr Charakteroptionen als alle Bioware-Titel der letzten zwanzig Jahre zusammen
- Rundenkampf statt Dauerfeueraction, den Publisher weltweit zum Kassengift erklärt hatten
- Ein D&D-System als Grundlage
- Die Würfel und Zahlen jederzeit im Vordergrund, weil es sich nicht dafür schämt, ein RPG statt ein Hollywoodfilm zum Halbwegs-Mitspielen zu sein
Und: Es schickt sich gerade an, erfolgreicher zu werden als jedes Biowarespiel ever. Full circle, Mann. Denn als damals Baldur's Gate 1 erschien, galten Rollenspiele als mausetot. Zwar war ein Jahr zuvor schon Fallout erschienen. Aber Diablo und Hack&Slash regierten über alles, noch während der Entwickler trat Interplay an Fallout-Papa Tim Cain ran mit der Bitte, das Spiel doch mehr wie Diablo zu machen. Selbst bei Interplay rechneten sie im Idealfall damit, die Kosten von BG wieder einzuspielen oder ein wenig Gewinn zu machen. Das Ende vom Lied: Bereits im Dezember 98 mussten weitere Kopien produziert werden, weil die Leute ihnen das Ding aus den Regalen rissen...
So eine dumme Industrie, das hier. Und auch Bioware ist vom Trendsetter zum Trendnachläufer geworden. Mit Mass Effect wollten sie ganz unbedingt auch die Shooterjungs mit ins Boot nehmen. Spätestens mit den Sequels zu Dragon Age schon wieder die Hack&Slash-Meute (
was schon damals zu Abgängen und Konflikten geführt hat). Mit Anthem... lassen wir das. Und die einzigen, die zehn Jahre nach dem oben verlinkten Artikel samt Bioware-Zitat Relevanz, Profil und Kundschaft verloren haben, sind Bioware. RPGs? Gehts zwischen Disco:Elysium, Pathfinder, Rogue Trader, Solasta, Broken Roads und jetzt Baldur's Gate 3 so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr.